Gutachten hält Lauterbachs Reform der Patientenberatung für verfassungswidrig
Die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplante Reform der Unabhängigen Patientenberatung (UPD) ist laut einem Rechtsgutachten verfassungswidrig. In dem Gutachten der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn im Auftrag der privaten Krankenversicherung (PKV), heißt es, die Patientenberatung, die künftig in Form einer unabhängigen Stiftung organisiert werden soll, sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Sie sei daher aus Steuergeldern zu finanzieren und nicht mit Beiträgen der gesetzlichen Kassen und der privaten Krankenversicherer. Darüber berichteten die Zeitungen des „RedaktionsNetzwerks Deutschland“ (RND).
UPD soll unabhängig bleiben
„Die Aufgabe der UPD ist ein auf die Gesundheitsversorgung bezogener Verbraucherschutz“, argumentiert der Sozialrechtler Gregor Thüsing in seinem Gutachten. Das sei keine Leistung von Kassen und Versicherern. Diese dürften auf Inhalt und Umfang der Stiftungstätigkeit keinen Einfluss nehmen, um die Unabhängigkeit zu gewährleisten.
Lauterbach plant, die vor rund 20 Jahren gegründete UPD, die Versicherte kostenlos berät, in eine Stiftung bürgerlichen Rechts zu überführen, um die Unabhängigkeit zu gewährleisten. Daran hatte es Zweifel gegeben, seitdem die UPD vom Pharmaunternehmen Sanvartis betrieben wird.
Die Stiftung soll nach den Plänen des Ministers jährlich 14 Millionen Euro von der gesetzlichen und rund eine Million Euro von der privaten Krankenversicherung bekommen. Bisher gab es elf Millionen Euro aus beiden Bereichen.
GKV will vor Gericht ziehen
Auch die gesetzliche Krankenversicherung hält die Finanzierung aus Beitragsmitteln für verfassungswidrig und will dagegen klagen. Die PKV versicherte zugleich, auf freiwilliger Basis auch die reformierte UPD unterstützen zu wollen. PKV-Verbandsdirektor Florian Reuther sagte dem RND, die PKV sei zu einer freiwilligen Mitfinanzierung entsprechend ihrem Versichertenanteil bereit.
„Wenn der Gesetzgeber auf die Zwangsfinanzierung verzichtet, könnte die Unabhängige Patientenberatung ihre Arbeit beginnen, ohne mit den rechtlichen und prozessualen Risiken einer verfassungswidrigen Finanzbasis belastet zu sein“, so Reuther.
Problematische Pläne des Gesundheitsministers
Als „problematisch“ hatten auch Verbraucherschützer die Pläne Lauterbachs kritisiert und Nachbesserungen gefordert. „Nach einer ersten Prüfung des Gesetzentwurfs ist es fraglich, ob das Ziel erreicht werden kann, ab 2024 bundesweit eine unabhängige und qualitätsgesicherte Beratung von Patientinnen und Patienten sicherzustellen“, sagte die Chefin der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) Ramona Pop dem RND.
Es sei vor allem unverständlich, warum die geplante neue Stiftung durch die gesetzlichen Krankenkassen und die private Krankenversicherung finanziert werden solle. Also ausgerechnet von den Organisationen, die sehr häufig Auslöser von Beschwerden und Beratungsanliegen von Patienten seien. Vertreter der Versicherungen sowie Politiker hätten zudem „mächtige Eingriffsrechte zur Kontrolle der Arbeit des Stiftungsvorstands“.
Der Aufbau neuer bundesweiter Beratungsstrukturen sei ebenfalls noch zu unkonkret. Die UPD müsse jedoch so organisiert sein, dass sie wirklich im Interesse der Patienten agieren könne. „Ziel muss es sein, dass die Patientenorganisationen die Verbraucher und Verbraucherinnen unabhängig beraten und deren Anliegen unparteiisch vertreten können“, forderte Pop.
Pharmaunternehmen führt Beratung seit 2016
Aufgabe der vor rund 20 Jahren gegründeten UPD ist es, Krankenversicherte bei Problemen unabhängig und kostenlos zu beraten. Zunächst betrieben sie der Sozialverband VdK, die Verbraucherzentrale Bundesverband und der Verbund unabhängige Patientenberatung (VuP) während einer Modellphase.
Seit 2016 führt Sanvartis die UPD. Das Pharmaunternehmen hatte die Ausschreibung für eine siebenjährige Trägerschaft gewonnen. Seitdem stellen Kritiker immer wieder die Unabhängigkeit der UPD infrage. Kritik an der Qualität der Beratung äußerte unter anderem der Bundesrechnungshof.
Im Koalitionsvertrag vereinbarten SPD, Grüne und FDP daher, die UPD als Stiftung bürgerlichen Rechts neu aufzustellen. Nach dem Gesetzentwurf Lauterbachs soll sie über einen Vorstand, einen Stiftungsrat und einen wissenschaftlichen Beirat organisiert werden.
Die Stiftungssatzung soll der Spitzenverband der Krankenkassen „im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit“ erlassen. Laut Gesetzesbegründung geht das Ministerium davon aus, dass die Stiftung trotzdem unabhängig von den Krankenkassen arbeiten kann.
Der Vorstand soll aus zwei Mitgliedern bestehen. Das Vorschlagsrecht dafür liegt bei Patientenorganisationen. Dem Stiftungsrat sollen Vertreter und Vertreterinnen der Regierung, des Bundestags, der Krankenkassen und von Patientenorganisationen angehören.
Neben der bereits erwähnten Finanzierung durch gesetzliche und private Kassen wäre auch eine Finanzierung aus Steuergeldern möglich. Verbraucherschützer und Patientenorganisationen ziehen diese Möglichkeit vor, weil sie darin eine größere Unabhängigkeit sehen.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion