GhostPlay: Militärisches KI-Projekt für Bundeswehr umfasst auch Szenarien für Angriffskriege

Das Projekt „GhostPlay“ schafft für die Bundeswehr ein virtuelles Trainingsgebiet, in dem sich mithilfe von Künstlicher Intelligenz militärische Szenarien simulieren lassen. Auch offensive Operationen sind Teil des „Metaversums“.
Kisten mit Waffen und Munition der Bundeswehr warten. Deutschland liefert der Ukraine weitere Waffen und Munition im Wert von knapp 700 Millionen Euro.
Kisten mit Munition und Waffen. Das Simulationssystem „GhostPlay“ soll der Bundeswehr auch Szenarien zu deren optimaler Nutzung in komplexen Gefechtssituationen ermöglichen.Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa
Von 18. September 2023

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Nicht weniger als 500 Millionen Euro aus dem Corona-Finanzpaket hat das Bundesverteidigungsministerium in die Entwicklung des Projekts „GhostPlay“ investiert. Ziel der auf Künstlicher Intelligenz beruhenden Anwendung ist es, den Hightech-Verteidigungssektor des Landes wiederzubeleben. Die Bundeswehr soll in dieser „Simulationsumgebung für KI-basierte Entscheidungsfindung in Maschinengeschwindigkeit“ das Verhalten in komplexen Gefechtsszenarien erproben können.

GhostPlay ermöglicht der Bundeswehr Simulation komplexer Gefechtsszenarien

Entwickler von GhostPlay ist das Start-up „21strategies“, Projektleiter ist Professor Gary Schaal von der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg. Gegenüber „Fox News“ äußerte er, das Unternehmen konkurriere jetzt schon „mit den Großen der Branche“. Was das Start-up besonders auszeichne, seien „Agilität und die Fähigkeit, schnell Ergebnisse zu zeigen“.

Zusammen mit Verteidigungswissenschaftlern habe das Start-up GhostPlay als virtuelles Schlachtfeld geschaffen. Dieses soll es Entwicklern ermöglichen, in einer risikofreien Umgebung unterschiedliche Waffen und militärische Systeme zu testen.

Die Simulation komplexer militärischer Gefechtsszenarien, so heißt es vom Unternehmen selbst, solle helfen, „neuartige, überlegene Vorgehensweisen“ zu entwickeln. Dadurch ließen sich „Flexibilität und Überlegenheit auf strategischer, taktischer und operativer Ebene“ erreichen.

„Nuancierte Feinheiten der menschlichen Kognition nachahmen“

Zu den Schlüsselaspekten gehöre dabei die Verwendung von „Algorithmen der dritten Welle“, erklärt 21strategies-CEO Yvonne Hofstetter. Um die Tests gründlicher zu gestalten und die Vorbereitung für die militärische Planung zu optimieren, schaffe man mittels der Simulationen „unvorhersehbare“ Bedingungen.

Die Algorithmen sollen in diesem Umfeld den simulierten Einheiten wiederum eine „menschenähnlichere Entscheidungsfindung“ ermöglichen. Sie sollen in der Lage sein, „die nuancierten Feinheiten der menschlichen Kognition genau nachzuahmen“. Von den Technologien der zweiten Welle unterschieden diese sich durch ein „außergewöhnliches Maß an Realismus und Anpassungsfähigkeit“.

Bundeswehr soll GhostPlay zur Optimierung von Schwarmstrategien verwenden

GhostPlay verwendet Satellitenbilder und lokale Datenbanken, die einer stetigen Aktualisierung unterliegen. Auf diese Weise lassen sich hochdetaillierte virtuelle Umgebungen erstellen, die reale Orte originalgetreu nachbilden. Dies beinhalte auch eine angepasste Darstellung von Wohnsiedlungen und der Vegetation.

Für die Bundeswehr von besonderem Interesse ist dabei ein weiterer Aspekt von GhostPlay. Die Simulation ermöglicht das Verfeinern und Optimieren von Schwarmstrategien. So lassen sich etwa Kohorten von Drohnen orchestrieren, um in zusammenhängender Weise maßgeschneiderte Missionen durchzuführen. Dies soll auch eine effizientere Nutzung von Munition ermöglichen und eine Anpassung an dynamische Kampfszenarien.

Das multinationale Unternehmen Hensoldt, das die GhostPlay-Plattform finanziert, äußert dazu:

Um hochkomplexe Verteidigungssysteme optimal zu ermöglichen, müssen wir die künstliche Intelligenz in ihrer ganzen Bandbreite beherrschen. Zu diesem Zweck entwickeln wir viele KI-Kompetenzen selbst und ergänzen sie ganz gezielt.“

Angriffsszenarien bei GhostPlay sollen „andere Perspektive“ ermöglichen

Die Simulation beinhaltet dabei nicht nur Verteidigungsszenarien. Vielmehr erhält die Bundeswehr mittels GhostPlay auch Gelegenheit, offensives Vorgehen wie die „Unterdrückung gegnerischer Flugabwehr“ (Supression of Enemy Air Defense, SEAD) zu erproben.

Wie die Helmut-Schmidt-Universität mitteilt, geht es anders als bei der klassischen KI nicht mehr allein um die Extraktion von Massendaten. GhostPlay verfolge einen darüber hinausgehenden methodischen Ansatz. Dessen Ziel sei es, „kontextbewusste, komplexe und optimale, mehrstufige Entscheidungsverfahren für angreifende Einheiten und verteidigende Flugabwehreinheiten“ zu entwickeln.

Um zu verhindern, dass Schwärme in sehr komplexen Einsatzbedingungen außer Kontrolle geraten, solle die Flugabwehr in der Lage sein, eine andere Perspektive einzunehmen. Mithilfe spieltheoretischer Ansätze und einer „Ethics by Design“-Philosophie wolle man im Hinblick auf die mögliche Regulierung des Einsatzes (teil-)autonom agierender militärischer Systeme Entscheidungsgrundlagen schaffen.

Nationale Strategie für KI im militärischen Kontext gefordert

Bereits im Juni hatte der Arbeitskreis „KI & Verteidigung“ die Vorlage einer nationalen Strategie zu Künstlicher Intelligenz in militärischen Waffensystemen gefordert. Jüngst hat die 2020 gegründete Einrichtung dazu bereits ein eigenes Impulspapier vorgelegt. In den USA und in Frankreich gebe es seit Jahr und Tag Leitlinien für den militärischen Einsatz von KI, heißt es vonseiten der Autoren. In Deutschland sei es dafür ebenfalls an der Zeit.

Der Arbeitskreis setzt sich zusammen aus Vertretern des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV). Dazu kommen Wissenschaftler eines Instituts der Fraunhofer-Gesellschaft und der Bundeswehr-Universität in München.

Klärung soll es dabei bezüglich der Entwicklung militärischer KI unter Wahrung des Völkerrechts geben. Die Protagonisten forderten auch eine adäquate Beschreibung des Verhältnisses zwischen Mensch und Maschine und Klarheit über die Möglichkeiten und Grenzen der Arbeit an KI-gestützten militärischen Systemen. Darauf dränge auch die Rüstungsindustrie – um zu wissen, was sie in Deutschland überhaupt entwickeln dürfe.



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