Grüne klagen über Aggressivität: Blockade gegen Göring-Eckardt – Übergriffe auf Wahlhelfer
Wie erst Tage später bekannt wurde, ist es am Samstag, 27.4., am Rande eines sogenannten Zukunftsdialogs der Grünen im brandenburgischen Lunow-Stolzenhagen (Lkr. Barnim) zu einem Eklat gekommen. So sollen zwei Männer im Alter von 19 und 26 Jahren die Abreise von Bundestagspräsidentin Katrin Göring-Eckardt behindert haben. Sie hatten sich im Stile der „Letzten Generation“ vor und hinter dem Fahrzeug auf die Straße gesetzt.
Göring-Eckardt beklagt „aggressive Stimmung“ unter Gegendemonstranten
Vor dem Vorfall hatte die Politikerin vor etwa 100 Teilnehmern im Saal über der Dorfkita an der öffentlichen Parteiveranstaltung teilgenommen. Diese verlief friedlich. Allerdings hatten sich vor dem Gebäude etwa 50 zum Teil aufgebrachte Gegendemonstranten versammelt.
Auf dem Weg zurück zum Fahrzeug sei die Grünen-Politikerin „bedrängt“ worden, hieß es aus ihrem Büro gegenüber „Bild“. Anschließend sollen mehrere Personen „in aggressiver Stimmung“ auf das Dienstfahrzeug eingeschlagen haben. Zwei Berichten zufolge angeheiterte Personen, darunter ein polizeibekannter 26-Jähriger, sollen sich währenddessen vor und hinter den Wagen gesetzt haben.
„Verstärkung kam erst wieder, als wir eingekesselt wurden und eine Dreiviertelstunde lang nicht wegkonnten“, so die Grünen-Politikerin am Donnerstag gegenüber dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Etwa nach 40 Minuten seien Polizeibeamte gekommen, um die Situation zu klären.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen Nötigung. Einer der Blockierer hat ebenfalls Anzeige erstattet. Er behauptet, durch den Wagen touchiert worden zu sein. Eine erste Erhebung vor Ort ergab jedoch keinen Verdacht auf Verletzungen, eine Behandlung durch Rettungskräfte lehnte der Demonstrant ab.
Bauernproteste hatten bereits mehrfach für Blockaden gesorgt
Gegenüber dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND) übte die Grünen-Politikerin Kritik am späten Eintreffen der Beamten. Die Landespolizeien sollten sich, so Göring-Eckardt, „dringend Gedanken darüber machen, wie sie politische Veranstaltungen auf dem Land absichern“.
Diesbezüglich seien „einheitliche Kriterien“ erforderlich darüber, „welche Standards sie dabei eigentlich anwenden“. Immerhin handele es sich bei dem Vorfall um keine Ausnahme. Damit spielte die Politikerin offenbar auf einige Vorfälle im Zusammenhang mit den Bauernprotesten an. Im Februar hatten mit Traktoren angereiste Landwirte in Magdeburg für die Dauer von 45 Minuten die Abfahrt von Grünen-Parteisprecherin Ricarda Lang von einer parteiinternen Veranstaltung verhindert.
Ebenfalls im Februar verhinderten aufgebrachte Bauern mit einer Blockade die Durchführung des geplanten Politischen Aschermittwochs der Grünen im baden-württembergischen Biberach. In Hirschaid sorgten Bauernproteste für ein vorzeitiges Ende einer Versammlung des Kreisverbandes der Partei. In Bernburg an der Saale verschoben die Grünen angesichts sich abzeichnender Proteste die feierliche Wiedereröffnung ihres Parteibüros.
Gewalt und Vandalismus gegen Grüne häufen sich
Sowohl in urbanen als auch in ländlichen Regionen beklagt die Partei zunehmend auch Übergriffe auf Parteibüros. In Berlin-Moabit wurde im November des Vorjahres der Eingangsbereich eines Büros mit Fäkalien beschmiert. In Landau kam es erst jüngst zu einem Vandalenakt am Grünen-Büro. Dort deutet vieles auf einen rechtsextremistischen Hintergrund hin.
Aber auch tätliche Angriffe auf Vertreter der Partei sind häufiger geworden. Am vergangenen Wochenende gab es zum Teil gewalttätige Übergriffe auf grüne Wahlkampfhelfer in Chemnitz, Zwickau und Mittelsachsen. Die Vorbehalte gegen die Grünen sind vor allem in Ostdeutschland stark, allerdings verschärft sich die Stimmung auch im Westen. In Amtzell, Baden-Württemberg, wurde Anfang März ein Kandidat niedergeschlagen.
Einer Erhebung des Bundeskriminalamts (BKA) zufolge hatten bereits im Frühjahr 2023 etwa 38 Prozent der Kommunalpolitiker über Anfeindungen geklagt. Mittlerweile ist die Rede von 60 Prozent. In den meisten Fällen waren es verbale Übergriffe, häufig hasserfüllte Beiträge auf Facebook, zwei Prozent seien jedoch auch tätlich angegriffen worden.
Hasskriminalität und politisch motivierte Delikte nehmen zu
Generell hatte sich die politisch motivierte Kriminalität seit der Wiedervereinigung auf einem hohen Niveau gehalten. Häufig richtete sich diese von links- und rechtsextremistischer Seite gegen den jeweiligen politischen Gegner. In den 1990er-Jahren war es auch schon zu zahlreichen rassistisch motivierten Straftaten gekommen.
Diese ebbten mit Fortdauer der Zeit wieder ab. Seit der Jahrtausendwende spielt jedoch generell die sogenannte Hasskriminalität eine stetig größere Rolle. Einige Themenbereiche wie ausländische Ideologien, Islamfeindlichkeit, Antiziganismus oder geschlechtliche Identität werden erst seit wenigen Jahren erfasst.
Im Vorjahr richteten sich die meisten politisch motivierten Angriffe gegen Parteien und ihre Vertreter gegen die Grünen und die AfD. Bezüglich der Grünen richteten sich 1.219 Angriffe gegen Parteirepräsentanten, 224 gegen Einrichtungen und 521 gegen Wahlplakate. Gegen Repräsentanten der AfD richteten sich 478 Straftaten, 115 gegen Einrichtungen und 546 gegen Wahlplakate. Von den Parteien der politischen Mitte wurden SPD und FDP am häufigsten zum Ziel von Übergriffen.
AfD für aggressive Stimmung verantwortlich?
Die Grünen machen dabei häufig die AfD und deren Auftreten und Rhetorik für eine aggressive Stimmung gegen ihre politischen Vertreter verantwortlich. Viele würden deshalb eine Kandidatur für die Grünen auf kommunaler Ebene scheuen.
Allerdings gibt es auch Stimmen, die in der Politik der Partei und deren Auswirkungen auf das alltägliche Leben der Bürger selbst einen Grund für die zunehmende Aggressivität sehen. Die Grünen agierten demnach ideologisch dogmatisch und hätten kein Gespür für die Auswirkungen ihrer Politik auf die Menschen und reagierten belehrend.
Der frühere Grünen-Politiker Tim Scherer aus Zweibrücken, Rheinland-Pfalz, der aus der Partei ausgetreten ist, sprach jüngst im „Focus“ über seine Gründe für den Entschluss. So vermisst er jenseits der kommunalen Ebene in seiner früheren Partei „Toleranz gegenüber Meinungen, die von der grünen Programmatik abweichen“.
Grünen-Aussteiger: Partei „tut sich unglaublich schwer, Begrenzungen zu akzeptieren“
Progressive Politik, so Scherer, sei in Deutschland möglich. Allerdings müsse dies auch „in einer Form des Respekts gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern geschehen“. Es müsse „eine vitale Rückkopplung zwischen der Politik und der Stimmung im Land bestehen“. Die grüne Politik tue sich „in diesem Kontext unglaublich schwer damit, Begrenzungen zu akzeptieren“.
Die meisten Menschen in Deutschland, so Scherer, hätten „kein Lebensverständnis, das einer extrem globalisierten Logik entspricht, wie sie die Grünen vertreten“. So fürchteten sich viele Menschen in Deutschland vor einem Dritten Weltkrieg und forderten deshalb weniger gefährliche Wege zur Beendigung des Ukrainekrieges als immer mehr Waffenlieferungen. Für die Grünen würden ihre „westlichen Werte“ jedoch absolut gelten und müssten „überall – notfalls auch militärisch – durchgesetzt werden“.
Außerdem seien die Menschen „am Ende des Tages auf bezahlbare Energie angewiesen“. Wer in monetär angespannten Verhältnissen lebe, den tangiere grüne Politik „eben nicht auf einer Werteebene, sondern vor allem finanziell“.
Wenngleich der Klimawandel auch zu Wohlstandsverlusten führen werde, erzeuge die aktuelle Politik „Belastungen, die als Erstes am unteren Ende der Einkommensskala zu Buche schlagen“. Politik vor allem an einer moralischen Kompassnadel auszurichten, setze voraus, „dass den Akteuren der ökonomische Schaden, der dabei entsteht, entweder nicht bewusst ist – oder egal“.
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