Gerichte erlauben Demo in Berlin: Medien sehen Blamage für Geisel
Um 11 Uhr soll am heutigen Samstag (29.8.) in Berlin die Hauptkundgebung der in Stuttgart gegründeten Initiative „Querdenken 711“ beginnen. Am frühen Morgen um 2.50 Uhr hatte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die Beschwerde der Polizei gegen das am gestrigen Freitag ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin verworfen. Die Beschwerde bezog sich somit auf das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichtes das ein am Mittwoch verkündetes Verbotes der Kundgebung für rechtswidrig erklärt hatte.
Verwaltungsgerichte zerpflücken Verbotsbegründung
Das Gericht widersprach dabei der Einschätzung des Berliner Senats und vieler Experten, die davon ausgegangen waren, dass Überlegungen des Gesundheitsschutzes und Erfahrungswerte der ersten Berliner Großdemonstration gegen die Corona-Politik eine ausreichende Grundlage für das Verbot abgeben würden.
Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit sei nicht gegeben. Vielmehr habe die Behörde das Hygienekonzept des Veranstalters zu gering gewichtet. Eine Obergrenze für Teilnehmer kenne die Infektionsschutzverordnung des Landes Berlin ebenfalls nicht. Eine Genehmigung unter Auflagen wäre als gelinderes Mittel einem Verbot vorzuziehen gewesen.
Am Ende setzte das Verwaltungsgericht auch die Höhe der Auflagen eher gering an: Es wurden bestimmte Vorgaben bezüglich der einzuhaltenden Route gemacht und der Veranstalter hat die Teilnehmer beständig auf die Einhaltung der Mindestabstände hinzuweisen. Nun ist der Weg frei für die Kundgebung.
Berliner Senat habe „Schulnote sechs“ kassiert
Alexander Kissler, der im Zusammenhang mit dem Verbot in der „Neuen Zürcher Zeitung“ (NZZ) der Berliner Stadtregierung vorgeworfen hatte, diese habe „die Demokratie nicht begriffen“, geht nun von einem „stürmischen Demo-Wochenende“ aus.
Malte Arnsperger schreibt im „Focus“ von einer „schallenden Ohrfeige für die Berliner Hauptstadtpolitik und einem „selten peinlichen Polit-Reinfall mit Ansage, der weitreichende Folgen hat“. Innensenator Andreas Geisel habe dieses Eigentor selbst zu verschulden, da er mittels seiner eigenen Kommunikationspolitik den begründeten Eindruck erweckt habe, der Infektionsschutz wäre als Begründung für das Verbot nur vorgeschoben und es habe sich stattdessen um eine politisch motivierte Entscheidung gehandelt.
Dass das Gericht die Behörde an den Vorrang von Auflagen erinnern musste, die man bemühen hätte müssen, bevor man ein Verbot ausspreche, komme „in der Schule einer Note sechs gleich“. Das Gericht habe die Arbeit übernehmen müssen, die zu erledigen Aufgabe der Behörde gewesen wäre.
Urteile beweisen funktionierende Gewaltenteilung
Der Berliner Senat habe mit seinem Vorgehen „nebenbei ihrer eigenen Polizei einen Bärendienst erwiesen“. Denn das ursprüngliche Verbot habe „den Organisatoren und ihren unappetitlichen Partnern vom rechtsextremen Rand enormen Zulauf gebracht“.
Die Wut auf den Staat in diesen Kreisen dürfte auch durch das Urteil des Verwaltungsgerichts nicht geringer werden, heißt es im Focus weiter. Allerdings sei das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts auch „der deutliche Beweis, dass Deutschland eine funktionierende Gewaltenteilung hat, auf die wir alle stolz sein können“. Die sei „ein Signal an diejenige, die genau dies in Zweifel ziehen, den Staat ablehnen und ihre Ablehnung auf ihrer fragwürdigen Demo am Samstag nun wohl zeigen dürfen“.
„Frage nach Rechtfertigung staatlicher Eingriffe muss erlaubt sein“
Silke Hasselmann spricht im „Deutschlandfunk Kultur“ im Zusammenhang mit der aufgehobenen Verfügung des Berliner Senats von einem Verbot, das „gesundheitspolitisch vermutlich unerheblich, dafür aber politisch dumm und gesellschaftsklimatisch geradezu schädlich“ sei. Dass es um die Verhinderung einer politisch unerwünschten Kundgebung ging, sei angesichts der kommentierenden Begleitmusik mit Händen zu greifen gewesen. Für Pandemiepanik gäbe es keinen Anlass, es müsse zulässig sein, Fragen zu stellen:
„Die Frage, ob heute die staatlichen Eingriffe in unser Wirtschafts-, Kultur- und Privatleben in jedem Fall gerechtfertigt sind, muss erlaubt sein. Und seine Meinung dazu auch öffentlich kundzutun, muss erlaubt bleiben.“
Innensenator Geisel klagt unterdessen über ein „erhebliches Aggressionspotenzial“ der Gruppen, die hinter der Kundgebung stünden. Es seien, so erklärt er in Interviews, „nicht nur Zweifler unterwegs, sondern auch Rechtsextremisten, denen es um etwas ganz anderes geht als um Pandemiefragen“.
„Menschenfeindlicher Rechtsextremismus bei Demos“ – aber nichts Genaues weiß man nicht
Auch Peter Ullrich von der Technischen Universität Berlin spricht in der „Berliner Zeitung“ von einer „Inkarnation von rechtem, menschenfeindlichem Gedankengut“, die zwar von den Protagonisten der Kundgebung „so nicht explizit artikuliert, aber faktisch zelebriert“ werde. Dieses äußere sich in der demonstrativen Entschlossenheit, Schutzmaßnahmen für Leib und Leben Dritter im Zusammenhang mit den Corona-Maßnahmen zu missachten.
Dennoch solle man, so Ullrich, „in der Einschätzung dieser relativ neuen Protestbewegung vorsichtig sein“. Man verfüge bei anderen Bewegungen über Daten oder Befragungen, die eine Einschätzung über Herkunft und Motive der Demonstrierenden ermöglichten, im Fall der nunmehrigen Bewegung gegen die Corona-Maßnahmen habe man dies jedoch noch nicht.
Geisel hat Öl ins Feuer gegossen
Das Protestspektrum sei „ungewöhnlich, es entspricht keiner klassischen Komposition“. Man sehe alles „von barfüßigen Hippies in bunten Kleidern bis hin zu strammen Neonazis und Hooligans“. Geisel habe jedoch den Zorn, der sich hinter den Aufrufen verberge, durch seine Kommentare verstärkt und Öl ins Feuer gegossen:
„Vielleicht hat dazu die unzulässige, politische Bewertung des Innensenators beigetragen. Man kann nicht, so wie Innensenator Andreas Geisel, bei einem Demonstrationsverbot auch eine inhaltliche Bewertung vornehmen. Das ist grundrechtlich hochproblematisch.“
Dass der Infektionsschutz nur eine vorgeschobene Begründung für das ursprüngliche Verbot sein sollte, davon ist auch der Publizist Boris Reitschuster überzeugt. Er berichtet von einer Demonstration linksextremer Gruppen wie der Antifa, die sich am Freitag vor dem Restaurant des Starkochs und Corona-Verschwörungsideologen Attila Hildmann zugetragen hatte.
Ähnlich wie bereits im Fall der „Black Lives Matter“-Kundgebung im Juni hätten die Teilnehmer keine Abstandsbestimmungen eingehalten. Die Polizei sei diesbezüglich jedoch nicht eingeschritten.
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