Grundgesetzänderung zur Schuldenbremse: Entscheidung im Bundestag mit knapper Mehrheit erwartet

Heute steht im Bundestag eine wegweisende Entscheidung an: Union und SPD streben eine Grundgesetzänderung zur Schuldenbremse an. Trotz gesicherter Mehrheit im Bundestag gibt es für Merz noch Restunsicherheiten – Bayern im Bundesrat ist keine mehr.
Der alte Bundestag soll am Dienstag über die Grundgesetzänderung für das geplante Finanzpaket entscheiden. (Archivfoto)
Der alte Bundestag soll heute über die Grundgesetzänderung für das geplante Finanzpaket entscheiden.Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Von 18. März 2025

Am Dienstag, 18. März, beginnt um 10:00 Uhr im Bundestag die entscheidende Sitzung, in der Union und SPD, die von ihnen angestrebte Grundgesetzänderung zur Schuldenbremse erwirken wollen.

Sollte diese zustande kommen, müsste noch der Bundesrat in seiner nächsten Sitzung am Freitag, 21. März, das Vorhaben absegnen. In beiden Fällen ist jeweils eine Zweidrittelmehrheit erforderlich.

Einige Eilverfahren noch anhängig

Durch weitreichende Zusagen hat CDU-Chef Friedrich Merz die Führungsspitze der Grünen dazu bewegt, den geplanten Änderungen der Schuldenregel zuzustimmen. Damit scheint die Zweidrittelmehrheit im Bundestag gesichert zu sein.

SPD, Union und Grüne verfügen zusammen über 32 Stimmen mehr, als für die qualifizierte Mehrheit erforderlich wären.

Ein Scheitern gilt angesichts dieser Ausgangsposition als unwahrscheinlich, aber nicht gänzlich ausgeschlossen. Einige wenige potenzielle Stolpersteine gibt es auch noch in letzter Minute.

Bereits am Freitag hatte das Bundesverfassungsgericht im Eilverfahren Anträge von AfD und Linksfraktion auf Verhinderung der Sondersitzung zurückgewiesen. Dabei hatten die Karlsruher Richter deutlich gemacht, dass die Auflösung des Parlaments der Handlungsfähigkeit des alten Bundestages keinen Abbruch tue.

Bevor nicht der neu gewählte Bundestag konstituiert sei, sei er in seiner alten Besetzung noch uneingeschränkt handlungsfähig. Dies umfasse auch Verfassungsänderungen.

Nach wie vor anhängig waren nach der Entscheidung vom Freitag drei weitere Organstreitverfahren und vier Verfassungsbeschwerden. Die parteilose Abgeordnete Joana Cotar hat bereits zum zweiten Mal einen Antrag eingebracht, die Abstimmung zu verschieben. Dazu kommen Anträge von drei Abgeordneten der FDP-Fraktion und ein weiterer von der Linken.

FDP wirft Merz Überrumpelungstaktik vor

Die Argumentationslinie in den neuen Klagen zielt nicht mehr auf die Zulässigkeit der Abstimmung als solche. Vielmehr will man – ähnlich wie bereits 2023 im Kontext des Heizungsgesetzes – eine Verschiebung erzwingen.

Aufgrund der zwingenden Regel des Grundgesetzes, spätestens 30 Tage nach der Wahl den neuen Bundestag einzuberufen, würde das einem Stopp gleichkommen.

Im neuen Bundestag haben AfD und Linke eine Sperrminorität. Eine Grundgesetzänderung würde dann auch die Zustimmung von Abgeordneten aus ihren Reihen erfordern. Die nunmehr anhängigen Anträge stellen auf die Kürze der Zeitspanne zwischen Einbringung des Gesetzentwurfs und der Abstimmung ab.

Es sei verfassungswidrig, nur drei Tage vor der Abstimmung noch weitere Änderungen an der Vorlage zu veranlassen, die gravierende Folgen hätten.

Neben dem Umfang der Schuldenermächtigung gehe es dabei auch um die Verankerung der „Klimaneutralität“ in der Verfassung. Diese ließe sich „in der kurzen Zeitspanne nicht seriös diskutieren und abwägen“, äußerte FDP-Finanzexperte Florian Toncar gegenüber „Legal Tribune Online“ (LTO).

Linke weisen Angebot der AfD zurück: „Keine juristische Grundlage“

Die Kläger hoffen nun auf eine ähnliche Entscheidung wie 2023, als das Bundesverfassungsgericht eine Verschiebung der Abstimmung über das Heizungsgesetz über die Sommerpause erzwang. Damals anerkannten die Karlsruher Richter die Argumentation, dass das Gesetz so kompliziert sei, dass die Abgeordneten mehr Zeit benötigten, um sich einzulesen.

Ob dieser Vorstoß auch jetzt erfolgreich sein wird, ist ungewiss. Der Antrag zur Grundgesetzänderung enthält noch keine Detailregelungen. Deshalb könnte das Bundesverfassungsgericht zu der Auffassung gelangen, dass diese nicht so komplex sei wie das ausgearbeitete Heizungsgesetz.

Eine zweite Hoffnung der Gegner der geplanten Grundgesetzänderung dürfte sich ebenfalls nicht erfüllen. Die AfD hatte sich an die Linksfraktion mit dem Ersuchen gewandt, eine umgehende Einberufung des neuen Bundestages zu beantragen. Dafür wäre Artikel 39 Absatz 3 GG zufolge ein Drittel der Abgeordneten erforderlich.

Auch BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht rief ihre früheren Parteigenossen dazu auf, den Vorstoß mitzutragen – ohne Erfolg. Die Linke bestreitet jedoch, dass sich die Eindrittelregelung auch schon auf gewählte Abgeordnete vor Konstituierung des Bundestages bezieht. Vor dieser, so die von mehreren Juristen gestützte Argumentation, seien diese noch keine „Mitglieder“ im Sinne des Art. 39 Abs. 3 GG.

„Hätte Schuldenbremse verteidigt“: Czaja beruft sich auf Finanzpolitik Schäubles

Als Stolperstein für Merz kommen noch mögliche Abweichler in Betracht. Der frühere Generalsekretär Mario Czaja hat gegenüber „The Pioneer“ und auf X zum Ausdruck gebracht, nicht für die Neuregelung zur Schuldenbremse stimmen zu wollen. Diese sei „nicht generationengerecht“, und die Begründungen, die dafür herangezogen würden, seien „nicht redlich“.

Auf X beruft Czaja sich auf die finanzpolitischen Überzeugungen des 2023 verstorbenen früheren Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble.

Wie viele es ihm gleichtun werden, ist ungewiss. Da ein Scheitern der Grundgesetzänderung den designierten Kanzler Friedrich Merz politisch schwer beschädigen würde, dürften auch viele kritische Unionsabgeordnete davor zurückscheuen, gegen das Paket zu stimmen.

Gleichzeitig ist schwer abzuschätzen, wie viele Unionsabgeordnete aufgrund von Widerständen in ihren Wahlkreisen ein Zeichen setzen wollen.

Ausscheidende Abgeordnete mit Antipathie gegen Merz als unsichere Kantonisten

Einige Unionsabgeordnete scheiden aus dem Bundestag aus. Die meisten von ihnen sind zwar Merz-kritisch, aber nicht als Gegner des Schuldenpakets in Erscheinung getreten.

Als loyale Merkel-Mitstreiter hatten sie Merz bei den Asyl-Abstimmungen vor der Wahl die Stimmen verweigert. Allerdings hat die Altkanzlerin jüngst gegenüber Medien das geplante Schuldenpaket als geboten erachtet.

Die Sozialdemokraten verlieren im neuen Bundestag 86 Sitze, die Grünen 33. Es wäre denkbar, dass vor allem unter den Abgeordneten, die künftig nicht mehr im Parlament vertreten sein werden, einige ausscheren.

In Teilen der SPD gibt es eine ausgeprägte Antipathie gegen Friedrich Merz – und auch die Grünen haben ihm kritische Bemerkungen im Wahlkampf übel genommen. Dennoch spricht der Umstand, dass das Schuldenpaket beiden Parteien inhaltlich weit entgegenkommt, gegen eine massenhafte Ablehnung.

Kommt die Zweidrittelmehrheit im Bundestag zustande, könnte die Grundgesetzänderung noch im Bundesrat scheitern. Vor allem Bayern gilt als Wackelkandidat. Der Koalitionspartner von CSU-Chef Markus Söder, die Freien Wähler mit ihrem Vorsitzenden Hubert Aiwanger, haben sich gegenüber dem Schuldenpaket kritisch geäußert.

Freie Wähler beenden Widerstand – Landräte hoffen auf Geldregen

Im Grunde geht in dieser Frage ein Riss durch die FW selbst. Während Aiwanger als Gegner einer Aufweichung der Schuldenbremse gilt, versprechen sich deren Landräte Geld aus dem Sondervermögen.

Wie „Rosenheim 24“ berichtet, soll Aiwanger seinen Widerstand gegen das Paket aufgegeben haben. Man habe „eh keine Chance“, dieses zu stoppen, zitiert ihn das Portal. Söder könne auch allein abstimmen, so Aiwanger.

Er spielt damit auf das Abstimmungsverhalten des brandenburgischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke im November 2024 bei der Abstimmung zur Krankenhausreform im Bundesrat an. Er hatte eine abtrünnige grüne Ministerin kurzerhand entlassen und deren abweichendes Stimmverhalten damit entwertet. CSU-Chef Söder hätte in gleicher Weise vorgehen können.

Mit seiner Akzeptanz der Grundgesetzänderung verhindert der FW-Chef immerhin einen Bruch der Koalition in München. Zuletzt erschien es als denkbar, dass auch die Länder Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern – trotz Regierungsbeteiligung von FDP beziehungsweise Linken – die Zweidrittelmehrheit retten könnten.

In Thüringen hat unterdessen der AfD-Fraktionschef Björn Höcke angekündigt, dass seine Fraktion ein Sonderplenum im Landtag beantragen wird. Darin möchte er die Landesregierung dazu anhalten, „den Totalausverkauf deutscher und Thüringer Interessen durch Ablehnung im Bundesrat zu verhindern“.



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