Sozialabgaben auf Kapitalerträge: Streit über Habecks Pläne geht weiter
Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck will zur Finanzierung der Krankenkassen auch Einkünfte aus Kapitalanlagen heranziehen. In der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ vom 12. Januar sagte Habeck, dass Kapitalerträge bislang von Sozialversicherungsbeiträgen freigestellt seien. Ihm leuchte nicht ein, warum Arbeit höher belastet werde als Einkommen aus Kapitalanlagen.
Und deswegen schlagen wir vor, dass wir auch diese Einkommensquellen […] sozialversicherungspflichtig machen“, sagte Habeck.
Das solle den Druck auf die Arbeitslöhne „deutlich reduzieren“ sowie „Arbeiten günstiger machen“ während die Kapitaleinkünfte etwas höher mit Abgaben belegt werden.
Es gebe also Antwortmöglichkeiten, „die nicht diese etwas versteinerte und […] dusselige Debatte ‚alle sind faul, wir müssen wieder fleißig werden‘“ rekapituliere.
„Wir würden gern die Beitragsgrundlage erhöhen“ – Zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen will Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck Sozialabgaben auf Kapitalerträge erheben. Dies sei ein „Schritt zu mehr Solidarität innerhalb des Systems“, sagte er im #BerichtausBerlin. pic.twitter.com/wkDdRdsP1Y
— Bericht aus Berlin (@ARD_BaB) January 13, 2025
Der Chef der Techniker Krankenkasse, Jens Baas, hatte in einem Interview der „Süddeutschen Zeitung“ vom Samstag die Befürchtung geäußert, dass es ohne Reformen im Gesundheitssystem einen weiteren Anstieg der Krankenkassenbeiträge geben werde. In der kommenden Legislaturperiode könnten die Krankenkassenbeiträge auf 20 Prozent steigen, warnte er.
Zu Jahresbeginn haben viele Krankenkassen ihre Zusatzbeiträge so stark erhöht wie seit Jahrzehnten nicht. Die Zusatzbeiträge sind ein Aufschlag auf den allgemeinen Beitragssatz von 14,6 Prozent.
Die neue Forderung von Habeck lehnte Baas jedoch ab.
In der aktuellen Schieflage bei der Finanzierung von Gesundheit führen einfache Lösungen nicht ans Ziel“, sagte Baas den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Einfach mehr Geld in ein System zu stecken, in dem das Geld nicht zielgenau und effizient eingesetzt werde, helfe langfristig nicht, sagte der TK-Chef.
„Angesichts der stark steigenden Ausgaben im Gesundheitswesen müssen die Finanzen zunächst kurzfristig stabilisiert werden.“ Die Versicherten müssten „dringend finanziell entlastet werden“. An grundlegenden Reformen führe kein Weg vorbei, sagte der Kassenchef.
Beispielrechnung: Alleinstehender
Aktuell werden für die Einkünfte aus Kapitalerträgen 25 Prozent Steuern fällig – die ersten 1.000 Euro sind steuerfrei. Hinzu kommen 5,5 Prozent Solidaritätszuschlag und 8 Prozent (in einigen Bundesländern 9 Prozent) Kirchensteuer, die auf den Steuerbetrag angerechnet werden.
Bei einem Gewinn aus Kapitalertrag von 3.000 Euro werden aktuell 567,50 Euro abgezogen – bei höherer Kirchensteuer 572,50 Euro (500 Euro Steuern, 27,50 Euro Soli, 40 bzw. 45 Euro Kirchensteuer).
In welchem Maß Habeck Sozialabgaben aufschlagen will, ist noch unklar. Ginge man von der Regelung für Freiberufler und Selbstständige aus, käme mindestens der Allgemeine Beitragssatz der Krankenversicherung von 14,6 Prozent hinzu. Das wären 438 Euro für den beispielhaften Gewinn von 3.000 Euro.
Freiberufler und Selbstständige, die freiwillig gesetzlich versichert sind, müssen auf ihre Kapitalerträge bereits jetzt schon Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Neu wäre in dem Fall, dass auch Angestellte zusätzliche Beiträge zahlen müssen.
Kritik aus der Bevölkerung und anderen Parteien
Der X-Nutzer AktienNoobEne weist darauf hin, dass die Maßnahme lediglich die niedrigeren Einkommen und Kleinsparer treffe. „Wer über der Beitragsbemessungsgrenze liegt, wird nicht mehr zahlen als zuvor. Es trifft wie immer, surprise, die niedrigeren Einkommen oder die Kleinsparer.“
Die Grünen wollen, dass wir Aktionäre zukünftig auch Sozialabgaben auf die Kapitalerträge wie Dividenden zahlen sollen.
Selbständige, die freiwillig gesetzlich versichert sind, tun das bereits. Aber privat versicherte nicht. Wer über der Beitragsbemessungsgrenze liegt, wird… pic.twitter.com/189JWmVykL— AktienNoobEne (@EneNoob) January 12, 2025
Die Beitragsbemessungsgrenze für freiwillig gesetzlich Versicherte legt das Bruttoeinkommen fest, für das Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung gezahlt werden müssen. Für jedes Einkommen, das darüber liegt, müssen keine Beiträge mehr gezahlt werden. Momentan liegt die Grenze für Krankenversicherungen bei 5.512,50 Euro pro Monat (66.150 Euro pro Jahr).
Christian Lindner kommentierte Habecks Vorhaben auf X: „Das Gegenteil wäre richtig“. Gewinne in Deutschland sollten laut dem ehemaligen Finanzminister und FDP-Spitzenkandidaten weniger belastet werden. Die private Kapitalbildung müsse erleichtert statt erschwert werden. „Es ist verstörend, dass ein Wirtschaftsminister den Aufschwung geradezu sabotiert.“
Es geht weiter nach links bei #Habeck. Das Gegenteil wäre richtig: Gewinne in Deutschland sollten weniger belastet werden. Und die private Kapitalbildung muss erleichtert werden statt erschwert. Es ist verstörend, dass ein Wirtschaftsminister den Aufschwung geradezu sabotiert. CL https://t.co/xUFotgBUjO
— Christian Lindner (@c_lindner) January 12, 2025
„Habecks Vorschlag ist ein Abkassieren der Mittelschicht in Deutschland“, sagte Lindner den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. Die Menschen zahlten bereits sehr hohe Steuern und Abgaben. „Dazu auch noch Sozialversicherungsbeiträge auf Kapitaleinkünfte zu erheben, ist nichts anderes als ein Angriff auf Millionen Sparer, die eigenverantwortlich vorsorgen.“
Markus Söder (CSU) lehnt das Vorhaben auf X ab: „Auf schon einmal versteuertes Geld dürfen keine zusätzlichen Beiträge und Steuern erhoben werden.“
Die #Grünen wollen nicht nur höhere #Steuern. Jetzt wollen sie auch noch ans Sparguthaben der #Menschen und ihre Erträge ran. Das lehnen wir grundlegend ab. Auf schon einmal versteuertes #Geld dürfen keine zusätzlichen Beiträge und Steuern erhoben werden.
— Markus Söder (@Markus_Soeder) January 13, 2025
Karl Lauterbach (SPD) sieht darin eine Belastung der „Rücklagen für das Alter“ und schlägt als Alternative vor, privat Versicherte „an Solidarität zu beteiligen“. Diese „zahlen für Familien, Arbeitslose, Geringverdiener, Menschen mit Behinderung nicht mit. Das ist falsch“, schreibt der Gesundheitsminister auf X.
Bevor wir bei GKV Versicherten auch noch die Rücklagen für das Alter mit Beiträgen belasten sollten wir privat Versicherte an Solidarität beteiligen. Sie zahlen für Familien, Arbeitslose, Geringverdiener, Menschen mit Behinderung nicht mit. Das ist falsch
https://t.co/BbVkPCOSRT— Prof. Karl Lauterbach (@Karl_Lauterbach) January 13, 2025
Ablehnung kam auch aus der CDU: „Von Herrn Habecks Vorschlag wären Millionen Sparer betroffen und viele Unternehmen“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Jens Spahn (CDU), dem „Handelsblatt“.
„Rot-Grüns Geldhunger ist unersättlich“, schreibt Spahn auf X. Es sei nicht die Zeit Steuern und Abgaben zu erhöhen. „Wer die Leistungsbereitschaft ersticken und unsere Wirtschaft endgültig abwürgen will, kommt auf solche Ideen.“
Rot-Grüns Geldhunger ist unersättlich. Es ist nicht die Zeit, Steuern und Abgaben zu erhöhen. Wer die Leistungsbereitschaft ersticken und unsere Wirtschaft endgültig abwürgen will, kommt auf solche Ideen.https://t.co/ClZLirJJ5u
— Jens Spahn (@jensspahn) January 13, 2025
Grüne: „Für Kleinsparer ändert sich nichts“
Grünen-Parteichef Felix Banaszak ergänzte am Montag, dass die Pläne der Grünen „großzügige Freibeträge“ vorsehen würden, um Kleinsparer nicht zusätzlich zu belasten. Es gehe daher bei den Sozialbeiträgen nur um „Kapitalerträge ab einer bestimmten Grenze“. Einen konkreten Grenzwert nannte er allerdings nicht.
„Also Tante Gieseler, ihr Kleinen ETF ist nicht betroffen“, sagte er. „[…] die so ein bisschen als Kleinsparerin etwas dazu macht und […] wenn sie mal 50, 60 Euro im Monat übrig hat, noch was dazu legt“, so Banaszak.
Sondern es geht um die, die sich im Prinzip darüber finanzieren.“
Der Union warf Banaszak vor, sie habe bisher kein Konzept vorgelegt, „wie die Kranken- und die Pflegeversicherung abgesichert und die Menschen vor weiter steigenden Beiträgen geschützt werden sollen“.
Sozialabgaben für Kapitalerträge würden „nicht für Kleinsparer” kommen, sagt Grünen-Vorsitzender Banaszak. So würden sich an Krankenkassenkosten auch „die beteiligen, die wirklich hohe Kapitalerträge haben“. Auf Habecks Ankündigung gestern bei ARD folgte Kritik. pic.twitter.com/AV3iKA75wz
— Epoch Times Deutsch (@EpochTimesDE) January 13, 2025
Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) hat Habecks Vorschlag verteidigt. Dies diene einer gerechteren Finanzierung des Gesundheitssystems, sagte sie der Sendung „Frühstart“ von ntv und RTL am Dienstag.
Es trifft weder diejenigen, die für das Alter vorsorgen, noch die kleinen und mittleren Sparer, sondern es soll um diejenigen gehen, die Millionen für sich arbeiten lassen und selber nicht mehr arbeiten müssen.“
Kritik aus den Reihen der Union, FDP und auch der SPD wies sie zurück. „Es geht ja nicht darum, dass man im Wahlkampf nur weiße Salbe verteilt und so tut, als ob irgendwie sich das Geld selbst druckt“, erklärte Göring-Eckardt. „Wenn man Gerechtigkeit will, wenn man will, dass die Systeme funktionieren, dann muss man auch ehrliche Vorschläge machen. Und das ist ein solcher.“
Rückendeckung bekommen die Grünen auch von der Vorsitzenden des Sozialverbands Deutschland Michaela Engelmeier.
Aus verteilungspolitischer Sicht ist das ein sehr guter Vorstoß – und eine alte SoVD-Forderung“, sagte Engelmeier der Funke Mediengruppe.
„Warum sollen für diese Aufgaben nur Löhne und Gehälter belastet werden?“, fragte sie weiter in den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Das ist schlicht ungerecht.“
Für die Finanzierung der Krankenkassen müssten auch andere Einkünfte als heute einbezogen werden, sagte sie. „Aber: Dabei muss darauf geachtet werden, dass etwa Einkünfte aus kleinen Sparguthaben beitragsfrei bleiben.“
Insbesondere die zuletzt immer stärker gestiegenen Zusatzbeiträge belasteten niedrige und mittlere Einkommen stark, sagte Engelmeier. Kassenbeiträge auf Kapitalgewinne wären dagegen solidarisch.
(tp mit Material der Nachrichtenagenturen)
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