Grünen-Parteitag: Wahlkampfauftritte gegen Merz – Wahlprogramm beschlossen
Zum Abschluss ihres außerordentlichen Bundesparteitags in Berlin haben die Grünen ihr Wahlprogramm für die Bundestagswahl beschlossen. Es wurde am Nachmittag mit zwei Enthaltungen von den anwesenden Delegierten gebilligt.
Die Grünen wollen im Wahlkampf mit Maßnahmen punkten, mit denen der Alltag der Menschen wieder bezahlbarer gemacht werden soll. Dazu fordern sie unter anderem die Einführung eines Klimagelds, das sich in der Ampel nicht durchsetzen ließ. Auch soll das Deutschlandticket wieder 49 Euro kosten und der Mindestlohn auf 15 Euro erhöht werden.
Die programmatische Debatte nahm bei der nicht einmal sechsstündigen Veranstaltung eine geringere Rolle ein. Die Parteispitzen nutzten ihre Reden eher für Wahlkampfauftritte.
Hauptthema war dabei der Vorstoß von Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz, seine migrationspolitische Agenda kompromisslos, unabhängig davon, wer zustimmt, umsetzen zu wollen.
Habeck: Grüne haben „nicht diese Haltung der Bockigkeit wie andere aktuell“
Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck kritisiert eine Unversöhnlichkeit in den derzeitigen Wahlkampfdebatten. „Wir haben nicht diese Haltung der Bockigkeit wie andere aktuell“, sagte er.
Man suche „die Verantwortung in diesen schwierigen Zeiten“, fügte der Grünen-Politiker hinzu. „Wir ducken uns nicht weg.“ Der Einsatz für Toleranz und Weltoffenheit müsse aus „der Mitte der Gesellschaft“ kommen, forderte er. „Die Demokratie kann nicht an Minister überantwortet werden. Demokratie ist kein Zuschauersport.“ Es bestehe nun die Chance, „dass das Land sich wiederfindet“, so Habeck weiter.
Jedoch sei es „kein Parteitag der Fröhlichkeit“. „Die Welt wartet nicht auf uns.“ Dabei nannte er die Wahl von US-Präsident Donald Trump und autoritärer Kräfte als Herausforderungen.
Habeck warf CDU-Chef Friedrich Merz zum einen ein Schlechtreden wirtschaftlicher Innovation und eine Politik von gestern vor. „Die Alternative ist: Schauen wir nach vorne oder schauen wir zurück“. Die Frage sei: Bauen wir Deutschland und Europa „mit den neuen Technologien oder folgen wir denen, die mit den Technologien der 90er Jahre die Zukunft gewinnen wollen“.
Zum anderen warf Habeck der Union vor, sie habe die politische Mitte aufgegeben. „Diese Mitte ist jetzt leer“, sagte er. „Entweder stimmt ihr zu oder ich stimme mit Rechtsradikalen. Das ist nicht Mitte, das ist Ideologie.“
Dröge: Grüne stehen an „Seite der Beschäftigten“
Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge erinnerte an die Absage von Merz an „grünen Stahl“. Damit sage Merz de facto: „Sorry Leute, aber das schaffen wir nicht.“
Dies und sein Nein zum europäischen Green Deal seien damit auch Absagen an die Beschäftigten in Deutschland. Merz sage ihnen damit: „Eure Jobs interessieren mich nicht.“
Die Grünen hingegen stünden „an der Seite der Beschäftigten“, sagte Dröge weiter. Sie verwies auf die als Gäste anwesende DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi sowie Verdi-Chef Frank Werneke, aber auch die Präsidentin des Automobilindustrie-Verbands VDA, Hildegard Müller. „Wir glauben, dass Jobs in Deutschland eine Zukunft haben“, hob Dröge hervor.
Baerbock wirft Merz „Hysterie“ vor
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) warnt vor einer Verunsicherung der Bevölkerung. Die Menschen brauchten jetzt „Sicherheit“ und „Orientierung“, sagte sie. Den Kanzlerkandidaten Friedrich Merz (CDU) und Olaf Scholz (SPD) warf sie vor, dass sie „aktuell komplett die Nerven verlieren“. Merz verunsichere mit „Großmannsgetue“ und „Hysterie“ seine Partei und das Land. Nachdrücklich forderte sie, die „Brandmauer“ zur AfD aufrecht zu erhalten.
Baerbock hat zudem vor Bedrohungen des Landes durch autoritäre Regime und durch Extremismus von innen wie von außen gewarnt. „Wir lassen nicht zu, dass unser Land von Extremisten kaputt gemacht wird“, rief Baerbock am Sonntag den gut 800 Delegierten zu. Sie mahnte angesichts der Herausforderungen zur Standfestigkeit, aber auch zu zusätzlichen Anstrengungen für mehr Sicherheit.
Zu den sicherheits- und migrationspolitischen Forderungen von Merz sagte Baerbock, es sei nach den furchtbaren Morden der vergangenen Monate in der Tag notwendig, Antworten zu finden für „eine verantwortungsvolle Sicherheitspolitik“. Allerdings sei es die Union, die Sicherheitsgesetze im Bundestag blockiere.
Außenpolitisch bekräftigte Baerbock die Unterstützung für die Ukraine: „Wir stehen ohne Wenn und Aber auf der Seite der Menschen in der Ukraine und damit auf der Seite des Friedens in Europa“, hob sie hervor.
Im Programm: Bundesweites Böllerverbot, kein Tempolimit
Die Grünen fordern in ihrem Wahlprogramm unter anderem „ein ganzjähriges und bundesweites Feuerwerksverkaufsverbot“. Ein entsprechender Änderungsantrag zum Programmentwurf der Parteispitze wurde am Sonntag auf dem Bundesparteitag in Berlin mit klarer Mehrheit beschlossen.
Dieser Änderungsantrag war der erste, der auf dem Parteitag eine Mehrheit fand.
Abgelehnt wurden zuvor unter anderem Anträge, die Forderung nach einem Tempolimit auf Autobahnen von 130 auf 120 Stundenkilometer zu verschärfen oder das steuerliche Dienstwagenprivileg abzuschaffen. Dieses soll nach dem Willen der Grünen aber im Sinne des Klimaschutzes reformiert werden.
Suchmaschine für Auslandsdeutsche
Zudem brachte die Partei eine neue Suchmaschine ins Netz, auf der sich Deutsche im Ausland über die Stimmabgabe bei der Bundestagswahl per Briefwahl informieren können.
„Bundestagswahlen betreffen alle deutschen Staatsbürger, auch wenn sie im Ausland leben. Daher wollen wir das Wählen aus dem Ausland einfacher machen“, sagte Grünen-Parteivize Sven Giegold der „Rheinischen Post“.
Diese Bundestagswahlen würden auch über ein weltoffenes Deutschland entscheiden. „Gerade Deutsche im Ausland können jetzt mitentscheiden, ob Deutschland sich auch künftig an internationales Recht hält und internationale Institutionen stärkt“, so Giegold.
Auf der Webseite sind Links zu allen rund 11.000 Gemeinden in Deutschland hinterlegt und jeweils eine Anleitung, wie man den Wahlschein für die Briefwahl beantragen kann – sowohl für Wähler, die in Deutschland gemeldet sind, als auch für jene, die nicht mehr in Deutschland gemeldet sind. Daneben gibt es eine Anleitung, wie man die ausgefüllten Wahlunterlagen schnell zurückschicken kann, damit die abgegebene Stimme spätestens bis zum Wahlsonntag, dem 23. Februar, um 18 Uhr bei der zuständigen Stelle vorliegt.
Die Bundesgrünen haben diese Suchmaschine gemeinsam mit dem Grünen-Ortsverband in der US-Hauptstadt Washington D.C. ausgerollt. Erstellt wurde die Webseite nach Parteiangaben von Ehrenamtlichen, die alle Informationen und Links zu den Gemeinden händisch zusammengetragen haben. (dpa/afp/dts/red)
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