Habeck legt Konzept für Industriestrompreis vor – FDP äußert Kritik
Um Unternehmen und Jobs in Deutschland zu halten, will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck günstigere Strompreise für die Industrie. Der Grünen-Politiker schlägt dazu staatliche Hilfen vor – im Volumen von bis zu 30 Milliarden Euro. Habeck legte ein Konzept für einen zweistufigen Industriestrompreis vor. Ziel ist es, wettbewerbsfähige Strompreise sicherzustellen.
Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände fordern seit langem einen Industriestrompreis. Befürchtet wird, dass Unternehmen wegen der im internationalen Vergleich hohen Strompreise in Deutschland Produktion ins Ausland verlagern.
„Die energieintensiven Unternehmen sind die Basis der deutschen Industrie und damit unseres Wohlstands“, heißt es in einem Papier Habecks. Viele dieser produzierenden Unternehmen, etwa der Chemie-, Stahl-, Metall-, Glas- oder Papierindustrie, lieferten die Grundstoffe für die Produkte, mit der die deutsche Industrie international erfolgreich sei.
„Der Energiepreisschock gefährdet akut Deutschlands Wohlstand und seine starke industrielle Basis.“ Es sei mit den Energiepreisbremsen gelungen, die Lage in Deutschland zu stabilisieren. „Das Erreichte dürfen wir jetzt nicht gefährden. Deutschland braucht seine Grundstoffindustrien genauso wie neue Zukunftsindustrien.“
Langfristig „Transformationsstrompreis“ geplant
Habeck will langfristig einen „Transformationsstrompreis“. Die Industrie soll von günstigem Strom aus erneuerbaren Energien profitieren. Maßnahmen dazu, etwa mehr Flächen für Windräder, brauchten aber Zeit, um zu wirken und dauerhaft die Versorgung energieintensiver Unternehmen mit erneuerbarem Strom zu wettbewerbsfähigen Preisen zu garantieren.
Deswegen soll es in einer Zwischenphase bis 2030 einen „Brückenstrompreis“ geben von 6 Cent pro Kilowattstunde für einen „klar definierten“ Empfängerkreis, der aus öffentlichen Mitteln finanziert werden müsse.
„Die deutsche Industrie hat sich auf den Weg gemacht und ist bereits dabei, ihre Prozesse umzustellen, die es für eine klimaneutrale Produktion weltweit braucht“, sagte Habeck laut einer Mitteilung des Wirtschaftsministeriums. „Auf diesen Weg müssen wir unterstützen, denn dieser Weg sichert uns auch in Zukunft einen starken wettbewerbsfähigen Standort mit nachhaltigen Arbeitsplätzen.“
Kosten des Industriestrompreises
Die Kosten eines Industriestrompreises hänge wesentlich von der weiteren Entwicklung der Marktpreise ab, heißt es in dem Papier. Nach aktueller Lage ergebe sich für den Zeitraum nach Auslaufen der Strompreisbremse ein Finanzbedarf bis 2030 von rund 25 bis 30 Milliarden Euro. Das Geld soll aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds kommen.
Dieser in der Corona-Pandemie errichtete Fonds wurde in der Energiekrise reaktiviert, um deren Folgen abzufedern. Finanziert werden mit bis zu 200 Milliarden Euro vor allem die Strom- und Gaspreisbremse. Wegen sinkender Preise könnte die Finanzierung der Bremsen aber deutlich günstiger werden.
Die rechtlichen Hürden für die Nutzung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds seien hoch, heißt es im Papier. „Eine verfassungsrechtlich saubere Lösung erfordert zwingend neue parlamentarische Beschlüsse.“
Umstrittener Industriestrompreis
Ein Industriestrompreis ist in der Regierungskoalition umstritten. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat Vorbehalte. Auf direkte staatliche Hilfen zu setzen, sei „ökonomisch unklug“ und widerspreche den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft, schrieb er in einem Gastbeitrag für das „Handelsblatt“. Lindner hatte sich auch schon gegen eine Öffnung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds ausgesprochen.
Der Brückenstrompreis soll nach Habecks Konzept nur auf 80 Prozent des Verbrauchs Anwendung finden, um Effizienzanreize zu schaffen. Bedingungen sollen unter anderem Tariftreue und eine Standortgarantie sein. Der Brückenstrompreis solle „komplexe Wertschöpfungsketten und gute Arbeitsplätze“ erhalten, die Grundlage für die Ansiedlung der Industrien „von morgen“ schaffen und den Rahmen für die schnelle Umstellung auf klimaneutrale Produktionsweisen setzen.
Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) sagte, ein Industriestrompreis sei ein wichtiges Thema für den Industriestandort Deutschland. „Daher kommt es auch sehr auf die genaue Ausgestaltung an. Wir schauen uns das Konzept konstruktiv an und prüfen den Vorschlag. Eine Frage haben wir aber: was sagt eigentlich der Finanzminister dazu? Es ist schon bemerkenswert, dass dieses Konzept angesichts der Wichtigkeit des Themas nicht innerhalb der Bundesregierung abgestimmt wurde.“
FDP kritisiert Habeck-Pläne
Aus der FDP kommt Kritik an den Plänen von Wirtschaftsminister Robert Habeck. Der FDP-Energiepolitiker Michael Kruse warnte Habeck davor, mit Steuergeld um sich zu werfen. Die energieintensive Industrie in Deutschland brauche attraktive Standortbedingungen und das bedeute vor allem wettbewerbsfähige Energiepreise. „Insbesondere die Abschaltung der Kernkraftwerke hat zu einer Reduktion des günstigen Stromangebots geführt. Es ergibt keinen Sinn, wenn der Wirtschaftsminister erst die günstigsten Grundlast-Kraftwerke aus dem Markt drängt, nur um dann mit staatlichen Subventionen um sich zu werfen.“
Anstatt Geld zu versprechen, das nicht vorhanden sei, sollte Habeck lieber an Konzepten für kluge Rahmenbedingungen arbeiten. Kruse nannte etwa eine Reform der Strom- und Energiesteuern. Auch die Flexibilisierung von Netzentgelten wäre ein wichtiger Schritt, damit die Explosion bei den Kosten für den Netzausbau die energieintensive Industrie nicht in die Knie zwinge. „Das Ziel aller staatlichen Aktivitäten muss sein, dass Unternehmen nicht dauerhaft am Tropf des Steuerzahlers hängen. Bei Habecks Papier hat man allerdings den Eindruck, dass neue Dauerabhängigkeiten vom Staat geschaffen werden sollen.“
Industriegewerkschaft begrüßt Habeck-Pläne
Die Industriegewerkschaft IG BCE hat die Pläne von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck begrüßt. Michael Vassiliadis, Vorsitzender der IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) sprach von einem klaren Signal der Standortstärkung. Einen „Exodus“ der energieintensiven Branchen könne sich Deutschland nicht leisten.
„Für weite Teile der Industrie ist Energie inzwischen der größte Ausgabenposten und damit der entscheidende Standortfaktor“, sagte Vassiliadis.
Die Strompreise in Deutschland lägen heute siebenmal so hoch wie in China, viermal so hoch wie in den USA und dreimal so hoch wie in Frankreich, das längst einen nationalen Industriestrompreis habe.
Gerade die energieintensiven Industrien stünden in den nächsten Jahren vor gewaltigen Investitionen, um ihre Produktionsprozesse „klimagerecht“ zu modernisieren, so Vassiliadis. „Mit einem wettbewerbsfähigen Industriestrompreis geben wir ihnen die Sicherheit, dass sich der Weg der Transformation lohnt und dass man ihn in Deutschland gehen kann und nicht anderswo. Und wir bauen ihnen eine Brücke, bis Erneuerbare und Netze soweit ausgebaut sind, dass unser Strompreis auch ohne Hilfen international wieder auf Augenhöhe ist.“ (afp)
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