Griechenland-Krise überschattet schon wieder Gipfel

Brüssel/Athen (dpa) - Schon wieder ein Gipfel, schon wieder ist Griechenland das Hauptthema - wenn auch nicht auf der Tagesordnung. In Europa ist derzeit kein Spitzentreffen denkbar, bei dem die Geldgeber nicht versuchen würden, den gefährlichen…
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Kanzlerin Merkel, Griechenlands Ministerpräsident Tsipras (l) und der französische Präsident Hollande (r) bei einem Treffen am Rande des EU-Gipfels in Riga Ende Mai.Foto: Bundesregierung/Bergmann/dpa
Epoch Times9. Juni 2015
Schon wieder ein Gipfel, schon wieder ist Griechenland das Hauptthema – wenn auch nicht auf der Tagesordnung. In Europa ist derzeit kein Spitzentreffen denkbar, bei dem die Geldgeber nicht versuchen würden, den gefährlichen Schuldenstreit mit Griechenland zu lösen.

Die Erwartungen richten sich diesmal auf den EU-Lateinamerika-Gipfel, der am Mittwoch in Brüssel geplant ist. Eigentlich soll es um die Wirtschaftsbeziehungen und den Handel mit Lateinamerika sowie den Klimaschutz gehen. Doch alles wird überschattet von der Krise in Griechenland. Ob diesmal ein Durchbruch in den festgefahrenen Gesprächen gelingt, ist völlig offen.

Immerhin hat sich die griechische Seite bewegt – auch wenn der neue Text später als erwartet kommt. „Wir haben neue Vorschläge erhalten und werden sie sorgfältig und genau prüfen“, sagte ein Sprecher der EU-Kommission. Griechenlands Premier Alexis Tsipras, der zuletzt sogar den stets vermittelnden EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker mit seiner Hinhaltetaktik verärgert hatte, macht damit einen Schritt auf die Geldgeber zu. Die Vorschläge sind die Basis für neue Gespräche zwischen Juncker, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande mit Tsipras.

Doch die Geldgeber bleiben mit Blick auf die Athener Vorschläge skeptisch. Die Zielwerte für den Primärüberschuss Athens (Budgetüberschuss ohne Zinszahlungen) entsprächen nicht den Zahlen, die Juncker in der vergangenen Woche mit Tsipras ausgemacht habe, hieß es in Brüssel. „Das reicht alles nicht“, kritisierte ein EU-Diplomat. Denn Tsipras lehnt weiter die von den Gläubigern geforderten Rentenkürzungen ab und will größtenteils auch nicht die verlangten Änderungen bei der Mehrwertsteuer umsetzen.

Wie aus EU-Kreisen durchsickerte, hat Griechenland auch Ideen vorgebracht, wie es seine Schulden auf ein tragfähiges Niveau bringen will. Nach Medienberichten hatten die internationalen Gläubiger Tsipras zuletzt vorgeschlagen, das laufende Rettungsprogramm bis März 2016 zu verlängern. Athen könnte Zugriff auf Reserven von etwa 10,9 Milliarden erhalten, die im laufenden Hilfsprogramm zurückgestellt wurden, um Banken zu rekapitalisieren, wurde spekuliert.

Die neue Dynamik in den Verhandlungen dürfte unter anderem auch auf den Druck aus den USA zurückzuführen sein. US-Präsident Barack Obama hatte am Wochenende beim G7-Treffen in Elmau klar gemacht, dass Amerika großes Interesse an einer stabilen Eurozone habe.

Bundeskanzlerin Merkel hatte in Elmau betont: „Jeder Tag zählt jetzt. Es ist nicht mehr viel Zeit, das ist das Problem.“ Denn Ende des Monats läuft das Hilfsprogramm für Griechenland aus. Athen braucht die ausstehende Rate von 7,2 Milliarden Euro, um Gehälter und Renten sowie Schulden bezahlen zu können.

Premier Tsipras ist in der Zwickmühle. Einerseits weiß er, dass die Gläubiger seine Vorschläge so nicht durchwinken werden. Andererseits weiß er aber auch, dass der Gegenwind im Inland gewaltig sein wird, wenn die Gläubiger sein Sparprogramm genehmigen. Vor allem der Linksflügel seiner Partei läuft Sturm gegen weitere Sparmaßnahmen. Sie liebäugeln mit einem Bruch und einem Austritt aus der Eurozone. Der linke Flügel träumt von Möglichkeiten einer Finanzierung aus anderen Quellen wie von Russland oder China.

Tsipras muss sich laut Diplomaten „hier und jetzt“ entscheiden, ob er als Ministerpräsident Griechenlands agiert oder als Parteichef. Als Regierungschef bliebe ihm keine andere Wahl, als nachzugeben und die Sparauflagen zu akzeptieren, um im Euro zu bleiben. Als Parteichef der Linken könnte er sich dagegen für den Bruch mit den Geldgebern entscheiden – also die Staatspleite in Kauf nehmen. „Die Stunde Null“ habe für Griechenland geschlagen, titelte am Dienstag das Athener Boulevardblatt „Ethnos“. Andere Zeitungen warnten, die Griechen würden zunehmend ihre Freunde in Europa verlieren. Das Land und seine Regierung zeigten, dass sie nicht wüssten, was sie wollten, schrieb die konservative Zeitung „Kathimerini“. 

Tsipras schwierigster Moment dürfte kommen, wenn er das neue Sparprogramm vom Parlament billigen lassen muss. Dafür benötigt er laut Insidern ein Ass im Ärmel, etwa eine Regelung für die gesamten griechischen Schulden. Analysten gehen davon aus, dass Tsipras versuchen wird, die griechischen Schulden teilweise zu übertragen oder umzuschichten, um die Finanzierung des Landes bis Ende 2016 zu sichern. Nur dann könne Tsipras auf ein Ja des Parlaments hoffen.

(dpa)

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