Sieg für die Pressefreiheit: Gericht untersagt Kooperation von Google und Spahn
Das Landgericht München I hat eine Kooperation des Bundesgesundheitsministeriums mit dem Internetkonzern Google bei Informationsangeboten vorläufig untersagt.
Das Gericht bewertete es in einer Entscheidung vom Mittwoch als Kartellverstoß, bei der Google-Suche nach Krankheiten prominent hervorgehobene Infoboxen anzuzeigen, die aus Inhalten des Gesundheitsportals des Ministeriums gespeist und mit diesem Portal verlinkt sind.
Gegen die Kooperation hatte der Betreiber des Onlineportals NetDoktor.de wegen Verstößen gegen das Wettbewerbs- und Kartellrecht geklagt.
Die Zivilkammer des Landgerichts gab zwei Eilanträgen des Betreibers im Wesentlichen statt. „Das Bundesministerium für Gesundheit ist mit Google eine Vereinbarung eingegangen, die eine Beschränkung des Wettbewerbs auf dem Markt für Gesundheitsportale bewirkt“, erklärte die Vorsitzende Richterin Gesa Lutz zur Begründung.
Die prominent platzierten Informationsboxen seien für private Anbieter wie NetDoktor.de nicht zugänglich und schränkten ihre Sichtbarkeit somit stark ein. „Dies führt zu einer Verringerung des Nutzeraufkommens bei NetDoktor und damit potenziell auch zu einem Verlust von Werbeeinnahmen“, erklärte Lutz weiter.
Auch positive Effekte der Kooperation wie die Verbesserung der Gesundheitsaufklärung oder weniger Suchaufwand für die Nutzer rechtfertigen nach Ansicht des Gerichts keine Ausnahme. Es bestehe die Möglichkeit einer Verdrängung privater Anbieter und somit eine „Reduzierung der Medien- und Meinungsvielfalt“.
Das Gericht gab den Eilanträgen auch deshalb statt, weil NetDoktor.de seit Beginn der Kooperation des Ministeriums mit Google bereits geringere Klickraten bei einigen besonders häufig gesuchten Krankheiten zu verzeichnen hatte. Den zu befürchtenden Verlust von Werbeeinnahmen müsse das Portal nicht abwarten, um gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Kooperation seit 11. November
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und Google hatten am 11. November eine Kooperation verkündet. Danach soll Google die vom Bundesministerium herausgegebene und finanzierte redaktionelle Berichterstattung über Gesundheitsfragen in seiner Monopolsuche privilegiert vor den entsprechenden Angeboten der Presseverlage anzeigen.
Der Verband Deutscher Zeitungsverleger (VDZ) reagiert bereits kurze Zeit später mit scharfer Kritik auf das Vorhaben des Bundesministeriums für Gesundheit, sein Gesundheitsportal privilegiert durch Google zu verbreiten. Der VDZ sah in dieser Kooperation staatlicher Medientätigkeit mit dem Suchmonopol eine Verletzung von Mediengrundrechten:
„Schon dass ein Bundesministerium überhaupt ein eigenes Fachmedium mit vollwertiger redaktioneller Berichterstattung über Gesundheitsfragen betreibt, ist mit der Staatsfreiheit der Medien nicht vereinbar und ein unannehmbarer Eingriff in den freien Pressemarkt, der sich nach wirtschaftlichen Grundsätzen finanzieren muss“, erklärte Dr. Rudolf Thiemann, Präsident der Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger und geschäftsführender Gesellschafter der Liborius-Verlagsgruppe.“
Und weiter: „Nun aber lässt das Bundesgesundheitsministerium seine Gesundheitsberichterstattung auch noch durch das Quasi-Suchmonopol an allen Verlagsangeboten vorbei privilegiert verbreiten. Eine solche Verdrängung der privaten Presse durch ein staatliches Medienangebot auf einer digitalen Megaplattform ist ein einmaliger und neuartiger Angriff auf die Pressefreiheit.“
Auch der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger e.V. (BDZV) hat eine Kooperation des Gesundheitsministeriums mit dem Suchmaschinenkonzern Google nachdrücklich kritisiert. Demnach verbreitet das Bundesministerium sein Gesundheitsportal privilegiert und hervorgehoben durch Google. „Es stärkt damit die quasimonopolistische Stellung des Suchmaschinenkonzerns zu Lasten kleinerer Anbieter“, sagte BDZV-Hauptgeschäftsführer Dietmar Wolff.
Staatliche Medien in freiheitlichen Demokratien verboten
Zum Hintergrund: In freiheitlichen Demokratien sind staatliche Medien verboten. Deshalb untersagt es auch das Grundgesetz der Bundesregierung, Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunksender oder entsprechende digitale Medien zu betreiben, zu besitzen oder zu kontrollieren.
Zulässig ist allein die Öffentlichkeitsinformation über Regierungshandeln, keinesfalls aber eine vollwertige redaktionelle Berichterstattung, wie sie das vom Bundesministerium für Gesundheit herausgegebene und verantwortete Portal mit einer aus Fachredakteurinnen und freiberuflichen Autorinnen bestehenden Redaktion herausgibt. (Mit Material von afp/ks)
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