Gerhard Schröder bezeichnet Grass als „väterlichen Freund“

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Günter GrassFoto: über dts Nachrichtenagentur
Epoch Times13. April 2015

Altbundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat den verstorbenen Schriftsteller und Nobelpreisträger Günter Grass als „größten deutschen Schriftsteller unserer Zeit“ gewürdigt. In einem Namensartikel für „Bild“ (Dienstag) schrieb Schröder: „Ich verliere einen väterlichen Freund, der mir mehr als drei Jahrzehnte lang ein kluger Gesprächspartner, aber vor allem ein kritischer Ratgeber war. Seine Unbeugsamkeit, sein Mut, sein Sinn für Gerechtigkeit und seine Klugheit haben mich von Anfang an beeindruckt.“

Schröder erinnerte an seine erste Begegnung mit dem Schriftsteller Anfang der 80er Jahre: „Zusammen mit Willy Brandt sowie vielen anderen Künstlern war er 1985 ins niedersächsische Wendland gekommen, um mich in meinem ersten Wahlkampf zu unterstützen. Seine Worte von damals habe ich nie vergessen: Der Kandidat – also ich – habe noch viel zu lernen. Womit er nicht Unrecht hatte.“ Der Alt-Bundeskanzler fügte hinzu: „Günter Grass war ein kluger Beobachter und konnte messerscharf analysieren. Wir waren nicht immer einer Meinung, aber die Auseinandersetzungen mit ihm waren ein intellektuelles Vergnügen. Auf die Weise hat er mich herausgefordert, meine Argumente zu schärfen. Günter Grass war ein sehr politischer Kopf, ein gesellschaftskritischer Künstler, ein unbequemer Zeitgenosse, der die Bruchstellen der deutschen Geschichte immer wieder offenlegte. So lassen sich seine gesellschaftskritischen Romane und Erzählungen auch als Diagnosen seiner und unserer Zeit begreifen. Mit ihnen kämpfte er gegen das weit verbreitete Verdrängen in der Nachkriegsgesellschaft. So hat er mit seinem Roman „Die Blechtrommel“ dem Land den Spiegel vorgehalten.“ Schröder weiter: „Günter Grass hat mit seinem Werk wichtige Debatten in Deutschland angestoßen. Dabei hat er heftige Kritik ertragen müssen, die er als sehr verletzend empfand. Und oft war diese Kritik auch ungerechtfertigt. Manch Urteil der Medien, die voreilig über ihn den Stab brachen, hat ihn zutiefst enttäuscht. Dabei hat Grass sich selbst nicht geschont. Er hat sich nicht gescheut, sein eigenes Handeln im nationalsozialistischen Deutschland herauszustellen. Es ging ihm um ein Schuldeingeständnis für viele Versäumnisse, aber auch um die Übernahme von Verantwortung. Das eigene Versagen sollte nicht vergessen werden, sondern als mahnendes Beispiel dienen. Insgesamt hat kein anderes Lebenswerk der deutschen Nachkriegsliteratur in gleichem Maße weltweite Anerkennung gefunden. Die Verleihung des Literatur-Nobelpreises 1999 ist dafür der herausragende Beleg. Günter Grass hat uns ein großartiges literarisches Werk hinterlassen. Und er hat einen wichtigen gesellschaftspolitischen Beitrag zur Selbstvergewisserung einer Nation und zum Umgang mit unserer Geschichte geleistet. Dafür sind wir ihm zutiefst dankbar.“

(dts Nachrichtenagentur)



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