Gewalt in Arztpraxen: Lauterbach und Buschmann wollen Strafrecht verschärfen

Niedergelassene Ärzte haben wegen der zunehmenden Gewalt von Patienten einen Hilferuf an die Politik gerichtet. Karl Lauterbach und Marco Buschmann kündigen nun Strafverschärfungen an.
Titelbild
Der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach bei einem Besuch der Sana-Klinik in Berlin am 3. Mai 2024. Symbolbild.Foto: John MacDougall/Pool/AFP via Getty Images
Von 13. August 2024

Gewalt und Gewaltandrohungen gegen Ärzte und Pflegekräfte müssten stärker bestraft werden, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Dienstag. „Uns droht so schon ein ganz massiver Arztmangel, Praxen können nicht wieder besetzt werden.“ Man arbeite bereits mit dem Justizministerium an einem entsprechenden Gesetz zur Strafverschärfung.

Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung KBV, hatte zuvor einen Anstieg von Gewalt gegenüber Ärzten und Pflegekräften beklagt. „Aggressives Verhalten, verbale Bedrohungen bis zu Tätlichkeiten sind ein wachsendes Problem in den Arztpraxen“, sagte Gassen der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.

„Nicht nur in Notaufnahmen, auch bei den Niedergelassenen eskaliert die Lage immer öfter.“ Offene Aggression und ein extrem forderndes Verhalten hätten deutlich zugenommen. „Es geht um verbale, es geht um physische Gewalt. Ich hatte selbst schon einen Patienten, der eine Tür kaputt getreten hat“, sagte Gassen.

Gassen sagte, in der Regel hätten Patienten und Ärzte ein sehr vertrauensvolles Verhältnis. „Es gibt aber eine kleine, leider aber größer werdende Klientel, die wirklich schwer erträglich ist. Die meint, jedem drohen zu können, sich so benehmen zu können, wie es dort, wo man herkommt, vielleicht üblich ist. Und am härtesten trifft es oft die Arzthelferinnen.“

Umfrage zeige spürbare und dauerhafte Zunahme von Gewaltereignissen

Zu den „Übeltätern“ gehörten Menschen mit Migrationshintergrund, Flüchtlinge und Deutsche. Dass sich Patienten nicht benehmen könnten und eine „schräge Einschätzung der eigenen Behandlungsdringlichkeit“ hätten, sei „ein Nationen-übergreifendes Phänomen“, sagte Gassen weiter. „Was sich allerdings auch häuft: Da ist einer krank, und sechs Leute kommen als Begleitung mit in die Praxis oder die Notaufnahme und machen Radau. Das ist bemerkenswert und extrem unangenehm.“

Die Politik habe das Problem bisher nicht ausreichend auf dem Schirm, beklagte der Kassenärztechef. „Aber es ist genauso unerträglich, wenn Feuerwehrleute mit Flaschen beworfen werden, wie wenn Krankenhaus- oder Praxismitarbeiter bedroht oder körperlich angegangen werden, weil irgendein Vollidiot meint, sein Schnupfen müsste jetzt sofort behandelt werden und er sei nicht freundlich genug behandelt worden.“ Es benötige in solchen Fällen deutliche und schnelle Strafen, sonst komme die Botschaft bei einigen Menschen nicht an.

Die raue Situation trage „zweifellos“ zum Fachkräftemangel in den Praxen bei, kommentierte der Verband der niedergelassenen Ärzte.

Festnahme mit Handschellen. Foto: via dts Nachrichtenagentur

Von der Bundesärztekammer hieß es: „Insgesamt ist eine Verrohung im Umgang mit medizinischem Personal zu verzeichnen.“

Zuletzt hatte die Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL) im Mai eine Umfrage unter ihren Mitgliedern zu deren Erfahrungen mit Gewalt im ärztlichen Alltag veröffentlicht. Innerhalb nur weniger Tage meldeten sich demnach 4.513 Ärzte – rund zehn Prozent der Kammermitglieder – zurück.

Mehr als die Hälfte (2.917) davon hätten auf die Frage: „Haben Sie in der Vergangenheit in ihrem ärztlichen Alltag Gewalt erfahren müssen?“, mit „Ja“ geantwortet. 1.339 Fälle seien dabei allein in Arztpraxen gemeldet worden. Der Präsident der ÄKWL, Hans-Albert Gehle, sprach von einer spürbaren und dauerhaften Zunahme von Gewaltereignissen und massiver Belastung der Betroffenen.

Buschmann will Strafrecht verschärfen

Bislang habe „so ein asoziales Verhalten null Konsequenzen“, so KBV-Chef Gassen. „Deshalb muss das Gesetz von Justizminister Marco Buschmann zum besseren Schutz von Einsatzkräften auf die Arztpraxen ausgeweitet werden.“ Es sei überfällig, das Strafgesetz an der Stelle zu verschärfen, denn „auch Praxen müssen sich nicht alles bieten lassen“.

Justizminister Marco Buschmann (FDP) will mit einer leichten Verschärfung des Strafrechts unter anderem Rettungskräfte besser vor Anfeindungen und Gewalt schützen.

Die Bundesärztekammer unterstützt das Vorhaben. Straftaten gegen diese Berufsgruppen müssten aber nicht nur schärfer bestraft, sondern auch effektiv verfolgt und aufgeklärt werden, forderte die Kammer in einer jüngst veröffentlichten Stellungnahme zum Referentenentwurf. „Wir brauchen dringend Aufklärungskampagnen, die deutlich machen, dass diese Menschen Retter und Helfer sind“, hieß es auf Anfrage. Auch der Verband der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sprach sich für die angekündigte Strafverschärfung aus.

Um Fälle zu melden, hätten einige Ärztekammern für Betroffene bereits eine spezielle Meldeadresse eingerichtet, es gebe auch Fortbildungen zum Thema. Die Landesärztekammer Hessen etwa habe einen Meldebogen eingeführt. „Die aktuellen Ergebnisse des Meldebogens verdeutlichen, dass dringlichster Bedarf in der Ärzteschaft sowie bei den Medizinischen Fachangestellten besteht, dem Gefühl von Hilflosigkeit und Ohnmacht durch zum Beispiel Deeskalations-Seminare entgegenzuwirken“, hieß es auf der Website.

Warum aber ist die Gewaltbereitschaft in Arztpraxen teils hoch? „Gerade in Stress- und Notsituationen, in denen das persönliche Wohlbefinden als eingeschränkt wahrgenommen wird, kann der Mensch dann mit Wut und Aggressivität reagieren“, kommentiert der Psychologe Michael Wiens. „Emotionen haben immer eine Signalfunktion, dass bestimmte Bedürfnisse nicht erfüllt sind.“

Selbstverteidigungskurs und Panikraum

„Wir haben in unserer Praxis in der Vergangenheit bereits mehrfach Zwischenfälle gehabt“, so ein niedergelassener Arzt im Ruhrgebiet zu „t-online“. Dabei würde es um Patienten gehen, die unter Drogen stehen. So gab es einen Vorfall, wo ein Patient, ein langes Messer bei sich trug. In einem anderen Fall wäre ein Patient mit paranoider Schizophrenie gewalttätig aufgefallen.

Aber auch unabhängig von Drogen und psychischen Erkrankungen sei bei den Patienten häufig eine Gereiztheit festzustellen, berichtet der Arzt. Patienten würden mit einer negativen Bewertung bei Google oder Jameda drohen, wenn sie ein Rezept oder eine Krankschreibung nicht bekommen würden, sagt er. Auch wenn Ansprüche auf bestimmte Behandlungsmethoden oder Medikamente abgelehnt würden, käme es inzwischen in großer Zahl zu aggressivem Verhalten.

Daher habe er jedes Sprechzimmer mit einem Überfallknopf wie in einer Bank ausgestattet, sodass über einen stillen Notruf die Polizei alarmiert werden könne. Auch sei ein Selbstverteidigungs- und Deeskalationskurse für sein Praxispersonal geplant. Denkbar seien für ihn auch Panikräume für die Mitarbeiter, wo sie sich im Eskalationsfall zurückziehen könnten.

Gewalt in Berliner Notaufnahme

Dass aber auch Alkohol und Ungeduld eine Rolle spielen können, zeigt ein Vorfall in Berlin in der Silvesternacht 2023, der in den Medien große Beachtung fand.

In einer Rettungsstelle in Berlin-Lichtenberg kam es zu einem Angriff mehrerer alkoholisierter serbischer Männer auf einen Arzt und einen Pfleger. Ihnen war wohl die Wartezeit zu lang, daher sollen sie ausgerastet sein. Die veröffentlichten Bilder der Überwachungskamera zeigen den Angriff.

An dieser Stelle wird ein Video von Youtube angezeigt. Bitte akzeptieren Sie mit einem Klick auf den folgenden Button die Marketing-Cookies, um das Video anzusehen.

Der Pfleger erlitt durch den Faustschlag Prellungen am Kopf und musste sich in psychologische Behandlung begeben, der Arzt trug Verletzungen im Gesicht und ein blaues Auge davon. Im Video ist zu sehen, wie der Pfleger durch den Schlag zunächst bewusstlos auf dem Boden liegt. Massive Drohungen sollen gefallen sein.

Bundesweit ist laut einer „Spiegel“-Umfrage bei allen 16 Landeskriminalämtern die Zahl der sogenannten Rohheitsdelikte in medizinischen Einrichtungen seit 2019 um 20 Prozent auf 6.894 Taten im Jahr 2022 gestiegen. Für Berlin lagen bei dieser Anfrage bereits die Zahlen für 2023 vor. Hier stieg die Zahl der Gewalttaten im Jahr 2023 um 51 Prozent.

(Mit Material der Nachrichtenagenturen)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion