„Große Ahnungslosigkeit“: In Armutsdebatte erntete Spahn harsche Kritik aus Opposition und eigenen Reihen
Der designierte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat in der Debatte über Armut in Deutschland Kritik aus der Opposition und den eigenen Reihen auf sich gezogen.
Politiker von Grünen und Linken werteten Spahns Äußerung, dass der Bezug von Hartz IV nicht gleichbedeutend mit Armut sei, als Ausdruck von Arroganz und Überheblichkeit. Aus dem CDU-Arbeitnehmerflügel hieß es, Spahn habe „den Bezug zur Lebenswirklichkeit verloren“.
Im Zusammenhang mit der Diskussion um den zwischenzeitlichen Aufnahmestopp für Ausländer bei der Essener Tafel hatte Spahn am Wochenende in einem Interview gesagt, auch ohne die Tafeln müsste hierzulande niemand hungern. Deutschland habe „eines der besten Sozialsysteme der Welt“. Hartz IV bedeute nicht Armut, sondern sei die Antwort der Solidargemeinschaft auf Armut.
Mit Blick auf die Aussagen ihres Parteifreundes warnte CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer am Montag im ZDF-„Morgenmagazin“ davor, dass „Menschen, die wie er oder ich gut verdienen, versuchen zu erklären, wie man sich mit Hartz IV fühlen sollte“. Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft, Christian Bäumler (CDU), sagte dem „Handelsblatt“: „Jens Spahn hat den Bezug zur Lebenswirklichkeit verloren“. Wer am Rande des Existenzminimums leben müsse, sei arm.
Widerspruch erntete der designierte Gesundheitsminister auch vom Koalitionspartner. „Es gibt einfach Bereiche, wo wir sehen: Trotz Hartz IV geht es den Menschen nicht gut und da wollen wir ran“, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil im ZDF-„Morgenmagazin“.
Harsche Kritik kam aus den Reihen der Linkspartei. Nach Ansicht von Linken-Parteichefin Katja Kipping machen Spahns Äußerungen deutlich, dass die Regierung für das „Treten nach unten“ stehe. Die Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht warf Spahn in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ vor, die Bezieher von Hartz IV „mit arroganten Belehrungen zu verhöhnen“.
Auch Grünen-Chef Robert Habeck warf Spahn vor, „überheblich“ zu sein. „Kinder- und Altersarmut, Demütigungen und Existenzängste sind real – oft nicht trotz, sondern wegen Hartz IV“, sagte Habeck der „Bild“-Zeitung.
Laut Deutschem Gewerkschaftsbund (DGB) zeugt Spahns Aussage, die Regelsätze von Hartz IV würden „mit großem Aufwand genau bemessen“, von „großer Ahnungslosigkeit“. Tatsächlich seien die Regelsätze politisch motiviert kleingerechnet worden, kritisierte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach.
Buntenbach forderte „eine grundlegende Neu-Bemessung der Regelsätze, die den tatsächlichen Bedarf deckt und wirksam vor Armut schützt“. Aktuell würden die Hartz-IV-Sätze unterhalb der offiziellen Armutsgrenze liegen. „Wenn Jens Spahn meint, alle bekämen, was sie bräuchten, ist das ein Hohn für rund acht Millionen Menschen, die von den viel zu niedrigen Regelsätzen leben müssen.“
FDP-Chef Christian Lindner verteidigte Spahns Äußerungen dagegen: Natürlich könne man von Hartz IV leben, sagte er in Berlin. Das errechnete Existenzminimum in Deutschland sei schließlich keine Frage von „Gutdünken“. Sicher befänden sich Hartz IV-Empfänger aber nicht in einer „Lebenssituation, die man als komfortabel bezeichnen kann“, räumte der FDP-Politiker ein.
AfD-Chef Jörg Meuthen gab Spahn indirekt Recht. Nur wenn es zur Existenzsicherung erforderlich sei, müsse der Staat handeln. Die AfD wolle den Staat in einer „subsidiären, aber nicht so dominanten Rolle“ sehen. (afp)
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