Göring-Eckardt kritisiert Seehofers Absage der Landes-Flüchtlingsaufnahmeprogramme
„Es ist nicht nachvollziehbar, warum das Bundesinnenministerium die Aufnahmebereitschaft engagierter Bundesländer wie Berlin und Thüringen in den Wind schlägt.“ Mit diesen Worten kritisierte die Grünen-Chefin Göring-Eckardt Innenminister Horst Seehofer. Dieser hatte den Landesaufnahmeprogrammen für Flüchtlinge eine Absage erteilt.
Nordrhein-Westfalens Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) pflichtet hingegen Seehofer bei: „Es gibt erhebliche rechtliche und organisatorische Probleme für ein gesondertes Landesprogramm“, sagte der FDP-Politiker. In diesem Fall müsse die Koordination beim Bund bleiben. Nordrhein-Westfalen nehme insgesamt 220 Schutzsuchende auf, insbesondere kranke Kinder mit engsten Angehörigen. Das Bundesland habe dem Bund darüber hinaus angeboten, insgesamt auch 500 Personen aufnehmen zu können. Seehofer sollte das Angebot aus Berlin und aus NRW nutzen, um mit Kollegen aus anderen EU-Ländern „ein weiteres Aufnahmeprogramm für ganz besonders Schutzbedürftige aus den griechischen Camps zu verabreden“, forderte Stamp.
Zuvor hatte der Bundesinnenminister die geplante Aufnahme von bis zu 300 Migranten aus griechischen Lagern durch das Land Berlin abgelehnt. Die Bundeseinheitlichkeit würde bei Zustimmung zum Landesaufnahmeprogramm nicht gewahrt, hieß es in einem Schreiben Seehofers an Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD). „Das macht uns im Senat alle sehr wütend“, sagte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) im Rundfunk Berlin-Brandenburg. Er sprach von einem „politischen Skandal“.
Zuerst hatte der „Tagesspiegel“ über das Schreiben berichtet. Seehofer verwies darin auf die vereinbarte Kohärenz von Landesaufnahmeprogrammen mit Programmen des Bundes sowie die „Gewährleistung vergleichbarer operativer Standards“. Es sei zu vermeiden, „dass für denselben Personenkreis die Aufnahme in Deutschland aufgrund zweier verschiedener Rechtsgrundlagen und mit zwei verschiedenen Rechtsfolgen erfolgt“, schrieb Seehofer weiter.
Er berief sich in dem Brief auf die Bundesentscheidung vom März zur Aufnahme von 243 medizinisch behandlungsbedürftigen Kindern aus Griechenland im Rahmen einer europäischen Hilfsaktion. Ebenfalls einreisen dürfen deren Kernfamilien, also Eltern und Geschwister. Der CSU-Politiker zeigte sich zuversichtlich, dass Berlin im Rahmen dessen einen „großen Beitrag zur Besserung der Situation auf den griechischen Inseln leisten“ könne.
Bislang keine rechtlichen Schritte geplant
Bislang plant Berlin offenbar keine rechtlichen Schritte gegen die Ablehnung seines Landesaufnahmeprogramms. „Das ändert nichts an der grundsätzlichen Aufnahmebereitschaft Berlins“, sagte ein Sprecher Geisels der Nachrichtenagentur AFP über Seehofers Entscheidung. Zuvor hatte Geisel darauf hingewiesen, dass Seehofer seine Zustimmung nur in sehr engen rechtlichen Grenzen verweigern könne.
Die Aufnahme von Migranten durch Landesbehörden muss laut dem Aufenthaltsgesetz im Einvernehmen mit dem Bundesinnenministerium geschehen. Zu den wiederholten Anfragen Geisels äußerte sich Seehofer nach Angaben der Innenverwaltung zuvor nie öffentlich oder schriftlich.
Der Berliner Senat hatte im Juni Geisels Plan gebilligt, der neben unbegleiteten Minderjährigen insbesondere auch Schwangere, Kranke, allein reisende Mütter und Väter mit ihren Kindern und Menschen ab 60 Jahren als Angehörige der COVID-19-Risikogruppe berücksichtigt.
Auch Thüringens Landesregierung hatte sich darauf verständigt, bis Ende 2022 bis zu 500 besonders schutzbedürftige Migranten aus Griechenland aufzunehmen. Auch andere Bundesländer erklärten die Bereitschaft zur Aufnahme weiterer Menschen, außerdem zahlreiche Kommunen in Deutschland. (afp/er/dts/sua)
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