Grüne und FDP wollen Russland- und China-Politik ändern
Noch ist nicht absehbar, wer tatsächlich an der künftigen Bundesregierung beteiligt sein wird. Dass FDP und Grüne mit von der Partei sein werden, ist jedoch wahrscheinlich. Immerhin steht ihnen neben einer Ampel-Option mit SPD-Kandidat Olaf Scholz auch eine Alternative in Form von „Jamaika“ zur Verfügung – auch wenn der Kanzler dann nicht Armin Laschet heißen dürfte.
Die absehbare neue Konstellation weckt bereits jetzt Spekulationen über die künftige Außenpolitik. Und hier haben insbesondere Grüne und Liberale mehrfach eine Wende gegenüber geopolitischen Rivalen des Westens wie Russland oder China angemahnt.
Grüne werfen Merkel „Duckmäusigkeit“ vor
In kaum einem Bereich ist die kritische Aufarbeitung der Merkel-Ära in Politik und Medien so weit vorangeschritten wie dort. In keinem Bereich ist die Kritik an der scheidenden Kanzlerin so vehement wie hier. Dass Merkel in Sachen „Nordstream 2“ und gegenüber Russland auf Minimalkonsens statt Konfrontation gesetzt hat, trug ihr bereits in den eigenen Reihen vielfach Kritik ein.
Aber auch die China-Politik der Kanzlerin kommt mittlerweile nicht gut weg. Mikko Houtari vom Think-Tank „Merics“ (Mercator Institute for China Studies) wirft Merkel im „Welt“-Interview vor, sie habe es „versäumt, Chinapolitik frühzeitig europäisch aufzustellen“. Gegenüber dem Regime habe ihre Maxime gelautet: „Wir können euch nicht ändern – und unter diesen Bedingungen bemühen wir uns um gute Beziehungen zu euch.“
Merkel habe weder die unfairen Handelspraktiken noch die Menschenrechtsverletzungen und die außenpolitischen Aggressionen des KP-Regimes zwischen beide Länder kommen lassen. Die neue Bundesregierung soll das nun ändern – dies kündigt zumindest Omid Nouripour von den Grünen an. „Mit Sicherheit wird sich die China-Politik verändern“, erklärt der außenpolitische Sprecher der Partei gegenüber der „Welt“. „Mit der bisherigen Duckmäusigkeit sind wir nicht weit gekommen.“
Röttgen statt Laschet könnte zu 180-Grad-Wende in der Union führen
Auch Armin Laschet und Olaf Scholz gelten in der Außenpolitik als zu stark einem realistischen Ansatz verbunden und zu wenig werteorientiert. Der „Tagesspiegel“ wirft dem SPD-Kanzlerkandidaten vor, „noch weniger konfliktwillig“ in der Außenpolitik zu sein als Merkel – und sein Stallgeruch als ehemaliger Generalsekretär unter Gerhard Schröder deutet ebenfalls auf eine Neigung zu ausschließlicher Realpolitik hin. Dem Fraktionschef Rolf Mützenich werden sogar „Neutralitätsillusionen“ zugeschrieben, wie auch vielen anderen in der SPD.
Sollte der Nachfolger von Armin Laschet an der CDU-Spitze Norbert Röttgen heißen, wäre in diesem Bereich mit einer deutlichen Trendwende zu rechnen. In einem solchen Fall könnte auch den Grünen eine Jamaika-Option als attraktiver erscheinen. Dass die EU und Deutschland in einer konfrontativer werdenden Welt „ihre Werte und Interessen robuster vertreten“ sollten, würde spätestens dann die Ökosozialisten stärker mit der Union verbinden als mit den Sozialdemokraten.
Zwar ist Außenpolitik kein wahlentscheidendes Thema gewesen, am Ende des Tages ist aber auch die Innenpolitik nicht immer trennscharf davon abzusondern. Und für FDP und Grüne ist sie bereits in der Vergangenheit häufig ein willkommenes Profilierungsfeld gewesen – sodass ihre Bereitschaft ausgeprägt sein dürfte, auf diesem Gebiet Zeichen zu setzen.
Symbolpolitik als wahrscheinlichere Variante
Vieles deutet indessen darauf hin, dass die EU im Allgemeinen und Deutschland im Besonderen derzeit nicht wirklich die idealen Voraussetzungen vorfinden, um auf globaler Ebene die Muskeln spielen zu lassen.
Hatten Grüne und sogar Teile der CDU in der Vergangenheit noch weitreichende Gemeinsamkeiten in der deklarierten Ablehnung der „Nord Stream 2“ gefunden und Annalena Baerbock sich im Wahlkampf sogar noch deren Verhinderung auf die Fahnen geschrieben, kann es mit den Gaslieferungen aus Russland mittlerweile nicht mehr schnell genug gehen. Immerhin droht Europa bei leeren Gastanks und einer beispiellosen Preisexplosion ein Winter, in dem in manchen EU-Ländern sogar Kältetote drohen.
Auch in der China-Politik ist davon auszugehen, dass es maximal bei Symbolpolitik bleibt. Allenfalls ist damit zu rechnen, dass eine neue deutsche Bundesregierung die Ratifizierung des geplanten Investitionsabkommens CAI auf die lange Bank schiebt. Alexander Graf Lambsdorff, der stellvertretende Vorsitzende und außenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, hat dies immerhin gegenüber der „Welt“ für wahrscheinlich gehalten, da das Regime in Peking mehrere Abgeordnete des EU-Parlaments mit einer Einreisesperre belegt hat.
Mit größeren Gesten ist allerdings selbst in Anbetracht der aggressiven Taiwan-Politik des Regimes nicht zu rechnen. Zu stark ist die Abhängigkeit weiter Teile der deutschen Wirtschaft vom bilateralen Handel mit China geworden – und es ist nach dem Ausscheiden Donald Trumps aus dem Weißen Haus auch aus Washington nicht mehr mit ernsthaften Bemühungen zu rechnen, Europa dazu zu drängen, gegenüber Peking Entschlossenheit zu zeigen.
China könnte Klimapolitik als Druckmittel gegen FDP und Grüne heranziehen
Zudem dürfte die Bereitschaft der Grünen, gegenüber Peking ernsthaft Zähne zu zeigen, rasch an Grenzen stoßen. Dies ist insbesondere dem Umstand geschuldet, dass eine mögliche Blockadehaltung Chinas mit Blick auf künftige multilaterale Klimavereinbarungen für die Ökosozialisten einem Super-GAU gleichkommen könnte.
Bereits jetzt emittiert China mehr an Treibhausgasen als alle größeren Industriestaaten zusammen – und selbst wenn Deutschland oder die gesamte EU bereits morgen das Ziel der Nullemissionen erreichten, könnte Peking auch nur durch geringe Abstriche von bislang gemachten Zusagen die weltweite Gesamtbilanz binnen kürzester Zeit dauerhaft zunichtemachen.
Es liegt auf der Hand, dass das Regime um die europäischen und dabei insbesondere die deutschen Befindlichkeiten weiß und entschlossen ist, notfalls auch die Angst vor der „Klimakatastrophe“ als Druckmittel gegen den Westen einzusetzen. Anders als in Deutschland hat die Führung in China nicht mit medialer Kritik oder hunderttausenden protestierenden „Fridays for Future“-Kindern zu rechnen, die eine Kehrtwende in der Klimapolitik konfrontieren könnten.
FDP und Grüne, auch eine möglicherweise vom außenpolitischen Werte-Hardliner Norbert Röttgen geführte CDU, mögen zwar einen ernsthafteren Willen zur Selbstbehauptung gegenüber Peking aufbringen als dies bei Angela Merkel der Fall war. An den Realitäten, die sie durch eine energiepolitische Selbstentleibung mit errichtet haben, kämen aber auch sie nicht vorbei.
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