Gewinner und Verlierer von Wahlprognosen – wie parteiisch sind die Umfragen?
Im Vorfeld von politischen Wahlen orientieren sich Parteien, Medien und allgemein die Gesellschaft häufig an regelmäßig durchgeführten Wahlumfragen. Sie sollen einen möglichst realistischen Trend aufzeigen, wo eine Partei in der Gunst der Wähler gerade steht.
Diese Umfragen stellen dabei lediglich die Stimmungsbilder der Gesellschaft zum Zeitpunkt der Befragung dar. Je nach Ereignissen kann sich ein Kräfteverhältnis nach wenigen Wochen verschieben und der Rückhalt der Parteien verändern.
Hierzulande sammeln mehrere Institute regelmäßig Daten, um die Trends der deutschen Parteienlandschaft abzubilden. Dazu gehören unter anderem Allensbach, Verian (Emnid), Forsa, INSA und YouGov.
Unterschiede zwischen Umfrageinstituten
Die Umfrageinstitute weisen dabei selbst eigene Tendenzen zu bestimmten politischen Parteien auf. Das ermittelte der deutsche Informatiker und Datenwissenschaftler David Kriesel.
Er analysierte kürzlich die Ergebnisse der sogenannten Sonntagsfragen der Institute aus den letzten Jahren. Diese liegen teilweise um mehrere Prozentpunkte für eine Partei auseinander.
So hat beispielsweise die Forschungsgruppe Wahlen bei ihrer letzten Umfrageveröffentlichung am 20. Dezember der CDU/CSU 31 Prozent zugesprochen. Am selben Tag veröffentlichte auch Allensbach seine jüngste Umfrage. Dort kam die Union auf ganze 36 Prozent.
Deutlich ist auch der Vergleich zwischen Verian und INSA beim jeweils jüngsten Ergebnis für das BSW. Am 20. Dezember erreichte das neue Bündnis Sahra Wagenknecht bei Verian 5 Prozent. Bei INSA waren es nur einen Tag später 8 Prozent. Ein deutlicher Unterschied.
Wenn ein Umfrageinstitut bestimmte Parteien begünstigt oder benachteiligt, ist von der sogenannten Schlagseite die Rede. Kriesel ist bei seiner Analyse aufgefallen, dass manche Institute einige der politischen Parteien entweder besser oder schlechter bewerten als im Durchschnitt.
Schlagseitenanalyse: Wer begünstigt wen?
Kriesel hat bei fast jedem Umfrageinstitut seit 2022 individuelle Schlagseiten ermittelt. Allensbach hat laut dem Informatiker beispielsweise die CDU um durchschnittlich 1,8 Prozent und die SPD um 1,1 Prozent zu gut bewertet, die AfD hingegen um 1,0 Prozent zu schlecht.
Die Alternative für Deutschland komme auch bei Forsa schlechter weg. Hier liege sie um 0,8 Prozent unter dem Durchschnitt.
Die Ausreißerparteien bei Emnid seien die Union und die Grünen. Während CDU/CSU um 0,9 Prozent zu schlecht bewertet sein soll, liegen die Grünen in der Einstufung um 0,8 Prozent über dem Mittel.
Größter Ausreißer beim Institut GMS sei die Union. Ihre Bewertung ist 0,8 Prozent über dem Schnitt.
Beim INSA-Institut stünden die Grünen schlecht im Kurs. Sie sollen in den vergangenen gut zwei Jahren um durchschnittlich 1,0 Prozent unterbewertet sein.
Aufwind sollen die Grünen vom Politbarometer bekommen haben. Kriesel ermittelte eine um 1,1 Prozent zu gute Bewertung.
Das Institut Ipsos habe laut Kriesel die CDU/CSU um 1,0 Prozent zu schlecht bewertet.
Bei YouGov machte der Datenwissenschaftler gleich drei Parteitendenzen fest: Die Linke profitierten hier, indem sie um 0,8 Prozent zu gut bewertet wurden, ebenso die AfD mit 1,2 Prozent über dem Schnitt. Ausreißer nach unten soll hier die SPD sein. Demnach liegt sie 0,9 Prozent unter dem Mittel.
Wo Umfragen falsch lagen
Wahlumfragen stimmen letztlich nicht immer mit dem tatsächlichen Ausgang einer Wahl überein. Das zeigte sich im November in den USA deutlich bei der Präsidentschaftswahl. Zahlreiche Medien berichteten im Vorfeld wiederholt, dass die demokratische US-Vizepräsidentin Kamala Harris laut Umfragewerte teils deutlich vor dem republikanischen Kandidaten Donald Trump liege.
Letztlich war das Wahlergebnis genau gegenteilig: Trump gewann deutlich mit 312 Wahlleutestimmen, Harris kam auf 226. Auch in der Sitzverteilung beim Repräsentantenhaus und dem Senat erzielte Trumps Partei, die Republikaner, die Mehrheit. Bereits im Jahr 2016 gewann Trump überraschend gegen seine damalige Rivalin Hillary Clinton. Bis zum Wahltag hatten die Wahlprognosen die Demokratin favorisiert.
Ebenso ist die Aussagekraft von Wahlprognosen in Europa oftmals fragwürdig. So stellte sich in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder heraus, dass Wahlergebnisse anders ausfielen, als die Umfragen im Vorfeld vermuten ließen.
Doch Umfragen sind nicht immer falsch. Das zeigte die Bundestagswahl 2021. Die von den Umfrageinstituten gesammelten Werte lagen kurz vor der Wahl relativ nah am endgültigen Wahlergebnis.
Sensationsberichte der Medien
Kriesel kritisierte in seiner Analyse die Vorgehensweise mancher Medien, wenn ein Institut eine neue Wahlumfrage veröffentlicht. Oftmals entstünden daraus „aufgeregte“ oder „reißerische“ Schlagzeilen. Dabei betrachten die Medienhäuser häufig nur die neuen Datenpunkte von einem Umfrageinstitut.
In einem von ihm erwähnten Beispiel hat ein Medienhaus über damals aktuelle Umfragen von „Bild am Sonntag“ und Emnid berichtet. „Dass in den vergangenen Tagen etliche weitere Datenpunkte von anderen Instituten gesammelt wurden, betrachtet sie nicht“, bemängelt der Informatiker. Seiner Aussage nach „liegt die Wahrheit vermutlich irgendwo in der Mitte zwischen diesen Instituten“.
Kriesel schlussfolgerte: „Einzelne Messpunkte werden als Wahrheiten betrachtet und im Titel aufgebauscht.“ Nach diesem Konzept würden viele Medienhäuser vorgehen. „So läuft es im Grunde überall“, teilte er mit. Das, was die Medien berichten, kann in der Folge wiederum die Wählerschaft beeinflussen.
Faktoren bei Umfragen
Bei Umfragen ist zudem entscheidend, wer bei Umfragen befragt wird. Nach Angaben der Institute befragen diese pro Umfrage gut 1.000 bis gut 2.500 Menschen. Die Befragten sollen dann die gesamtdeutsche Bevölkerung repräsentieren.
Das genaueste Ergebnis kommt zustande, wenn alle 59,2 Millionen Wahlberechtigten in Deutschland befragt würden. Das wäre dann eine Vollerhebung. Aus Zeit- und Kostengründen ist das nicht umsetzbar. Stattdessen wählen die Institute eine sogenannte Stichprobe in erwähnter Größe. Diese ist dann repräsentativ für den Teil der Grundgesamtheit, der an der Umfrage teilnimmt.
Doch wie setzen sich die Stichproben zusammen? Dafür gibt es zufällige und nicht-zufällige Auswahlverfahren. Seriöser sind Zufallsauswahlen. Hier sind die Ergebnisse in der Regel mathematisch fundiert und können die Grundgesamtheit repräsentieren. Unter bestimmten Umständen kann ein Institut auch ein nicht-zufälliges Auswahlverfahren anwenden. Allerdings nur, wenn diese bewusst oder willkürlich getroffene, nicht-zufällige Auswahl hinreichend begründet und nachvollziehbar ist.
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