Habeck-Rede zu Israel als Befreiungsschlag – und mögliche Ansage an Baerbock

Für sein unmissverständliches Bekenntnis zur Solidarität mit Israel und seine Kampfansage an Relativierer der terroristischen Hamas hat Minister Habeck parteiübergreifend Respekt geerntet. Für seine Parteikollegin Baerbock könnte das ein Problem bedeuten.
Vizekanzler Robert Habeck erhielt für sein Video Zuspruch von allen Seiten.
Vizekanzler Robert Habeck erhielt für sein Video Zuspruch von allen Seiten.Foto: Carsten Koall/dpa
Von 2. November 2023

Über Monate hinweg wurde Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck in den Umfragen nach unten durchgereicht. Maßnahmen wie das Heizungsgesetz, aber auch die extremen Energiepreise und die daraus resultierende Abwanderung von Industrieunternehmen wurden vor allem ihm angelastet. Nun hat der Grünen-Politiker sich mit einem Video auf X zurückgemeldet, mit dem er Freund und Feind gleichermaßen überrascht haben dürfte. Darin ging es um den Überfall der terroristischen Hamas auf Israel am 7. Oktober – und die Reaktionen auf den Antiterroreinsatz der israelischen Armee in Gaza.

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Habeck geht in dem knapp zehnminütigen Beitrag vom Mittwoch, 1. November, auf mehrere Aspekte der öffentlichen Debatte um den Nahostkonflikt ein. Dabei zeigt er sich entschlossen, mancherorts verlorene Klarheit in diese zurückzubringen.

Der Minister geht in seiner Rede schon zu Beginn auf die Rückkehr der Angst jüdischer Bürger in Deutschland ein. Eltern fürchteten um die Sicherheit ihrer Kinder auf dem Schulweg oder im Sportverein. Viele rieten ihnen, die Kette mit dem Davidstern zu Hause zu lassen. Einige stiegen in keine Taxis mehr oder versähen Briefe nicht mehr mit Absendern.

„Wer Israelfahnen verbrennt und Hamas verherrlicht, kann abgeschoben werden“

Anschließend ging Habeck auf unterschiedlichste Formen des Antisemitismus in Deutschland ein. Dieser komme zwar häufig von rechts, gedeihe aber auch in islamistischen und „antikolonialistischen“ linken Kreisen. Die Solidarität mit Israel sei „rasch brüchig“, es werde auf einen „schwierigen Kontext“ verwiesen. Allerdings dürfe „Kontextualisierung aber hier nicht zur Relativierung führen“. Habeck macht deutlich:

Es braucht jetzt Klarheit und kein Verwischen. Und zur Klarheit gehört: Antisemitismus ist in keiner Gestalt zu tolerieren. In keiner.“

Habeck forderte auch von einigen Islamverbänden mehr Klarheit, zumal Deutschland deren Anspruch auf Toleranz und auf Schutz vor rechtsextremer Gewalt unterstreiche. Nicht überall werde diese Klarheit gezeigt:

Einige haben sich klar von den Taten der Hamas und vom Antisemitismus distanziert, haben das Gespräch gesucht. Aber nicht alle und manche zu zögerlich und ich finde, insgesamt zu wenige.“

Der Minister wies auch darauf hin, dass das Verbrennen von Israel-Fahnen und die Verherrlichung der Hamas Folgen habe:

Wer Deutscher ist, wird sich dafür vor Gericht verantworten müssen, wer kein Deutscher ist, riskiert außerdem seinen Aufenthaltsstatus. Wer noch keinen Aufenthaltstitel hat, liefert einen Grund, abgeschoben zu werden.“

Habeck beklagt Doppelstandards zugunsten der Hamas

Explizite Kritik übte Habeck auch an der internationalen Sektion von Fridays for Future, die sich unter dem Banner des „Antikolonialismus“ zu anti-israelischen Positionen bekannt hat. Ein „Beide Seiten“-Argument führe in der Debatte in die Irre:

Die Hamas ist eine mordende Terrorgruppe, die für die Auslöschung des Staates Israels und den Tod aller Juden kämpft.“

Die deutsche Regierung mache deutlich, wie wichtig der Schutz von Zivilisten sei, und man tue sein Bestes, um dem Leid der Zivilbevölkerung in Gaza entgegenzuwirken. Natürlich müsse sich Israel an das Völkerrecht und internationale Standards halten. „Aber der Unterschied ist: Wer würde solche Erwartungen je an die Hamas formulieren?“

Es sei diese gewesen, die

Kinder, Eltern, Großeltern in ihren Häusern bestialisch ermordet hat. Deren Kämpfer Leichen verstümmelt haben, Menschen entführt und lachend der öffentlichen Demütigung ausgesetzt haben. Es sind Berichte des schieren Horrors – und dennoch wird die Hamas als Freiheitsbewegung gefeiert? Das ist eine Verkehrung der Tatsachen, die wir nicht stehen lassen können.“

Habeck wies zuletzt auch darauf hin, dass der Terrorangriff der Hamas in einer Zeit gekommen sei, in welcher viele arabische Staaten ihr Verhältnis zu Israel normalisieren wollten. Zudem benannte der Minister auch den Iran als einen wichtigen Faktor, der einen solchen Prozess hintertreiben wolle.

Fällt Baerbock ihr Auftritt von 2021 auf den Kopf?

Der energische Auftritt Habecks könnte unterdessen nicht nur seine zuletzt miserablen Popularitätswerte aufbessern. Sie könnte zudem auch die Debatte um eine mögliche grüne Kanzlerkandidatur im Jahr 2025 eröffnet haben. Zwar wird politisch bis dahin noch vieles passieren, dennoch könnte seine Israel-Rede Habeck einen wichtigen strategischen Vorteil gegenüber seiner möglichen Mitbewerberin Annalena Baerbock verschafft haben.

Zur Erinnerung: Im Vorfeld der Entscheidung über die grüne Kanzlerkandidatur im Jahr 2021 galt vielen eine Szene in einer NDR-Debatte als vorentscheidend. Die heutige Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hatte damals erklärt, die Welt ihres Konkurrenten Robert Habeck sei die eines „Schweinebauern“, während sie „aus dem Völkerrecht“ komme.

In einer elitären Partei wie den Grünen ließ der Effekt einer solchen Aussage nicht lange auf sich warten. Der Bundesvorstand nominierte Baerbock zur Kanzlerkandidatin. Auch in der Bundesregierung sollte Baerbock als Bundesaußenministerin das Rampenlicht genießen. Demgegenüber kam Habeck die wenig dankbare Aufgabe zu, als Superminister für Wirtschaft und Klimaschutz unpopuläre Maßnahmen wie das Heizungsgesetz darzustellen.

Hamas in Resolution nicht als verantwortlich für den Krieg benannt

Nun befindet sich die „Völkerrechtlerin“ in der Defensive. Schon am Mittwochabend sieht sie sich genötigt, das deutsche Abstimmungsverhalten in der Vollversammlung der UNO zu rechtfertigen. In der ZDF-Sendung „Was nun?“ erklärte Baerbock dazu, es gebe „keine hundertprozentigen Wahrheiten“ und „nicht die eine Sichtweise in dieser furchtbaren Situation“.

Am Freitag der Vorwoche hatte die UN-Generalversammlung mit Zweidrittelmehrheit eine von Brasilien eingebrachte Resolution angenommen. Diese hatte „jegliche Gewalt“ gegen israelische und palästinensische Zivilisten verurteilt. Zudem hat sie die sofortige und bedingungslose Freilassung aller „illegal festgehaltenen“ Zivilisten verlangt sowie ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe in den Gazastreifen.

Eine weitere Forderung war jene nach einer „sofortigen, dauerhaften und nachhaltigen humanitären Waffenruhe“. Diese solle in weiterer Folge zur „Einstellung der Feindseligkeiten“ führen. Allerdings wurde der Terror der Hamas nicht eindeutig als Auslöser des nunmehrigen bewaffneten Konflikts benannt. Auch deshalb stimmten neben den USA und Israel auch Staaten wie Österreich gegen die Resolution. Deutschland hingegen enthielt sich der Stimme.

Israels Regierung und Zentralrat der Juden bestätigen Baerbock-Position nicht

Die Bundesaußenministerin verwies zur Begründung auch darauf, dass diese Entscheidung geeignet sei, „Gesprächskanäle zu anderen Akteuren in der Region“ offenzuhalten. Vor allem zu solchen, die nicht selbst mit Israel sprächen. Deshalb würde das deutsche Abstimmungsverhalten in dessen Interesse liegen.

Auch in Israel selbst werde dies gewürdigt, so Baerbock:

Es gibt auch etliche Stimmen in Israel, die genau diese Brückenbauerfunktion in solchen wahnsinnig schwierigen Situationen von Deutschland für enorm wichtig halten.“

Die Regierung in Jerusalem hatte die Resolution scharf verurteilt und Verwunderung über die Enthaltung zahlreicher europäischer Staaten und Kanadas zum Ausdruck gebracht. Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland hatte erklärt, sich von Deutschland eigentlich ein „Nein“ erwartet zu haben.

Robert Habeck hatte bei „Markus Lanz“ zwar nicht Baerbock oder das deutsche Abstimmungsverhalten selbst kritisiert, er sagte jedoch, es handele sich um „keine gute Resolution, weil sie nicht politisch ist“. Sie durchdringe und nenne „das politische Problem nicht beim Namen“.



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