Gesetzesstau im Bundestag: Was in den nächsten Wochen noch zu erwarten ist

Der Deutsche Bundestag ist derzeit kaum handlungsfähig. Ohne parlamentarische Mehrheiten stagniert der Gesetzgebungsprozess, während die Wirtschaft auf dringend benötigte Reformen drängt. Unions-Fraktionschef Friedrich Merz sieht erst im Sommer 2025 Raum für große Veränderungen. Doch bis dahin bleibt vieles ungewiss.
Der Bundestag streicht eine komplette Sitzungswoche, weil nach dem Ampel-Aus keine Haushaltsberatungen stattfinden.
Der Bundestag.Foto: Anna Ross/dpa
Von 28. November 2024

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Am Montag, 2.12., wird die 202. Sitzungswoche des Deutschen Bundestages beginnen. Eine Tagesordnung gibt es noch nicht – und es sieht nicht danach aus, dass es zu einer Vielzahl an weitreichenden Beschlüssen kommen wird. De facto liegt der Gesetzgebungsprozess derzeit auf Eis. Unions-Fraktionschef Friedrich Merz hat auch bereits in Aussicht gestellt, dass in dieser Legislaturperiode „nicht mehr sehr viel passieren“ werde.

An einem vollständigen Stillstand ist jedoch auch die Union nicht interessiert, zumal es bis zum Frühsommer dauern könnte, ehe es einen Koalitionsvertrag und eine neue Regierung gibt. Nicht zuletzt aus der Wirtschaft kommt Druck: Sie will Gesetze, die helfen könnten, der Krisenstimmung gegenzusteuern, so schnell wie möglich umgesetzt sehen.

Merz: Nur Beschlüsse mit geringen Kostenfolgen möglich

Aus der Union hatte es erst geheißen, man stehe nicht als Ersatzbeschaffer für verloren gegangene Mehrheiten zur Verfügung. Später hieß es, man sei bereit, über einzelne Vorhaben zu sprechen – aber erst nach der Vertrauensfrage. Diese soll Bundeskanzler Olaf Scholz am 11.12. stellen, am 16.12. soll darüber abgestimmt werden.

Anfang der Woche hat Merz nun angekündigt, es werde „jetzt vielleicht noch kleinere Entscheidungen“ geben. Der „wirkliche Turnaround“ mit einer Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik werde jedoch erst „im Sommer des nächsten Jahres“ möglich sein. Im Moment fehlten „sozusagen die finanzpolitischen Grundlagen für Entscheidungen, die finanzwirksam sind“.

Da mit einem Haushaltsbeschluss für 2025 erst nach der Bildung einer neuen Regierung zu rechnen sei, könne es nur Beschlüsse mit geringen Auswirkungen auf die Ausgaben geben. Dies sei jedoch zu wenig, um eine dauerhafte Hilfe für die deutsche Wirtschaft zu bewirken.

Absage an Reform der Schuldenbremse im jetzigen Bundestag

Im Moment regiert die SPD unter Olaf Scholz zwar noch mit den Grünen, aber ohne parlamentarische Mehrheit. Um Gesetzesvorhaben durchzusetzen, benötigt das Kabinett Stimmen aus der Union oder der FDP. Zufallsmehrheiten mithilfe von AfD, Linken, BSW oder Fraktionslosen wollen weder Regierung noch Union in Kauf nehmen.

Eine Reform der Schuldenbremse vor der Bundestagswahl kann Merz schon jetzt „definitiv ausschließen“, äußerte er am Mittwoch gegenüber dem „Deutschlandfunk“. Man werde aber nicht „halbfertigen oder unvollständigen Grundgesetzänderungen die Hand reichen“. Zuvor müsse es eine Lösung der Probleme auf der Ausgabenseite geben, wobei der CDU-Chef explizit das Bürgergeld ansprach. Die Schuldenbremse solle für Investitionen, nicht aber für Konsum und Sozialausgaben gelockert werden. Die Abgrenzung ist jedoch nicht immer einfach.

Merz und CSU-Chef Markus Söder hatten zuletzt vorsichtig Gesprächsbereitschaft über eine Anpassung der Schuldenregel angedeutet. Bundesratspräsidentin Anke Rehlinger (SPD) regte eine solche noch vor der Neuwahl an. Sie wies auf die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit dafür hin und äußerte die Befürchtung, dass AfD und BSW künftig über eine Sperrminorität verfügen könnten. Die Wagenknecht-Partei ist bis dato allerdings nicht für eine bedingungslose Verteidigung der Schuldenbremse bekannt.

Gewalthilfegesetz auf der Kippe, Tariftreuegesetz wohl ohne Mehrheit

Einige Vorhaben hat das Rest-Kabinett am Mittwoch, 27.11., auf den Weg gebracht. Ungewiss ist, welches davon noch eine Chance auf eine Rückendeckung durch eine Parlamentsmehrheit haben könnte. Bundesfamilienministerin Lisa Paus will über das Gewalthilfegesetz einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung für Opfer von häuslicher Gewalt schaffen.

Der Bund würde sich an der Finanzierung beteiligen, die Bundesländer sollen jedoch zur Umsetzung des Gesetzes verpflichtet sein. Dies macht eine Zustimmung aus den Reihen von Union und FDP wenig wahrscheinlich. Andererseits könnte Friedrich Merz im Wahlkampf eine Darstellung, er stelle sich gegen den Schutz von Frauen vor Gewalt, kaum gebrauchen. Bei Frauen hat er bis dato deutlich unterdurchschnittliche Beliebtheitswerte.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil strebt eine Mehrheit für sein Tariftreuegesetz an. Die Union ist jedoch skeptisch und auch die FDP hatte schon als Teil der Ampel größte Vorbehalte geäußert. Die Erfolgsaussichten sind entsprechend gering.

Aussichtsreicher dürfte das Vorhaben sein, mehr öffentliche Aufträge per Direktvergabe zu vergeben, was weniger Bürokratie bedeuten würde. Die Schaffung einer Stiftung und eines Dokumentationszentrums zur Erinnerung an die rassistische Mordserie des NSU könnte ebenfalls eine Mehrheit finden. Das sogenannte Zukunftsfinanzierungsgesetz II soll vor allem der Standortpolitik dienen. Union und FDP dürften nicht jedem Detail zustimmen. Eine Mehrheit nach entsprechenden Anpassungen ist aber denkbar.

Deutschlandticket, Bundesverfassungsgericht, Netzentgelte – was im Bundestag noch ansteht

Mehrheiten mithilfe von Union oder FDP gelten zudem bei der Finanzierung des Deutschlandtickets für 2025, bei der „Stärkung der Resilienz des Bundesverfassungsgerichts“ – und möglicherweise auch bei der Mietpreisbremse. Diese läuft zum Ende des Jahres an. Ohne eine Verlängerung werden insbesondere in größeren Städten sprunghafte Mietsteigerungen im nächsten Jahr befürchtet, in diesem Fall mitten im Wahlkampf.

Die Union will ein Ende des Lieferkettengesetzes. Die FDP wäre bereit, der Abmilderung der Kalten Progression zuzustimmen – die Grünen verlangen im Gegenzug jedoch eine Anhebung des Kindergeldes. Beide Vorhaben sind Teil des Steuerfortentwicklungsgesetzes, das von Union und Liberalen nicht in allen Bereichen mitgetragen wird.

Kanzler Olaf Scholz strebt auch noch eine Regelung bezüglich der kommunalen Altschulden und eine Deckelung der Strom-Netzentgelte für Unternehmen ab. Ungewiss ist das Schicksal des Kohlenstoffspeicherungsgesetzes, das eine Abscheidung und Speicherung von CO₂ in Deutschland ermöglichen soll. Im Strom- und Energiesteuergesetz sollen Regelungen zum Bürokratieabbau und zur Senkung der Stromsteuer für das produzierende Gewerbe in Kraft gesetzt werden.

Sitzungswochen im Bundestag wird es einem Bericht der „Rheinischen Post“ (Donnerstagsausgabe) vom 2. bis 6. sowie vom 16. bis 20. Dezember und vom 27. bis 31. Januar geben. Am 11. Februar soll der letzte Schlagabtausch der Kanzlerkandidaten vor der Bundestagswahl stattfinden. Darauf haben sich dem Bericht zufolge die Spitzen von Ampel und Union geeinigt.

 



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