Grüne wollen im Bundesrat den Klimaplan verschärfen

Die Grünen halten die Klimabeschlüsse von Koalition und Klimakabinett für völlig unzureichend. Sie setzen auf Änderungen im Prozess der Gesetzgebung. Doch auch von anderer Seite gibt es Kritik.
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Annalena Baerbock.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Epoch Times22. September 2019

Die Grünen halten die Klimaschutzpläne der großen Koalition für unzureichend und wollen deshalb auch auf ihre wachsende Macht im Bundesrat setzen. Die Bundesregierung habe mit ihren Vorschlägen die junge Generation „tief enttäuscht“, sagte Parteichefin Annalena Baerbock der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Sie sei sich mit ihren Parteifreunden in den Regierungen der Länder deshalb einig, dass jeder zustimmungspflichtige Gesetzentwurf, der aus dem Klimapaket der Regierung entstehen werde, im Bundesrat „genau überprüft“ werden müsse.

Bundestagsfraktionschefin Katrin Göring-Eckardt kündigte im Berliner „Tagesspiegel“ an, in der Länderkammer würden die Grünen sich „sinnvollen Maßnahmen“ wie dem Ausbau der Ladeinfrastruktur nicht versperren.

Grünen-Chefin Baerbock forderte einen verstärkten Ausbau der Öko-Energie. Die Deckelung für den Ausbau von Windrädern an Land (Onshore) müsse verschwinden. „Da gibt es bereits Anträge im Bundesrat, die wir weiter voranbringen werden.“ Es gebe auch Anträge für einen CO2-Preis, der wirke, sagte sie. Das schwarz-grün-gelbe Schleswig-Holstein hatte einen eingebracht.

Ähnlich äußerte sich gegenüber der Zeitung auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Jetzt komme es darauf an, dass „jede Chance genutzt wird, mehr für den Klimaschutz herauszuholen.“ Die Grünen regieren derzeit in neun Landesregierungen mit und könnten zustimmungspflichtige Gesetze in der Länderkammer daher blockieren. Zudem ist eine Beteiligung an den künftigen Landesregierungen in Brandenburg und Sachsen möglich.

Der stellvertretende hessische Ministerpräsident Tarek Al-Wazir (Grüne) zeigte sich im Gespräch mit der „FAS“ über das Klimapaket „sehr enttäuscht“, ließ aber offen, ob die Grünen auf dieser Grundlage einem Klimaschutzgesetz im Bundesrat zustimmen würden. Um das zu entscheiden, müsse er erst einmal einen Gesetzentwurf sehen.

Der Hamburger Umweltsenator Jens Kerstan sagte, er könne sich „nicht vorstellen, dass das Paket der Bundesregierung in dieser Form die Zustimmung Hamburgs im Bundesrat bekommt“. Ähnlich entschieden äußerte sich auch der klimapolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im sächsischen Landtag, Gerd Lippold. Er stellte fest, eine sächsische Landesregierung mit grüner Beteiligung könne „diesem Paket im Bundesrat nicht zustimmen“.

CO2-Preis sei zu gering

Für Kritik sorgt vor allem das Konzept der Bundesregierung zur CO2-Bepreisung in den Sektoren Verkehr und Wärme. Hier hatten führende deutsche Wissenschaftler Einstiegsquoten von 35 bis 50 Euro je Tonne und danach ein schnelles Wachstum gefordert. Die Bundesregierung plant allerdings nur einen Einstiegspreis von zehn Euro und einen relativ langsamen Anstieg bis auf 35 Euro im Jahr 2025.

Die Grünen-Landesvorsitzende in Sachsen-Anhalt, Susan Sziborra-Seidlitz, sagte der „FAS“ in Bezug auf das grüne Abstimmungsverhalten im Bundesrat: „Dieser Preis kann so nicht bleiben“.

Der Einfluss der Grünen im Bundesrat ist mit der Zahl der Landesregierungen gewachsen, an denen sie beteiligt sind. Bisher sind es neun, je nach Ausgang der Koalitionsbemühungen in Brandenburg und Sachsen könnten es elf werden. Die Berliner Koalitionspartner Union und SPD haben über ihre Regierungen in der Länderkammer nur noch 12 von 69 Stimmen. Die Mehrheit liegt bei 35.

CDU: Sehr rabiate Maßnahmen, Überforderung droht

In der CDU werden die Klima-Vereinbarungen von Union und SPD unterschiedlich bewertet. „Das sind sehr rabiate Maßnahmen, die einen breiten gesellschaftlichen Diskurs erfordert hätten“, sagte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer der „Bild am Sonntag“. „Ein großer Teil der Menschen ist mit den Entscheidungen überfordert.“ Konkret nannte er die höhere Besteuerung von Benzin, Diesel und Heizöl sowie die Erhöhung der Preise für Inlandsflüge. „So lange man mit dem Zug über sechs Stunden von Dresden nach Düsseldorf braucht, bringt eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Bahntickets nichts.“

Anders der Wirtschaftspolitiker Friedrich Merz. „Die Bundesregierung hat unter den gegebenen Umständen trotz aller Kritik ein ordentliches Paket vorgelegt“, befand er in der „Welt am Sonntag“. „Ob die Summe der vielen Einzelentscheidungen ausreicht, um den Klimazielen näherzukommen, bleibt abzuwarten. Wichtig ist, dass eine CO2-Bepreisung das entscheidende Steuerungsinstrument ist, um langfristig und nachhaltig die Emissionen zu verringern.“

Die Junge Union warnte davor, die Bewohner abseits städtischer Zentren zu überfordern. „Wir werden bei der Umsetzung des Pakets darauf achten, dass die Menschen im ländlichen Raum mitgenommen werden“, sagte der Vorsitzende der CDU/CSU-Nachwuchsorganisation, Tilman Kuban, dpa. Es gelte, in Forschung und Innovationen zu investieren und den „Klimaschutz zum ökologischen Geschäftsmodell zu machen“.

Bahnfahrten billiger, Flüge teurer

Die große Koalition hatte sich am Freitag auf ein milliardenschweres Paket geeinigt. Damit soll Deutschland seine verbindlichen Klimaziele für 2030 verlässlich erreichen. Als zentrales Element bekommt klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) auch im Verkehr und bei der Wärmeerzeugung einen Preis. Förderungen klimaschonender Anschaffungen neuer Autos oder Heizungen sollen anfangs besonders attraktiv sein und später abschmelzen, der Einbau neuer Ölheizungen soll ab 2026 verboten sein. Bahnfahrten sollen billiger werden, Flüge teurer. Um soziale Überforderungen zu vermeiden, wird die Pendlerpauschale angehoben.

Nach einer Umfrage halten die Deutschen die meisten Maßnahmen aus dem Klimapaket für richtig. Das gilt für das Verbot des Einbaus von Ölheizungen ab 2026 (54 zu 34 Prozent), die Erhöhung der Pendlerpauschale (88 zu 24) und eine höhere Steuer im Luftverkehr (68 zu 25), wie die Emnid-Erhebung für die „Bild am Sonntag“ ergab. Negativ gesehen wird nur die Verteuerung von Benzin und Diesel (richtig: 38, falsch: 54). Insgesamt glauben nur 34 Prozent, dass die Maßnahmen gegen den Klimawandel helfen – 62 Prozent verneinen das. (dpa)



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