„Geringste Beschäftigungsquote“: Union will Bürgergeld für Ukraine-Flüchtlinge stoppen
In der Union mehren sich die Stimmen, die ein Ende des Sonderstatus für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine fordern. Laut Bundesarbeitsministerium gilt vorerst bis 4. März 2025 für ukrainische Flüchtlinge der Aufenthaltstitel nach Paragraf 24 des Aufenthaltsgesetzes. Dies hat zur Folge, dass sie kein reguläres Asylverfahren durchlaufen müssen. Verbunden damit sind eine sofortige Arbeitserlaubnis – und die Berechtigung zum Bezug von Bürgergeld.
Das Bürgergeld ist mit 563 Euro für einen alleinstehenden Erwachsenen und ortsüblichen Sätzen für Wohn- und Heizkosten deutlich großzügiger bemessen als Asylbewerberleistungen. Jedoch sind auch zwei Jahre nach Beginn des Ukraine-Kriegs nur wenige Flüchtlinge aus der Ukraine im deutschen Arbeitsmarkt angekommen.
Höchste Zahl an Geflüchteten in der EU – aber geringste Beschäftigungsquote
In der Union ist man davon überzeugt, dass die mit dem Bürgergeld verbundenen Leistungen die Motivation ukrainischer Flüchtlinge mindern, Arbeit anzustreben. Wie der „Focus“ schreibt, haben sich mehrere CDU-Politiker der Forderung des bayerischen Staatsministers Eric Beißwenger (CSU) angeschlossen, das Bürgergeldsystem nicht mehr auf Ukraine-Flüchtlinge anzuwenden.
Die Wirtschaftssprecherin der Unionsfraktion im Bundestag, Julia Klöckner, wies am Rande einer Veranstaltung der Weimer Media Group darauf hin, dass „Deutschland die geringste Beschäftigungsquote in der EU bei den Ukrainern hat“. Diese sorge „auch für Unmut“ in der Bevölkerung.
Mittlerweile ist die Zahl der aus der Ukraine geflüchteten Schutzsuchenden in Deutschland bei rund 1,14 Millionen angekommen. Das ist die größte Zahl an ukrainischen Flüchtlingen in einem EU-Land vor Polen mit etwa 956.000.
Etwa ein Fünftel der erwerbsfähigen Ukraine-Flüchtlinge in Deutschland erwerbstätig
Ex-EU-Kommissar Günther Oettinger zeigte sich gegenüber dem „Focus“ ebenfalls selbstkritisch. Er erklärte, man habe die Entwicklung bezüglich der Geflüchteten aus der Ukraine in Deutschland falsch eingeschätzt. Auf dieser Grundlage habe man sich für den Sonderstatus entschieden:
„Als der Krieg begann, hat niemand gedacht, dass über zwei Jahre später das Thema Flüchtlinge noch so relevant ist. Hätte man das damals vorhergesehen, hätte man vermutlich nicht diese Lösung gewählt.”
Mittlerweile erscheine es ihm als „sehr vertretbar“, stattdessen das allgemeine Leistungsrecht auf diese Personengruppe anzuwenden. Er schlug vor, das Thema „in aller Ruhe“ zu besprechen. Im April 2022 war der sogenannte Rechtskreiswechsel, der zum Sonderstatus führte, beschlossen worden – auch weil man eine Überforderung der Asylbehörden befürchtete. Im Herbst des Vorjahres waren etwa 19 Prozent der als erwerbsfähig geltenden ukrainischen Kriegsflüchtlinge sozialversicherungspflichtig erwerbstätig.
Überdurchschnittliches Qualifikationsniveau – aber geringe Deutschkenntnisse
Ob das Bürgergeld und dessen Höhe tatsächlich die entscheidenden Faktoren dafür sind, dass die Integrationsziele ukrainischer Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt unzureichend erfüllt sind, ist strittig. Die Aussage von Ex-EU-Kommissar Oettinger, dass Deutschland strukturell nicht auf einen dauerhaften Aufenthalt ukrainischer Flüchtlinge in dieser Zahl vorbereitet gewesen sei, spricht nicht dafür.
In vielen Städten und Landkreisen bestand trotz der Corona-Pandemie nach wie vor ein Rückstau bei Sprach- und Integrationskursen, als die Fluchtwelle aus der Ukraine 2022 begonnen hatte. Dazu kam, dass die Zahl regulärer Asylsuchender nach dem Ende der Pandemiemaßnahmen wieder deutlich anstieg.
Zwar ist das Qualifikationsniveau unter den Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine verhältnismäßig hoch, die Sprachbarriere macht es jedoch gerade bei qualifizierten Arbeitskräften erforderlich, einen Deutschkurs zu besuchen. Es sei denn, man wolle die Betroffenen bewusst in die erstbeste verfügbare Erwerbsarbeit bringen, die zur Verfügung stehe, ohne Rücksicht auf die Qualifikation zu nehmen. Dies entspräche jedoch nicht der strategischen Ausrichtung hinter dem Wechsel von Hartz IV zu Bürgergeld.
Nicht ausreichend Kinderbetreuung für Kursstunden – und Mangel an Dozenten
Im Juli 2023 teilte das „Schwäbische Tagblatt“ mit Blick auf Städte wie Tübingen oder Reutlingen mit, dass Probleme bei Kinderbetreuung und Dozentenfindung den Integrationsprozess behinderten. Von 1.951 Personen, hauptsächlich Ukrainern, die damals bei Jobcentern gemeldet wurden, seien 420 Männer, 908 Frauen und 621 Kinder gewesen.
Um adäquate Deutschkenntnisse zu erwerben, sei den Angaben einer dortigen Jobcenter-Mitarbeiterin bis zu 12 Monate der Besuch von 25 Kursstunden pro Woche erforderlich. In vielen Fällen fehlten den Betroffenen in diesem Umfang Betreuungsmöglichkeiten. Dazu komme ein Mangel an Dozenten, der zur Folge habe, dass die Wartezeiten auf Deutschkurse zum Teil erheblich seien.
Ein weiterer Problembereich seien bürokratische Hürden bei der Anerkennung in der Ukraine erworbener Diplome und Zeugnisse. Neben teilweise zu hohen Erwartungen potenzieller Arbeitgeber an die Deutschkenntnisse der Bewerber erschwere auch dieser Faktor die Eingliederung in den Arbeitsmarkt.
NRW und Sachsen-Anhalt wollen neue Wege zur Arbeitsmarktintegration von Ukraine-Flüchtlingen gehen
Wie das „Migazin“ berichtet, will die Landesregierung in NRW nun neue Wege gehen, um Schutzsuchende – unter ihnen auch zahlreiche Ukrainer – in Arbeit zu bringen. Dabei sollen vor allem die Abläufe in einer Weise verändert werden, dass nicht eine staatliche Maßnahme auf einer anderen aufbaue. Stattdessen sollten mehrere ineinander greifen.
Man wolle etwa die beruflichen Qualifikationen Geflüchteter bereits während der ersten Integrationskurse abfragen. Auf diese Weise könne man sich schon zu einem früheren Zeitpunkt um die Anerkennung von Qualifikationen und um passende Stellen kümmern, heißt es aus der Landesregierung.
Zudem wolle man, wo dies möglich sei, eine umgehende Arbeitsaufnahme mit berufsbegleitenden Sprachkursen verbinden. Arbeitsminister Karl-Josef Laumann erklärt selbstkritisch:
Wir sind hier längst nicht so gut, wie wir es gerne sein wollen.“
Die Behörden sollten „noch viel zuversichtlicher auf die Potenziale der Menschen schauen“. In NRW seien im Februar 2024 nur 19 Prozent der etwa 112.000 erwerbsfähigen Ukrainer einer Arbeit oder Ausbildung nachgegangen. Einen ähnlichen Weg wie NRW wolle auch Sachsen-Anhalt gehen. Arbeitsministerin Petra Grimm-Benne erklärte Mitte März:
„Unser Ziel ist, mit Weiterbildungen den Weg in qualifizierte Berufe zu ebnen. Jetzt braucht es mehr Unternehmen, die Geflüchteten eine Chance geben, auch wenn sie noch nicht perfekt Deutsch sprechen.“
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