Grenzkontrollen: Faesers Wunsch vs. Realität der Polizei

Nach ihrem Rückzug aus dem Migrationsgipfel erhebt die Union scharfe Vorwürfe gegen die Ampelkoalition. Sie wirft der Regierung Handlungsunfähigkeit und Uneinigkeit vor, während die Minister Faeser und Buschmann auf rechtliche Grenzen von Grenzkontrollen verweisen.
Titelbild
Bundesinnenministerin Faeser verteidigt die Einführung flächendeckender Grenzkontrollen, die ab dem 16. September von der Polizei durchgeführt werden sollen. Symbolbild.Foto: AXEL HEIMKEN/AFP via Getty Images
Von 12. September 2024

Einen Tag nach ihrer Erklärung, aus den Gesprächen mit Bund und Ländern zur Eindämmung irregulärer Migration auszusteigen, hat die Union sich dazu zu Wort gemeldet. Verhandlungsführer Thorsten Frei machte vor Reportern die Ampel für das Scheitern weiterer Gespräche verantwortlich. Diese sei nicht einheitlich aufgetreten – und entsprechend selbst „nicht zu einem gemeinsamen Ergebnis gekommen“.

Faeser: „Habe detailliertes Programm für Grenzkontrollen und schnelle Zurückweisung vorgelegt“

Frei räumte jedoch ein, dass der Rückzug der Union auch mit der Nichtzustimmung zur Forderung nach automatischen Zurückweisungen an den Grenzen zu tun hat. Das von der Ampel vorgeschlagene Modell habe solche nicht vorgesehen – lediglich beschleunigte Verfahren im Land selbst. Dies werde jedoch „den Herausforderungen nicht gerecht“.

Auch Fraktionschef Friedrich Merz machte die „handlungsunfähige und führungslose“ Bundesregierung für das Scheitern der Gespräche verantwortlich. Diese sei „intern offensichtlich heillos zerstritten und kann sich nicht auf wirksame Maßnahmen einigen“. Die Ampel, so Merz auf X, „kapituliert vor der Herausforderung der irregulären Migration“.

Demgegenüber führt die Koalition ins Treffen, der Union ein detailliertes Konzept vorgelegt zu haben, das – anders als die von dieser geforderten Vorgehensweise – EU-rechtlich unbedenklich sei. Bundesjustizminister Marco Buschmann gab zu bedenken, man könne „von einer Bundesregierung nicht verlangen, dass sie sich in Widerspruch zum Recht begibt“. Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser erklärte, lediglich von „riskanten Ausnahmen vom geltenden europäischen Recht“ Abstand genommen zu haben.

Zuarbeit der Bundespolizei für BAMF soll schneller und effizienter werden

Die SPD-Politikerin beharrt darauf, ein Konzept vorgelegt zu haben, das eine grenznahe Unterbringung und schnelle Zurückweisung offenkundig nicht Asylberechtigter ermögliche. Ein wesentlicher Teil der Maßnahmen, die ihr Ministerium auch auf seiner Website anführt, habe die Ampel bereits vor zwei Wochen beschlossen.

Ein wesentlicher Schritt sei dabei, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) künftig auch biometrische Daten zur Identitätsfeststellung Schutzsuchender nutzen dürfe. Grundsätzlich solle bereits die Bundespolizei an der Grenze selbst ein Asylgesuch einer Vorprüfung unterziehen können.

Die Beamten sollen dabei mithilfe des EURODAC-Erfassungssystems biometrische Daten prüfen. Damit und mithilfe anderer Belege, Befragungen und Anhörungen soll eine etwaige Zuständigkeit eines anderen EU-Staates zur Durchführung eines Asylverfahrens geklärt werden. Das BAMF soll anschließend in die Lage versetzt werden, durch die zeitnahe Übermittlung der von der Bundespolizei erlangten Daten ein beschleunigtes Verfahren durchzuführen.

Bund und Länder sollen gemeinsame „Dublin-Task Force“ bilden

Stellt sich heraus, dass laut Dublin-Regeln ein anderer Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig sei, sollen Asylsuchende in Deutschland keine Sozialleistungen mehr erhalten. Diese Regelung solle greifen, sobald der zuständige Mitgliedstaat der Rückübernahme zugestimmt habe.

Für die zügige Überstellung bereits in einem anderen EU-Land registrierter Asylsuchender soll eine gemeinsame „Dublin-Task Force von Bund und Ländern“ Sorge tragen. Das BAMF solle diese umgehend anordnen, sobald eine Einigung mit dem zuständigen Mitgliedstaat zustande gekommen sei.

Personen ohne Einreiseberechtigung würden bereits jetzt von der Bundespolizei konsequent zurückgewiesen, sofern sie kein Asylgesuch stellen, betont Faeser. Auch solle bei Asylberechtigten, die ohne anerkannten Grund ins Herkunftsland reisen, eine Aberkennung des Schutzstatus erfolgen.

Faeser hofft auf zügige Arbeit der Gerichte

Die Zurückweisungen sicherstellen und beschleunigen wollen Bund und Länder, indem sie ausreichende Haftkapazitäten in Grenznähe gewährleisten. Auch solle die Bundespolizei bei Bedarf beim zuständigen Gericht Haft zur Sicherstellung eines Verfahrens beantragen, um ein Untertauchen mutmaßlich nicht Asylberechtigter sicherzustellen.

Kommt Haft nicht in Betracht, soll es feste Zuweisungen oder Wohnsitzauflagen geben. Die Bundespolizei solle noch während des laufenden Verfahrens den Zurückweisungstermin planen – und das BAMF zusammen mit dem Zielstaat der Rücküberstellung die Modalitäten. Der Aufenthalt in einer Einrichtung, der zur Regel werden soll, sichert nach Vorstellung des Ministeriums die Durchführung des Vorgangs. Dies soll Fehlschläge wie bei der geplanten Rückführung des späteren Solingen-Attentäters unterbinden.

Mitspielen muss in diesem Konzept die Justiz. Vonseiten des Bundesinnenministeriums setzt man Hoffnung auf ein „schnelles Handeln der Justiz der Länder“. Außerdem soll das zuständige Verwaltungsgericht im Fall von Klagen Betroffener „zügig entscheiden“. Erzwingen lässt sich dies jedoch nicht. Bereits jetzt beklagt die Justiz vielfach Überlastung. Dies wirkt sich auch auf die Verfahrensdauer in Asylangelegenheiten aus.

Gewerkschaft der Polizei: Grenzkontrollen lösen nur Teil des Problems

Kritisch zum Konzept der Ampel äußert sich unterdessen der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) für die Bundespolizei, Andreas Roßkopf. Er hatte bereits die Einführung der Grenzkontrollen im vergangenen Jahr mit Skepsis begleitet. Damals sah er die Gefahr, dass die Maßnahme eine große Anzahl an Beamten binden werde, die teils mit unzureichender Ausstattung an ihre Aufgabe herangehen müssten.

In einem Gespräch mit „Reuters“ im Rahmen einer Fahrt entlang der deutsch-österreichischen Grenze weist er darauf hin, dass der Personalbedarf nun weiter steige. Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte kürzlich die Bundespolizei dazu ermächtigt, ab 16. September bundesweit Grenzkontrollen durchzuführen. Von da an soll die Bundespolizei ein halbes Jahr lang die Möglichkeit haben, Menschen an allen deutschen Landesgrenzen zu kontrollieren und gegebenenfalls zurückzuweisen.

Roßkopf weist darauf hin, dass die Beamten bereits jetzt stark eingebunden seien, da neben den Grenzen zu Österreich nun auch jene zur Schweiz, zu Tschechien und zu Polen kontrolliert würden. Zu den stationären Kontrollen müsse auch ausreichend Personal und Gerät für mobile Einsätze vorhanden sein:

Wir sind hier jetzt ziemlich gespannt, was letztendlich auf uns zukommt, denn die Einsatzmittel, aber auch das Personal sind natürlich endlich.“

Derzeitige Maßnahmen sind „Tropfen auf dem heißen Stein“

Es dürften durch die stärkere Kontrolle der Landgrenzen andere Bereiche nicht aus dem Fokus geraten. Bahnhöfe seien durch immer mehr Kriminalität belastet, auf den Flughäfen gehe es nicht nur um die Einreisenden, sondern auch um das Verhindern von Eindringversuchen sogenannter Aktivisten wie jener der Letzten Generation. Dazu käme kritische Infrastruktur auf See, die – wie Nord Stream zeige – ebenfalls potenziell gefährdet sei.

Die derzeitigen Zurückweisungen seien nur ein „Tropfen auf dem heißen Stein“, äußert Roßkopf. Trotz Grenzkontrollen könne man nur einen geringen Teil irregulär Eingereister an der Grenze zurückweisen:

Die Masse derer, die Asylanträge stellen, müssen wir ins Landesinnere lassen.“

Roßkopf sieht es als erforderlich an, die Forderung der Union nach Anwendung nationaler Sonderbestimmungen zumindest rechtlich zu prüfen. Sollte sich herausstellen, dass ein solches Vorgehen zulässig sei, „dann könnten wir viel mehr zurückweisen in die sogenannten sicheren Drittstaaten“.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion