Habeck ruft nach zweiter Gas-Drosselung zum Energiesparen auf
Nach der Drosselung von Gasliefermengen durch den russischen Gazprom-Konzern hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck erneut zum Energiesparen aufgerufen.
In einem am Mittwochabend über Twitter verbreiteten Video dankte der Grünen-Politiker der Bevölkerung und den Unternehmen für ihre bisherigen Bemühungen. Habeck appellierte mit Blick auf das Energiesparen zugleich: „Es ist jetzt der Zeitpunkt, das zu tun. Jede Kilowattstunde hilft in dieser Situation.“
Versorgung ist noch gesichert
Die Situation sei ernst, sie gefährde die Versorgungssicherheit in Deutschland aber nicht. Habeck mahnte: „Wir müssen wachsam sein. Wir müssen konzentriert weiterarbeiten. Vor allem dürfen wir uns nicht spalten lassen. Denn das ist das, was Putin vorhat.“
Der russische Energiekonzern Gazprom reduziert erneut die Gasliefermengen durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 nach Deutschland. Von der Nacht zu Donnerstag an sollten täglich nur noch maximal 67 Millionen Kubikmeter durch die Leitung gepumpt werden, hatte Gazprom angekündigt.
Erneut begründete der Staatskonzern den Schritt mit Verzögerungen bei Reparaturarbeiten. Die Bundesnetzagentur zeigte sich besorgt und nannte das Vorgehen Moskaus „technisch nicht zu begründen“. Habeck vermutet dahinter hingegen eine politische Entscheidung.
Bereits am Dienstag hatte Gazprom die Reduktion des bisher geplanten Tagesvolumens von 167 Millionen um rund 40 Prozent auf 100 Millionen Kubikmeter Gas pro Tag verkündet und auf Verzögerungen bei der Reparatur von Gasverdichtern verwiesen.
Der Energietechnikkonzern Siemens Energy hatte daraufhin mitgeteilt, dass eine in Kanada überholte Gasturbine aufgrund der Russland-Sanktionen derzeit nicht aus Montréal zurückgeliefert werden könne. Die neuerliche Reduktion auf 67 Millionen Kubikmeter bedeutet eine Drosselung um rund 60 Prozent innerhalb von zwei Tagen.
Bundesnetzagentur spricht von „Warnsignal“
Dass Gazprom seine Lieferungen durch Nord Stream 1 nun auf etwa 40 Prozent senkt, ist aus Sicht des Präsidenten der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, ein Warnsignal. „Russland schürt damit leider Verunsicherung und treibt die Gaspreise hoch“, sagte er der „Rheinischen Post“.
Wenn Gazprom über Wochen nur 40 Prozent durch Nord Stream 1 liefere, bekomme Deutschland ein Problem, sagte Müller: „Das würde unsere Situation erheblich verschlechtern. Über den Sommer könnten wir das vielleicht aushalten, denn die Heizsaison ist ja vorbei. Allerdings müssen wir jetzt zwingend die Speicher füllen, um den Winter zu überstehen – auch mit russischem Gas.“ Auf die Frage, ob er fürchte, dass Russland mit einem Gas-Lieferstopp ernst mache, sagte Müller: „Es lag bislang in der russischen Logik, Deutschland weiter Gas verkaufen zu wollen. Aber wir können nichts ausschließen.“
Netzagentur schlägt Absenkung der Mindesttemperatur vor
Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, will den Druck auf private Haushalte und Firmen erhöhen, Gas zu sparen. „Im Mietrecht gibt es Vorgaben, wonach der Vermieter die Heizungsanlage während der Heizperiode so einstellen muss, dass eine Mindesttemperatur zwischen 20 und 22 Grad Celsius erreicht wird.
Der Staat könnte die Heiz-Vorgaben für Vermieter zeitweise senken. Darüber diskutieren wir mit der Politik“, sagte Müller der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Donnerstag). Es sei wichtig, so viel Gas zu sparen wie möglich, um über den nächsten Winter zu kommen.
Raummindesttemperatur auf 16 Grad senken
Auch der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen GdW fordert eine Absenkung um bis zu sechs Grad Celsius. „Sollten die Gaslieferungen nach Deutschland künftig weiter deutlich eingeschränkt werden und es zu einer Mangelsituation kommen, sollte der Rechtsrahmen so angepasst werden, dass weitere Absenkungen der Mindesttemperatur auf eine maximale Untergrenze von 18 Grad tagsüber und 16 Grad nachts möglich werden“, sagte GdW-Präsident Axel Gedaschko den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Freitagausgaben). Derzeit muss im Winter eine Mindesttemperatur von 20 bis 22 Grad Celsius erreicht werden.
„Nur auf diese Weise, wenn alle Menschen und Wirtschaftsbereiche ihren konsequenten Beitrag zum Energiesparen leisten, werden kritische Versorgungsengpässe als gemeinsame gesellschaftliche Leistung gemeistert werden können“, sagte Gedaschko. Der GdW stehe mit den zuständigen Behörden in Kontakt, seine Mitgliedsunternehmen habe der Spitzenverband dazu aufgerufen, gasversorgte Wohngebäude auf Einsparpotenziale hin zu überprüfen.
Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes, lehnt solche Überlegungen ab: „Ich halte den Vorschlag, die Heiz-Vorgaben zeitlich befristet zu senken, für zu undifferenziert“, sagte Siebenkotten den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Ältere Menschen etwa frieren häufig schneller als jüngere. Ihnen jetzt pauschal zu sagen, sie sollen sich eine Wolldecke mehr nehmen, kann nicht die Lösung sein.“ Wer in einer schlecht sanierten Wohnung lebe, müsse mit weiteren Kosten rechnen, wolle er die Mindesttemperatur halten, warnte Siebenkotten.
Er setzt stattdessen auf Freiwilligkeit. „Mit freiwilligen Maßnahmen werden wir dabei mehr Erfolg erzielen, als es sich mancher vorzustellen vermag.“ Viele Mieter würden bereits Energie sparen, der Deutsche Mieterbund wolle in den kommenden Wochen und Monaten weiter für Einsparungen werben. Zugleich nimmt Siebenkotten auch Eigentümer in die Pflicht: „Das Bewusstsein für einen sparsamen Umgang mit Energie muss bei allen Menschen geschärft werden, auch bei denen, die im Eigentum wohnen“, sagte Siebenkotten.
Gasspeicher zu 56 Prozent gefüllt
Auch nach Einschätzung von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will Russland mit den Lieferkürzungen Unruhe stiften. „Die Begründung der russischen Seite ist schlicht vorgeschoben. Es ist offenkundig die Strategie, zu verunsichern und die Preise hochzutreiben“, hatte der Grünen-Politiker gesagt. Aktuell könnten die Mengen am Markt beschafft werden, wenn auch zu hohen Preisen. Es werde aktuell noch eingespeichert: „Die Versorgungssicherheit ist gewährleistet.“ Die Gasspeicher in Deutschland waren zuletzt zu rund 56 Prozent gefüllt.
Für Deutschland ist Nord Stream 1 die Hauptversorgungsleitung mit russischem Gas. Zuvor war schon die Leitung Jamal-Europa, die durch Polen führt, nicht mehr befüllt worden. Reduziert ist auch die Durchleitung von russischem Gas durch die Ukraine. Unter anderem durch die bisherigen Einschränkungen hatten sich die Energiepreise erhöht, weil insgesamt weniger Gas von Russland nach Europa fließt. (dpa/dts/mf)
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