Gewissen wird grüner Abgeordneten zum Verhängnis

Miriam Block sprach sich für einen NSU-Untersuchungsausschuss aus und wich damit von der Fraktionslinie ab. Ihre Fraktion beschließt nach stundenlanger Sitzung Konsequenzen.
Die Hamburger Grünen-Bürgerschaftsabgeordnete Miriam Block wurde von ihren Fraktionsämtern entbunden.
Die Hamburger Grünen haben die Bürgerschaftsabgeordnete Miriam Block von ihren Fraktionsämtern entbunden, weil sie sich nicht der Parteiräson unterwerfen wollte.Foto: Moritz Frankenberg/dpa
Von 25. April 2023

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Die Hamburger Grünen haben ihrer Abgeordneten Miriam Block sämtliche Aufgaben entzogen, weil sie sich der Fraktionslinie widersetzte und mit der Opposition stimmte. Die 33-Jährige sprach sich als Einzige ihrer Fraktion für einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) zur Aufarbeitung der Taten der Gruppierung „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) in der Hansestadt aus. Die Grünen und Koalitionspartner hatten sich gegen einen PUA ausgesprochen.

Drei Ämter verloren

Am Montagabend entschied die Fraktion in ihrer wöchentlichen Sitzung, dass Block wegen ihres Abrückens ihr Amt in der Fraktion sowie ihre Ausschusssitze verliert. Wie die „Welt“ berichtet, fiel die Entscheidung offenbar nach mehr als vierstündiger Diskussion. Die geschasste Abgeordnete war seit 2020 wissenschaftspolitische Sprecherin der Grünenfraktion und saß im Wissenschafts- sowie im Innenausschuss der Bürgerschaft.

22 der 33 Fraktionsmitglieder sprachen sich dafür aus, Miriam Block als Sprecherin für Wissenschaft und Hochschule abzuwählen. Sieben waren dagegen. Für die Abberufung aus dem Wirtschaftsausschuss waren 20 Mitglieder, neun wollten sie weiter in der Funktion sehen. 25 Grüne votierten für einen Ausschluss aus dem Innenausschuss, fünf lehnten das ab.

Fraktionschef spricht von wiederholtem Regelverstoß

Fraktionsvorsitzender Dominik Lorenzen begründete die Entscheidung damit, dass die Abgeordnete „wiederholt gegen gemeinsame Absprachen und geteilte Regeln der Kommunikation verstoßen“ habe. Der nun erfolgte Schritt sei „aus Sicht der Fraktion daher notwendig“.

Die Entscheidung sei allen Beteiligten „zugleich aber nicht leichtgefallen“, schrieb Lorenzen in einer E-Mail bekannt. Nun sei es „an der Zeit, wieder zur Sacharbeit zurückzukehren“, so Lorenzen.

Zum Eklat kam es, weil Miriam Block in der vergangenen Woche die Forderungen der Linken für einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum NSU-Komplex unterstützt hatte.

In Hamburg gab es seit Jahren politischen Streit darüber, ob das Wirken der NSU um deren Hauptakteure ‎Beate Zschäpe, ‎Uwe Böhnhardt und ‎Uwe Mundlos in der Hansestadt ausreichend aufgearbeitet worden sei.

Dabei stand auch immer wieder die Frage im Raum, ob die Bürgerschaft einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss einrichten müsse.

„Wissenschaftliche Aufarbeitung“ statt Untersuchungsausschuss

Die Grünen sprachen sich schon mehrfach als Partei für die Einrichtung eines solchen Gremiums aus. Die SPD, die die Regierung stellte, als der NSU auch in Hamburg mordete, und die aktuell mit den Grünen koaliert, lehnte einen PUA ab. In der vergangenen Woche verkündeten die Regierungspartner, dass eine „wissenschaftliche Aufarbeitung“ als Kompromiss dienen solle.

Der Tag, an dem SPD und Grüne die Einigung verkündeten, war laut „Welt“ bewusst gewählt. Er lag zwei Tage vor der Bürgerschaftssitzung. Für diese hatten die Linken einen Antrag eingebracht, der einen PUA forderte.

Hamburg ist das einzige Bundesland, in dem es Taten des Nationalsozialistischen Untergrunds, aber keinen Untersuchungsausschuss gegeben hat.

In dem Ausschuss sollte es um den Mord an Süleyman Taşköprü (2001) gehen. Des Weiteren sollte sich der PUA auch mit der Rolle rechter Netzwerke in der Stadt sowie der Aufarbeitung des Umgangs der staatlichen Stellen mit dem Fall beschäftigen.

Block: Nicht mit Gewissen vereinbar

Miriam Block war die „wissenschaftliche Aufarbeitung“ zu wenig. Auf „Twitter“ schrieb sie unter anderem: „Ich kann es daher nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, den Antrag der Linksfraktion abzulehnen, solange wir keinen alternativen Weg für ernsthafte Aufklärung finden.“ Die bisherigen Ansätze zur Aufklärung seien nicht ausreichend gewesen.

Im Anschluss an ihre Äußerungen soll sie ein Fraktionskollege vor Konsequenzen gewarnt haben. Laut „Welt“ soll ihr auch mit einem Ausschluss aus der Fraktion gedroht worden sein. Die 33-Jährige ließ sich jedoch nicht einschüchtern und stimmte für die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses.

Fraktionszwang verstößt gegen Grundgesetz

Ein Fraktionszwang ist verfassungswidrig. Artikel 38 (Abs. 1, S. 2) des Grundgesetzes regelt, dass Abgeordnete „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“ sind. Gestützt wird das freie Mandat durch die Immunität und Indemnität aus Artikel 46 des Grundgesetzes.

Es ist erlaubt, an einen einzelnen Parlamentarier zu appellieren, auf eine gemeinsame Ausrichtung zu verweisen oder ihm ins Gewissen zu reden. Der Entzug von Ausschusssitzen oder andere Druckmittel sind hingegen verfassungswidrig. Auch Strafzahlungen oder andere Druckmittel sind untersagt.



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