„Guten Morgen liebe Mitarbeiter … “: Das Döpfner-Statement zum Fall Julian Reichelt
Bereits im März berichtete unter anderem der „Spiegel“ von internen Compliance-Ermittlungen des Axel-Springer-Verlags gegen „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt wegen angeblichen Fehlverhaltens gegenüber Frauen. Ein halbes Dutzend Mitarbeiterinnen hätten Vorfälle aus den vergangenen Jahren dem Medienhaus angezeigt.
Offenbar ging es um Vorwürfe von Machtmissbrauch im Zusammenhang mit einvernehmlichen Beziehungen zu Mitarbeiterinnen. Doch schon damals gab es auch Stimmen, die den Grund für die Ermittlungen eher in Reichelts kritischer Sichtweise auf die Corona-Maßnahmen vermuteten. Damals bekam Reichelt vom Verlag eine zweite Chance.
Döpfners Statement
Nun meldet sich Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner mit einer Video-Botschaft an die Mitarbeiter zu den Vorgängen zu Wort, um die Sachlage darzustellen. Gleich zu Beginn zog Döpfner eine klare Linie zu dem, was und in welcher Weise in den Medien berichtet wurde und den tatsächlichen Ereignissen.
„Wenn man den Medienberichten der letzten Tage folgt, hat man den Eindruck, es geht hier um mehrere Fälle von Sexismus, sexuellem Übergriff, sexuellem Missbrauch. Das war zu keinem Zeitpunkt Teil der Vorwürfe“, bestätigte der Springer-Chef und Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger.
Reichelts Schwäche für Frauen
Worum es ging, waren „einvernehmliche Beziehungen“ mit „Bild“-Mitarbeiterinnen. Das sei aber, wenn eine Führungskraft eine solche Beziehung mit einer „abhängig Beschäftigten“ unterhalte und dies nicht transparent mache, nicht akzeptabel.
Eine große Rolle habe dabei eine nicht bei Axel Springer beschäftigte ehemalige Partnerin von Julian Reichelt gespielt, mit der der Journalist zwei Jahre zusammen gewesen sei. Diese Beziehung sei bekannt gewesen.
Weiterhin ging es laut Döpfner um vier angebliche Fälle von Beziehungen zu „Bild“-Mitarbeiterinnen, die dadurch berufliche Vorteile bekommen hätten. Welcher Art und Umfang diese Vorteile waren, erklärte Döpfner jedoch nicht.
Die Männer im Hintergrund
Im Hintergrund hätten aber Männer erkennbar das Vorgehen organisiert, allesamt ehemalige „Bild“-Mitarbeiter mit klarem Motiv: Reichelt sollte weg. „Dabei wurde ein sehr drohender, teilweise fast erpresserischer Ton angeschlagen“, offenbart Döpfner.
Die externe Untersuchung des Falls durch die Kanzlei Freshfields habe ein „sehr zwiespältiges Untersuchungsergebnis“ vorgelegt. Zumindest sei jedoch ein einvernehmliches Verhältnis mit einer Mitarbeiterin belegt worden. „Ein schwerer Fehler, der Folgen haben musste“, aber kein „unverzeihlicher“. Es gab interne Veränderungen und eine zweite Chance für Julian Reichelt.
Dann kam die neue Entwicklung. Laut Döpfner habe es einen „sehr einseitigen“ Bericht in der New York Times gegeben, mit Protokoll-Zitaten aus den Vorwürfen der Frauen. Parallel habe „Buzzfeed“ berichtet, dass Reichelt auch aktuell noch eine Beziehung zu einer Mitarbeiterin habe. Man habe Julian Reichelt damit konfrontiert, er habe es bestritten.
Am Montag habe man dann „zwei sehr glaubwürdige Zeugenberichte“ bekommen, die dargelegt hätten, dass es diese Beziehung gebe. Man habe Reichelt auch damit konfrontiert, er habe es dann eingeräumt. Damit sei klar gewesen: „Erstens: Er hat aus den Fällen von damals nichts gelernt. Zweitens: Er hat uns nicht die Wahrheit gesagt.“ Damit sei klar gewesen, dass man sofort handeln habe müssen. Die Chefredaktion wurde neu aufgestellt.
Meldet Respekt-Verstöße!
Döpfner betonte noch, dass es sich nicht um ein „Kulturproblem“ des gesamten Springer-Verlages handele. Dieses Problem gebe es bei „Bild“. Man müsse deshalb schneller und noch grundlegender an der „Modernisierung und Veränderung unserer Kultur, im Sinne von Respekt arbeiten“.
Das gelte aber nicht für die große Mehrheit der 16.500 Springer-Mitarbeiter in über 40 Ländern. In den meisten Ländern und Unternehmen des Unternehmens herrsche eine „vorbildliche Kultur, eine moderne Kultur von Diversität, von Inklusion, von Respekt“. Döpfner mahnte an, eventuellen Machtmissbrauch und Respekt-Verstöße zu melden. Man müsse ein Vorbild sein, was „moderne, respektvolle, diverse Unternehmenskultur betrifft“.
Wackelt Döpfner wegen DDR-Vergleich?
Zwei Sachen gab Vorstandschef Döpfner noch zum Besten – und zwar am Ende seiner Darlegungen. Zum einen wies er Vorwürfe von Einflussnahmen des Konzerns auf die Berichterstattung anderer Verlage in dem Fall Reichelt als „unwahr“ zurück.
Beim zweiten Punkt kratzte Döpfners Stimme etwas: „Und dann wurde auch noch thematisiert, dass ich in einer privaten SMS einen Vergleich zwischen Bundesrepublik und DDR vorgenommen habe.“ Das sei aus dem Zusammenhang gerissen zitiert und als Döpfners Statement und Meinung präsentiert.
Dazu müsse er sagen, dass eine private SMS kein Tweet oder Post oder öffentliche Rede sei, sondern privat. Aus einer privaten Unterhaltung aus dem Zusammenhang gerissen … da unterschlage man Polemik, Ironie, Übertreibung, so Döpfner. Das alles könne es in einer privaten Unterhaltung geben.
Er selbst sage oder schreibe manches Übertriebene oder Unsinnige in einer privaten Unterhaltung. Dennoch lege er Wert darauf, dass es privat sei, so der Springer-Vorstandschef, der in diesem seinem ganz persönlichen Fall von einer „Grenzüberschreitung“ spricht.
Döpfner zeigte sich, entgegen dem Reichelt-Fall, eher zugeknöpft, als es um seine eigene Person ging. Dem „Spiegel“ nach ging es um Äußerungen Döpfners in einer SMS an den deutschen Autor Benjamin von Stuckrad-Barre, die „im Zuge des Falls Reichelt jüngst bekannt“ geworden seien. Laut „Tichy“ war es die „New York Times“, die daraus zitiert hatte, was der „Spiegel“ nicht so schrieb.
Döpfner: Man müsse „sehr vorsichtig“ sein, weil Reichelt sei „halt wirklich der letzte und einzige Journalist in Deutschland der noch mutig gegen den neuen DDR-Obrigkeitsstaat aufbegehrt. Fast alle anderen sind zu Propaganda-Assistenten geworden“.
Nun regt sich Kritik von anderen Zeitungsverlegern an Döpfner als Verbandspräsident der Zeitungsverleger. Erste Rücktrittsforderungen werden laut, wie der Deutschlandfunk (DLF) berichtet.
So habe etwa Carsten Lohmann, Verlagsleiter des „Mindener Tageblatts“ und Co-Geschäftsführer der dahinter stehenden J.C.C. Bruns Betriebs GmbH, im DLF gesagt: „Ich finde, dass jemand, der oberster Repräsentant der Tageszeitungen in Deutschland ist, mit so einer Aussage nicht mehr haltbar ist.“ So berichtet es der zum Deutschlandradio gehörende öffentlich-rechtliche Hörfunksender.
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