Hambacher Forst: Polizei räumt weiter – Bewohner widersetzen sich

Im Hambacher Forst hat die Polizei am Freitag mit der Räumung einer der größten Baumhaussiedlungen begonnen.
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Mit massivem Aufgebot sollen Polizisten im Hambacher Forst die Baumhäuser von Aktivisten räumen.Foto: Marius Becker/dpa
Epoch Times14. September 2018

Im Hambacher Forst hat die Polizei am Freitag mit der Räumung einer der größten Baumhaussiedlungen begonnen. Die Bewohner des Dorfes „Oaktown“ mit etwa acht Baumhäusern kündigten gewaltlosen Widerstand etwa durch Festketten an. Sie warfen der Polizei vor, mindestens 20 Bäume, darunter auch einige sehr alte, gefällt zu haben, um Platz für die Räumfahrzeuge zu schaffen. Die Polizei gab einzelne Fällungen zu. Sie beschuldigte die Baumhausbewohner, sie mit Exkrementen und einem brennenden Holzscheit beworfen zu haben. Verletzt wurde niemand. Mindestens zehn Aktivisten wurden in Gewahrsam genommen. Am Abend demonstrierten nach Polizeiangaben ungefähr 200 Menschen am Hambacher Forst für dessen Erhalt.

Die Baumhausbewohner warnten die Polizei im Tagesverlauf, dass sich unter „Oaktown“ Tunnel mit Menschen darin befänden – deshalb müsse man vorsichtig sein. Eine Polizeisprecherin sagte, man habe keine Hinweise auf Tunnel, aber die Räumfahrzeuge müssten sowieso nicht so nah an die Bäume heranfahren. Eine Zahl, wie viele Baumhäuser bislang geräumt wurden, nannte die Polizeisprecherin zunächst nicht. Die Räumungsaktion dauerte auch noch nach dem Einbruch der Dunkelheit am Freitagabend an. Auch am Samstag solle sie fortgesetzt werden.

Die Polizei stellte sich von vornherein auf einen langen und schwierigen Einsatz ein. Die 50 bis 60 Baumhäuser liegen in bis zu 25 Metern Höhe – entsprechend kompliziert ist es, sie zu räumen.

Der Energiekonzern RWE will im Herbst weite Teile des Waldes abholzen, um weiter Braunkohle baggern zu können. Die Baumhäuser der Besetzer gelten als Symbol des Widerstands gegen die Kohle und die damit verbundene Klimabelastung. In ihm stehen Jahrhunderte alten Buchen und Eichen. Zudem gibt es Vorkommen geschützter Arten wie der Bechsteinfledermaus.

Am Wochenende wollen Aktivisten weiter protestieren, so ist für Sonntag das Anpflanzen Hunderter junger Bäume geplant. Auch Linke-Fraktionschefin Sarah Wagenknecht unterstützt die Aktionen. „Ich rufe alle, die das jetzt sehen, auf, sich auf den Weg zu machen um den Hambacher Forst für uns alle zu bewahren“, sagte sie in Berlin. Die Menschen müssten das Schicksal des Waldes selbst in die Hand nehmen. Gleichzeitig kritisierte sie Horst Seehofer (CSU): „Aber wo ist denn unser Heimatminister, wenn ein 12 000 Jahre alter Wald fallen soll? Was sind das für Konservative, denen die Rodung des letzten Altwaldes auf deutschem Boden gleichgültig ist?“

Der Protest erreichte am Freitag auch die Hauptstadt. Etwa 20 Kohlegegner blockierten vorübergehend die NRW-Landesvertretung in Berlin. Nach einem Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs trugen Polizisten sie aus dem Gebäude.

Das Oberverwaltungsgericht in Münster lehnte einen Stopp der Räumungen ab. Die Baumhäuser seien Rückzugsorte für gewaltbereite Waldbesetzer, hieß es. Das OVG schloss sich damit der Meinung des Verwaltungsgerichts Köln an, das am Donnerstag in einem Eilverfahren eine Beschwerde gegen die Räumung durch die Stadt Kerpen zurückgewiesen hatte. Auch das Verwaltungsgericht Aachen hat in der Zwischenzeit den Eilantrag eines Baumhausbesitzers abgelehnt, die Räumung zu stoppen. Das Gerichte beklagt in der Begründung eine fehlende Baugenehmigung und mangelnden Brandschutz. Das Areal des Hambacher Forstes erstreckt sich über eine Kreisgrenze hinaus.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) bezeichnete die Waldbesetzer als „kriminelles Personal auch vom Ausland“. RWE-Vorstandsmitglied Lars Kulik sagte im WDR, die Abholzung sei unvermeidbar, um die Stromproduktion in NRW zu sichern.

Als Begründung für die Räumung führen die Behörden nicht den geplanten Braunkohleabbau an, sondern fehlenden Brandschutz in den Baumhäusern. Umweltaktivisten halten das für vorgeschoben. Auch der SPD-Fraktionsvize im NRW-Landtag, Jochen Ott, bemängelte, die Auseinandersetzung über das Baurecht zu führen, sei „politisch mangelhaft“.

Der Streit um den Hambacher Forst entzweit die von der Bundesregierung eingesetzte Kohlekommission. „Der Tagebau Hambach ist genehmigt und bisher in allen Instanzen bei gerichtlichen Überprüfungen bestätigt worden“, sagte Kommissionsmitglied Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), dem „Handelsblatt“.

Dagegen sagte Kommissionsmitglied Martin Kaiser, der zugleich Geschäftsführer von Greenpeace ist, die „unverantwortliche Räumung unter vorgeschobenen Gründen“ belaste „die bislang vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit in der Kohlekommission massiv“. Die Kommission soll bis Ende des Jahres eine Strategie zum Ausstieg aus der Kohleverstromung ausarbeiten. (dpa)



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