Grundschulen könnten bald einen großen Lehrerüberschuss haben

Fehlende Lehrkräfte an Grundschulen könnten bald der Vergangenheit angehören. Eine neue Studie von Bertelsmann hat nachgerechnet und kommt zu anderen Zahlen als die Kultusministerkonferenz. Mit dem Überhang gebe es die „große Chance“, in die „pädagogische Qualität“ zu investieren.
Zwei Kinder laufen durch das Treppenhaus ihrer Grundschule.
Zwei Kinder laufen durch das Treppenhaus ihrer Grundschule.Foto: Frank Molter/dpa
Epoch Times25. Januar 2024

Der Lehrkräftemangel an deutschen Grundschulen wird einer Analyse der Bertelsmann-Stiftung zufolge schon bald der Vergangenheit angehören. Grund seien deutlich gesunkene Geburtenzahlen, teilte die Stiftung am Donnerstag in Gütersloh mit. Entsprechend gehe auch der Bedarf an Lehrkräften zurück.

Die Bertelsmann-Experten sprachen von einem „Lichtblick“ für das Bildungssystem. Es gebe die „große Chance“, in die „pädagogische Qualität“ der Grundschulen zu investieren.

Rechnerischer Überhang

Laut Expertenberechnungen für die Bertelsmann-Stiftung werden zwischen 2023 und 2035 insgesamt rund 96.000 fertig ausgebildete Grundschullehrkräfte neu zur Verfügung stehen, im selben Zeitraum jedoch nur etwas mehr als 50.000 Lehrkräfte benötigt, um den Unterricht abzudecken.

Daraus ergibt bis 2035 ein Überhang von rund 46.000 Lehrkräften – deutlich mehr, als jüngst nach Bertelsmann-Angaben von der Kultusministerkonferenz (KMK) prognostiziert.

Grund ist demnach die demografische Entwicklung. Laut Studie sank die Zahl der Geburten zwischen 2021 und 2023 um mehr als hunderttausend auf hochgerechnet zuletzt etwa 698.000. Entsprechend wird auch die Zahl der Grundschüler ab 2028 stärker zurückgehen als in der KMK-Prognose angenommen.

Die Gesamtbedarf an Grundschullehrkräften wird der Stiftung zufolge folglich 2025 mit mehr als 213.000 einen Höchststand erreichen und dann bis 2035 auf rund 180.000 sinken. Besonders stark werde der Bedarf an Neueinstellungen voraussichtlich zwischen 2029 und 2032 abnehmen. Danach wird er allerdings wieder etwas steigen, weil dann vermehrt Lehrkräfte in den Ruhestand eintreten.

Planung für die zusätzlichen Lehrer

Bereits für das laufende Jahr rechnen die Verfasser der Studie mit einem Überschuss von 2.300 ausgebildeten Grundschullehrkräften. „Dieses Potenzial sollte die Politik unbedingt nutzen“, erklärte Dirk Zorn, Bildungsexperte der Bertelsmann-Stiftung.

Mit den zusätzlichen Lehrern könne ab sofort die „pädagogische Qualität“ an Grundschulen verbessert werden, was wegen des Personalmangels lange Zeit „kaum möglich“ gewesen sei, fügte er an.

Die zusätzlichen Lehrkräfte sollten nach Auffassung der Studienautoren unter anderem bevorzugt im Rahmen des Startchancenprogramms von Bund und Ländern eingesetzt werden, um Schulen mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schülern zu unterstützen. An dem Programm nähmen rund 2.400 Grundschulen teil.

„Es besteht die seltene Gelegenheit, die Schulen mit den größten Bedarfen personell deutlich besser auszustatten“, erklärte Zorn.

Rechtsanspruch auf ganztägige Förderung

Bedarf besteht demnach auch im Bereich von Ganztagsgrundschulen, weil ab 2026 ein Rechtsanspruch auf ganztägige Förderung von Kindern im Grundschulalter greift. Die bereitstehenden Grundschullehrkräfte könnten den erheblichen Zusatzbedarf an Pädagogen „zumindest teilweise abfedern“.

Sinnvoll erscheine außerdem, zusätzliche Lehrkräfte nach einer ergänzenden Qualifizierung in fünften und sechsten Klassen an weiterführenden Schulen einzusetzen, hieß es von der Stiftung. Dort fehlten weiterhin Lehrer. Dafür seien aber etwa Änderungen im Lehramtsstudium notwendig.

Die Berechnungen zum Lehrkräfteüberschuss im Grundschulbereich seien nach den zuletzt oftmals schlechten Nachrichten aus dem deutschen Bildungssystem „ein Lichtblick“, betonte Zorn. Er verwies etwa auf die Ergebnisse des jüngsten Pisa-Studie, die im Dezember veröffentlicht wurde. Deutsche Schüler schnitten bei dem internationalen Lernleistungsvergleich so schlecht ab wie noch nie.

Die Personallage in anderen Bereichen werde davon gleichwohl nicht berührt und bleibe „weiterhin angespannt“, schränkte der Leiter des Bildungsbereichs der Bertelsmann-Stiftung ein. Vor allem an den weiterführenden Schulen außer den Gymnasien und in mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern werde „noch auf absehbare Zeit ein großer Mangel an Lehrkräften herrschen“, mahnte Zorn. (afp)



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