Gewalthilfegesetz erstmals im Bundestag beraten
Zweieinhalb Monate vor der Neuwahl haben SPD und Grüne im Bundestag für das von der rot-grünen Minderheitsregierung geplante Gesetz zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen geworben.
Frauenministerin Lisa Paus (Grüne) mahnte am Freitag im Plenum zur Eile: „Wir müssen handeln und zwar sofort. Wir müssen diese Frauen schützen.“ Da SPD und Grüne zusammen keine Mehrheit haben, braucht das Gesetz die Zustimmung der Opposition. Bei der Bundestagsdebatte war diese aber nicht zu erkennen.
Das sogenannte Gewalthilfegesetz war vergangene Woche vom Bundeskabinett verabschiedet worden. Es sieht ab 2030 für Opfer geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt einen Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe vor.
Hilfesystem soll ausgebaut werden
Bis dahin soll das Hilfesystem ausgebaut werden – dazu zählen insbesondere mehr Frauenhäuser, Schutzwohnungen und Beratungsstellen. Hintergrund sind steigende Zahlen von Gewalttaten gegen Frauen und im häuslichen Umfeld. Im vergangenen Jahr wurden 360 Frauen und Mädchen in Deutschland wegen ihres Geschlechts getötet.
Auf die zunehmende Gewalt bezog sich Ministerin Paus. Die Zahlen stiegen – „egal ob digitale Gewalt, sexualisierte Gewalt oder Partnerschaftsgewalt“, sagte sie. Es habe „zu lange gedauert“, bis das Gesetz auf den Weg gebracht worden sei.
Dies sei erst nach dem Ampelbruch möglich gewesen, da der ehemalige Finanzminister Christian Lindner (FDP) „diesem Gesetz nicht die Priorität eingeräumt und kein Geld zur Verfügung gestellt“ habe.
Paus‘ Parteikollegin, Grünen-Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann räumte ein, dass auch ihre Partei in Regierungsverantwortung zu wenig bei dem Thema erreicht habe. So sei vor allem die Situation der Frauenhäuser in Deutschland seit Langem „mangelhaft“ – „wir haben es bisher nicht geschafft, diese Sicherung zu bieten“, betonte sie.
Die SPD-Politikerin Ariane Fäscher sieht in dem Gesetzentwurf einen „großartigen Erfolg nach jahrzehntelangem Kampf“. Systematische Gewalt gegen Frauen sei „kein individuelles, kein privates Problem, sondern ein strukturelles“, sagte Fäscher.
Union: Thema nur Wahlkampf
Die Union warf den Regierungsparteien dagegen vor, mit dem Thema Wahlkampf zu machen. „Sie haben dieses Thema erst mit dem Ampel-Aus entdeckt“, sagte Silvia Breher (CDU) in Richtung von SPD und Grünen.
Diese wollten der Union nun „den schwarzen Peter zuschieben“, so Breher. „Wenn dieses Gesetz nicht zustande kommt, liegt das ausschließlich an Ihnen.“
Die CSU-Politikerin Dorothee Bär nannte es mit Blick auf Ministerin Paus „zu billig“, Ex-Minister Lindner die Schuld dafür zuzuweisen, dass das Gesetz lange nicht beschlossen wurde. „79 Tage vor der Bundestagswahl jetzt plötzlich die Frauen für sich zu entdecken, ist wirklich billig und schändlich“, sagte Bär.
AfD: Gesetz ist nur „Verhöhung von Opfern von Gewalt“
Die AfD-Abgeordnete Nicole Höchst kritisierte das Gesetz als „Verhöhnung von Opfern von Gewalt“. Vor allem die „ungesteuerte und ungezügelte Massenzuwanderung“ habe die Gewalt gegen Frauen nochmals verschärft.
Nicole Bauer von der FDP forderte ein Online-Register, um verfügbare Frauenhausplätze schnell finden zu können. „Unter all den Frauen, die Gewalt erfahren, gibt es so unfassbar viele, die sich wehren wollen, es aber nicht können.“
Sevim Dagdelen vom BSW nannte das Gewalthilfegesetz „zutiefst frauenfeindlich“ und einen „schäbigen Etikettenschwindel“. Durch das Gesetz hätten auch Männer, „die sich als Frauen identifizieren“ Zugang zu Frauenhäusern.
Linke fordert 500 Millionen Euro für Frauenhäuser
Die Linken-Politikerin Gesine Lötzsch kritisierte, „dass diese Regierung nicht in der Lage ist, allen Frauen eine sichere Bleibe zu geben“. Sie forderte ein 500-Millionen-Euro-Programm zur Finanzierung von Frauenhäusern.
Die Fraktionen von CDU/CSU, FDP und Linken reichten jeweils eigene Anträge zu dem Thema ein. Zustimmung zum Regierungsvorhaben ließen diese nicht erkennen. Unklar ist zudem, ob das Gesetz überhaupt zur Abstimmung kommt – bis zur Neuwahl am 23. Februar sind noch zwei Sitzungswochen und zwei Präsenztage im Bundestag vorgesehen. Jetzt liegt der Entwurf in den zuständigen Ausschüssen. (afp)
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