Gut zwei Wochen nach dem Ampelbruch: Parteien und Kandidaten auf der Suche nach Überzeugungskraft

Die Vorbereitungen für den Bundestagswahlkampf sind bei allen Parteien im vollem Gange, auch wenn der verbale Schlagabtausch zwischen Noch-Regierungsparteien und Opposition längst begonnen hat. Über allem schwebt die Taurus-Frage.
Wahlplakate verschiedener Parteien im Stadtteil Sachsenhausen in Frankfurt am Main.
Noch hängen die Wahlplakate der großen Parteien nicht, das Archivbild zeigt eine Straßenszene kurz vor der EU-Wahl. In den Medien hat der Kampf um das beste Image vor der Bundestagswahl 2025 aber schon begonnen.Foto: Arne Dedert/dpa
Von 25. November 2024

Obwohl Wahlplakate und Werbespots noch fehlen, hat der Wahlkampf zur Bundestagswahl 2025 am 23. Februar faktisch begonnen.

Spätestens mit Christian Lindners Gegenentwurf zu den Wirtschaftsvisionen von Robert Habeck hatten sich die Hinweise verdichtet, dass Rot-Grün-Gelb im Bund nicht mehr lange durchhalten würde. Am Abend des 6. November hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schließlich die Reißleine gezogen und seinen FDP-Finanzminister mit deutlicher Kritik entlassen.

Die Maßnahmen der rot-grünen Minderheitsregierung scheinen vor allem darauf abzuzielen, Wähler zurückzugewinnen, denn noch am selben Abend kündigte der Kanzler die Vertrauensfrage an.

Inzwischen ist der Fahrplan klar: Am 11. Dezember will Scholz die Vertrauensfrage stellen, am 16. Dezember soll der Bundestag darüber abstimmen, und am 23. Februar dürfen die Bürger einen neuen Bundestag wählen.

Esken will 47-prozentiges Wählerpotenzial möglichst weit ausschöpfen

Die Kanzlerpartei gibt sich trotz mäßiger Umfragewerte um die 15 Prozent in der „Sonntagsfrage“ viel Mühe, um vielleicht doch noch für eine Überraschung zu sorgen. Co-Parteichefin Saskia Esken trat in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“ am Sonntag die Flucht nach vorn an, als sie von einem „Wählerpotenzial von 47 Prozent“ sprach.

Wie die „Welt“ berichtet, bezog sich Esken dabei allerdings lediglich auf die Frage, welche Partei für die Bürger grundsätzlich infrage komme. Und da hatte das Meinungsforschungsinstitut Infratest Dimap im Auftrag des ARD-Deutschlandtrends zuletzt eben jene Zahl gemessen. Einen besseren Wert hatte nur die Union mit 55 Prozent erzielt. Hinter der SPD rangierten die Grünen (33 Prozent maximales Wählerpotenzial), die FDP (28), die AfD (25), das BSW (20) und die Linke (18).

Scholz offiziell vom Parteivorstand nominiert

Der 33-köpfige SPD-Vorstand folgte am Montag, 25. November, dem Vorschlag seiner beiden Parteichefs Saskia Esken und Lars Klingbeil und nominierte Olf Scholz einstimmig als Kanzlerkandidaten (Video auf YouTube). Es sei Finanzminister Lindner gewesen, der den Bruch der Koalition „von langer Hand geplant“ habe, sagte Esken. Lindner hatte diese Darstellung schon im „Handelsblatt“-Interview (Bezahlschranke) vom Sonntag zurückgewiesen: „In jedem Fall sollte meine Entlassung wohl Teil des Wahlkampfs sein“, so Lindner.

Klingbeil hatte die Sozialdemokraten bereits kurz vor dem Wochenende auf den Scholz-Wahlkampf eingeschworen. Der Kanzler selbst hielt vor gut 100 Kommunalpolitikern seine erste Wahlkampfrede nach seiner Regierungserklärung vom 13. November und der Absage des als aussichtsreicheren SPD-Kandidaten gehandelten Verteidigungsminister Boris Pistorius von vergangener Woche.

Seine erste große offizielle Wahlkampfrede soll Scholz Agenturangaben zufolge am kommenden Samstag, 30. November, während einer „Wahlsiegkonferenz“ im Berliner Willy-Brandt-Haus halten.

Grüne mit holprigem Auftakt – „Küchentischgespräche“ sollen Stimmen für Habeck bringen

Auch für Robert Habeck, den nach eigenem Duktus „Kandidaten für die Menschen“ der Grünen, startete der Wahlkampf spätestens vor zwei Wochen mit seinem Wiedereinstieg im Social-Media-Dienst X. Sein allererstes Image-Video wurde allerdings nach wenigen Tagen wieder gelöscht  – dem Popmusiker Herbert Grönemeyer gefiel es nicht, dass Habeck im Video seinen Hit „Zeit, dass sich was dreht“ gesummt hatte.

Ungefähr um dieselbe Zeit wurde bekannt, dass Habeck jener Bundesminister ist, der mit Abstand die meisten Strafanträge gegen mutmaßliche Beleidiger und Bedroher im Netz stellt – mithilfe von Organisationen, die auf „Hassrede“ spezialisiert sind. Das hatte einem 64-jährigen Frührentner in Unterfranken einen Hausbesuch von Kriminalbeamten eingebrockt.

Für positivere Reaktionen setzt Habeck seit Kurzem auf sogenannte „Küchentischgespräche“: In einem ersten Video (YouTube) klagt eine junge Erzieherin ihm ihr Alltagsleid, woraufhin Habeck ihr für den Fall eines Wahlerfolgs mehr finanzielle Unterstützung in Aussicht stellt, am besten finanziert durch „Superreiche“. Nach eigenen Angaben erhielt der Minister bereits hunderte Einladungen an weitere fremde Küchentische.

Robert Habeck wurde im Gespräch mit Caren Miosga am Sonntagabend besonders hervorgehoben: Eine Stunde lang vermied die Namensgeberin des ARD-Talkformats, dem Wirtschaftsminister wirklich kritisch auf den Zahn zu fühlen (Video in der ARD-„Mediathek“). Thematisiert wurde dabei auch  Habecks Ankündigung, für den Fall seiner Kanzlerschaft Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern.

In einer INSA-Umfrage im Auftrag der „Bild“ vom 21. November rangierten die Grünen zuletzt bei 11 Prozent – hinter der SPD, (14), der AfD (19) und der Union (32 Prozent), an deren Seite Habeck gerne weiter Kabinettspolitik gestalten würde.

Lindner im Clinch mit dem ZDF

Von solchen Werten kann Ex-Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) derzeit nur träumen. INSA sah seine Partei am 21. November bei 5,0 Prozent, sodass die Liberalen um den Wiedereinzug in den Bundestag bangen müssen. Die Forschungsgruppe Wahlen maß zum selben Stichtag nur 3,0 Prozent.

Christian Lindner war zuletzt vor siebeneinhalb Monaten Gast bei Caren Miosga. Am vergangenen Sonntagabend fand der Ex-Minister offensichtlich die Zeit, sich via X-Kanal bei den Kollegen des ZDF zu beschweren. Die hatten für ihre Sendung „Background-Check: Die Tricks der Superreichen“ eine Collage veröffentlicht, auf der ein lächelnder Linder vor einer Jacht zu sehen ist, hinter ihm der Schriftzug „Tax the Rich!“ (Besteuere die Reichen). Linder gab sich alles andere als glücklich darüber:

Wieso taucht mein Bild hier auf, liebes ZDF? Ein an Einseitigkeit nicht zu übertreffender Beitrag wird mit meinem Bild vermarktet, obwohl ich nicht zu Wort komme? Das ist kein Journalismus, das ist Aktionismus. Mit Geld der Gebührenzahler.“

Nach Informationen des Deutschlandfunks  wurde die Collage inzwischen ausgetauscht. Der Mainzer TV-Sender prüfe die „Kritik am Gesamtbeitrag“: Lindner sei im Beitrag durchaus vorgekommen, wenn auch nur kurz.

CDU-Wahlprogramm soll am 17. Dezember kommen

Für den Unionskanzlerkandidaten Friedrich Merz (CDU) hat der Wahlkampf offiziell noch nicht begonnen, auch wenn er als Oppositionsführer seit drei Jahren ohnehin eine Spitze nach der anderen gegen die übrigen Parteien loslässt. Eine Sprecherin der Partei teilte auf Anfrage der Epoch Times mit, dass das Wahlprogramm am 17. Dezember im Rahmen einer gemeinsamen Vorstandssitzung vorgestellt werde. Die Kampagne sei in Arbeit.

Obwohl Merz im Bundestag für viel Stillstand sorgt, weil er auf keinen Fall „Zufallsmehrheiten“  mit den Stimmen der AfD haben will, kann er sich zurücklehnen: Seine Union steht seit Monaten in Umfragen über 30 Prozent, ihr Wahlsieg gilt als sicher.

Wegen der „Brandmauer“ zu den Linken und zur AfD stehen lediglich Fragen im Raum, ob sich Merz für die SPD, für die Grünen oder womöglich für beide als Koalitionspartner entscheiden wird – und wie Merz seine Versprechen gegen deren Widerstand durchzusetzen gedenkt.

In der Tauruslieferungsfrage etwa hätte er wohl leichtes Spiel mit den Grünen, mit der SPD eher nicht. Im Hinblick auf Migration oder Bürgergeld-Abschaffung wäre von beiden Parteien kein großes Entgegenkommen zu erwarten.

AfD und WerteUnion in Vorbereitungsphase

Die AfD, neben dem BSW der zweite strikte Gegner jeglicher Waffenlieferungen an die Ukraine, steht derzeit vor dem Dilemma, dass ihr Vertrauensentzug gegen Scholz ausgerechnet den Tauruslieferungsbefürworter Merz mit zum Regierungschef machen würde. Trotzdem will die Fraktion mehrheitlich bei ihrem Nein zu Scholz bleiben.

Die designierte AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel nutzt derzeit primär ihren X-Kanal, um die AfD-Positionen publik zu machen. Aus der Parteizentrale heißt es auf Anfrage der Epoch Times, man könne derzeit noch keine Auskünfte über die Wahlkampfplanungen geben. Das Wahlprogramm werde erst auf dem AfD-Bundesparteitag Mitte Januar beschlossen.

Wenig Spruchreifes über Personen und Termine zum Wahlkampfauftakt gibt es auch von der WerteUnion. Das Wahlprogramm (PDF) sei aber schon fertig, teilte ein Sprecher auf Anfrage mit.

 



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