Grüne wählen Parteispitze – Jugend will „links überholen“

Die Nachfolge von Baerbock und Habeck an der Parteispitze wird neu bestimmt. Auf einem Parteitag lassen viele Grüne ihrem Frust über die EU-Klassifizierung von Atomenergie als nachhaltig freien Lauf.
Titelbild
Grünen-Parteitag.Foto: JOHN MACDOUGALL/AFP via Getty Images
Epoch Times29. Januar 2022

Mit Neuwahlen ihrer Führungsriege wollen die Grünen den Wechsel in die Bundesregierung vollenden. Beim digitalen Parteitag heute unter dem Motto „Wurzeln für die Zukunft“ wollen die Delegierten am Nachmittag unter anderem ein neues Spitzenduo wählen.

Als wahrscheinliche Nachfolger von Annalena Baerbock und Robert Habeck gelten die Parteilinke Ricarda Lang und der Realo Omid Nouripour. Lang schaltet sich wegen eines positiven Corona-Tests digital zu.

Zur Abstimmung steht auch eine viel diskutierte Satzungsänderung. Der Bundesvorstand möchte die Mindestanzahl von Parteimitgliedern, die für die Stellung von Anträgen für Parteitage nötig sind, hochsetzen. Hintergrund sind Erfahrungen etwa beim Parteitag im Juni, vor dem die Parteiführung ausgiebig damit beschäftigt war, Kompromisslösungen für zunächst mehr als 3300 Änderungsanträge zu finden.

Am Veranstaltungsort im Berliner Velodrom ist nur eine überschaubare Zahl von Spitzengrünen präsent. Die mehreren Hundert Delegierten stimmen online ab. Die Wahlen für Vorstand, Parteirat und andere Gremien müssen in der Folge noch per Brief bestätigt werden.

Güne Jungend

Der scheidende Parteichef Habeck stimmte seine Partei am Freitag erst einmal auf Kompromisse als Teil der Bundesregierung ein. „Kompromisse sind die Kunst von Politik“, sagte Habeck, der in der Ampel-Koalition mit SPD und FDP Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister ist. Sie bedeuteten aber nicht den Abschied von Idealen. „Wir können jetzt tatsächlich Wirklichkeit gestalten.“

Der Bundessprecher der Grünen Jugend, Timon Dzienus, sagte: „Wir sind jetzt vielleicht vier Jahre in einem Ampel-Bündnis, aber viel wichtiger ist das Bündnis mit der Zivilgesellschaft.“ Dafür bräuchten die Grünen eine mutige Parteiführung, die auch einmal den Konflikt mit den Koalitionspartnern suche. Die Grüne Jugend werde das „Scharnier zwischen Regierung und Zivilgesellschaft“ sein.

Den Delegierten rief Dzienus zu: „Lasst uns den Protest von Fridays for Future, der Seebrücke und den Gewerkschaften nicht nur laut auf die Straße bringen, lasst uns ihn in den nächsten Jahren ganz konkret in Regierungshandeln bringen.“ Das könne die Basis dafür schaffen, „dass wir in vier Jahren nicht wieder vor einer Ampel stehen, sondern dass wir in vier Jahren links überholen, und zwar mit Schmackes“.

Baerbock, die in der neuen Regierung Außenministerin ist und ihr Amt als Parteichefin abgibt, sagte, auch wenn feministische Außenpolitik, Klimaaußenpolitik und die Zusammenarbeit in den internationalen Organisationen für die Grünen sehr wichtig seien, müsse die neue Regierung zunächst auf aktuelle Herausforderungen reagieren. „Wir stehen an der Seite der Ukraine bei Sicherheit, Verteidigung, aber vor allem bei der Frage, die wirtschaftliche Stabilität aufrechtzuhalten“, betonte sie.

Plan für die Zunkunft

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann sagte, die Grünen müssten in Zukunft unbedingt neue Wählerschichten erschließen. Er nutzte seinen Video-Auftritt für eine Abrechnung mit dem Bundestagswahlkampf. „Im Wahlkampf haben wir uns zu klein gemacht“, stellte er fest. Wirtschaftsfragen und Arbeitsplätze hätten nicht genug im Mittelpunkt gestanden, die Grünen seien als „Ergänzungspartei“ wahrgenommen worden.

Keinen Erfolg hatte ein Antrag, die Anschaffung bewaffneter Drohnen in der aktuellen Legislaturperiode auszuschließen. SPD, Grüne und FDP hatten im November in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, eine Bewaffnung von Drohnen zu ermöglichen. Der Antrag wurde mit 335 Nein-Stimmen abgelehnt. 245 Delegierte sprachen sich für den Vorschlag aus, 48 Delegierte enthielten sich. Die Befürworter führten unter anderem an, dass spätere Regierungen die Einsatzregeln für die Verwendung solcher unbemannten Fluggeräte ändern könnten. Auch ein Antrag, der eine Arbeitsgruppe mit der Aufarbeitung des Bundestagswahlkampfs beauftragen wollte, fand keine Mehrheit.

Ein Vorstoß, die zwischen den Ampel-Parteien vereinbarte Beschaffung eines Nachfolgesystems für das Kampfflugzeug Tornado zu verzögern, wurde mit großer Mehrheit abgelehnt. Das Nachfolgemodell für die überalterte Tornado-Flotte der Bundeswehr soll zur Nuklearen Teilhabe eingesetzt werden. Das Nato-Abschreckungskonzept sieht vor, dass Verbündete US-Atombomben ins Ziel tragen und dafür im Ernstfall Zugriff auf die Waffen bekommen.

Große Mehrheit fand kurz vor Mitternacht ein Antrag, der sich gegen die EU-Einstufung von Atomenergie als nachhaltig richtete. Mit Einordnung verschiedener Energieformen als grün in der sogenannten Taxonomie sollen Investoren eine Klassifizierung an die Hand bekommen. (dpa/red)



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