Gendersprache: Fortschritt oder ideologisiertes Sprachkorsett?

In den vergangenen Jahren ist eine Diskussion über die sogenannte „inklusive“ Sprache in der Gesellschaft aufgekommen – und hat für reichlich Zündstoff gesorgt. Was für die einen der Weg zu mehr Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern sein soll, ist für die anderen künstliche, durch Ideologie getragene Sprachverhunzung.
«Sprache befindet sich in einem ständigen Wandel. Das muss sich auch im schulischen Unterricht abbilden können», heißt es von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).
Wer bin ich* (*männlich, weiblich, divers, lesbisch, schwul, bisexuell, trans, queer) und wenn ja, wie viele?Foto: Gregor Bauernfeind/dpa
Von 11. Juni 2023

Mittlerweile beschallen immer mehr Medien mit Gendersternchen, abgehackten Kunstpausen und Wortschöpfungen mit angehängten -Innen. An immer mehr deutschen Universitäten gibt es inzwischen Punktabzug für Studenten, wenn diese nicht gendern wollen.

Der Ursprung ist in den 1970er- und 1980er-Jahren zu finden, als Frauenbewegung und LGBTQ-Aktivisten verstärkt darauf drängten, Geschlechterfragen und Geschlechterungleichheit in den Fokus zu rücken, voran an den Universitäten in den USA. Das sollte zu einer (geschlechter)gerechteren Gesellschaft beitragen, in der Chancen gleich verteilt sind, unabhängig von tradierten Rollenmustern und diskriminierungsfrei.

Sprache als Abbild der Gesellschaft oder umgekehrt?

Gendern durchdringt mittlerweile nicht nur die Bildungseinrichtungen, auch Wirtschaft und Politik ziehen mit. Symbolhafter Akt für den Start dieses Trends ist die unter der Schirmherrschaft von Bundeskanzlerin Merkel im Jahr 2006 veröffentlichte Selbstverpflichtung „Charta der Vielfalt“, bei der es um Diversität in Bezug auf Nationalität, Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexueller Orientierung und Identität geht. Hier haben Wirtschaftsunternehmen, Behörden, soziale sowie akademische Einrichtungen Konsens erklärt.

Seitdem wird – speziell auch in der Politik – die Gender-Debatte zunehmend befeuert. Im Sommer 2021 kündigte Annalena Baerbock an, dass das Einführen von gendergerechter Sprache bei Gesetzestexten ganz oben auf ihrer Agenda stehen würde, falls sie Kanzlerin werden würde.

Dieser Erfolg war der Grünen nicht beschieden, sie wurde „nur“ Außenministerin. In dieser Position verkündete Annalena Baerbock dann eine feministische Außenpolitik, deren Zehn-Punkte-Erklärung auszugsweise so klingt: „Wir entwickeln die feministische Außenpolitik im Dialog mit Zivilgesellschaft, Bürger*innen und internationalen Partner*innen weiter.“

Staatlich gewollt und finanziell gefördert

Vor allem die staatsnahen Medien sind mit auf den Zug gesprungen, sogar das Wort „Mutter“ wurde im ARD-Flaggschiff „Tagesschau“ vor Kurzem durch „Entbindende“ ersetzt. – Und dann nach einem Shitstorm wieder zurückgeändert.

Aber auch in einem Gesetzesentwurf der Familienministerin Lisa Paus, der nach der Geburt eines Kindes auch für den zweiten Elternteil zwei Wochen bezahlte Freistellung vorsieht, ist durchgehend von „entbindender Person“ und nicht mehr von Mutter die Rede.

Lisa Paus‘ Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) finanziert auch Projekte wie das Portal Genderleicht.de, wo unter dem Motto „Tipps für Journalisten“ den Kollegen die gewünschte und staatlich geförderte Umstellung auf Gendersprache nahegebracht werden soll: „Betrachten Sie die Umstellung auf geschlechtergerechte Sprache als Justierung Ihres journalistischen Handwerkszeugs: Journalismus soll Gesellschaft und Politik kritisch begleiten – und die Wirklichkeit abbilden, so gut es geht – mit stets treffenden Worten.“

Das Wichtigste: Tod dem generischen Maskulinum

Und diese neue, „diskriminierungssensiblere“ Sprache hat Regeln: Das generische Maskulinum soll vermieden werden – wichtigste Regel –, um dadurch Frauen sichtbarer zu machen.

Dabei sind es wohl die neutralen Formulierungen, also geschlechtsneutrale Schreibweisen, die am wenigsten den Schreib- beziehungsweise Redefluss unterbrechen. Jemand ist in dem Fall nicht Lehrer, sondern Lehrender. Aus Student wird der Studierende.

Partizipien beschreiben allerdings meistens eine Tätigkeit, die gerade ausgeführt wird. Dieser Aspekt geht hier verloren. Denn: Der ordentlich gegenderte Studierende bleibt dann abends in der Kneipe ein solcher, oder wird er zum Trinkenden? Fragen wie diese bleiben bei dem Konzept bislang offen.

Zwei Geschlechter einfach zu wenig

Aus Patient wird der Patient oder die Patientin beziehungsweise Patient/Patientin. Hier wird bemängelt, dass nur zwei Geschlechter abgebildet werden. Davon gibt es aber unendlich viele, mit denen sich das Gegenüber identifizieren kann. Und dafür gibt es dann Sonderzeichen: Gendersternchen, Doppelpunkt, Unterstrich oder das Binnen-I.

Das Gendersternchen als eines der am häufigsten verwendeten Sonderzeichen soll alle Geschlechter symbolisieren, die durch die gewöhnliche Grammatik nicht abgebildet werden: Das sieht dann so aus: ein*e Minister*in.

Aber auch Gendern mit Doppelpunkt inkludiert mehr als ein Geschlecht, das wäre dann ein:e Minister:in. Alternativ dazu geht auch der Unterstrich, der „Gender-Gap“. Das sieht dann so aus: die Beobachter_innen oder das Gleiche mit Binnen-I: BeobachterInnen, was aber auch wieder nur zwei Geschlechter abbildet.

Die verkürzte Doppelnennung mit Schrägstrich ist übrigens die einzige Genderschreibweise mit einem Sonderzeichen, die von den amtlichen Rechtschreibregeln abgedeckt ist. Das ist dann beispielsweise der/die Radfahrer/-in oder ein/-e Sportler/-in.

Der Duden zieht mit am Genderstrang

Das bestätigt auch der Duden, der seit 1980 über die deutsche Sprache und ihre Regeln wacht, in seiner Rubrik über geschlechtergerechten Sprachgebrauch. Und „adelt“ das vom BMFSFJ geförderte Projekt, wie sich www.genderleicht.de freut: „Denn ausgerechnet dort, wo wir jederzeit richtiges und korrektes Deutsch nachlesen können, erscheint am 17. Januar das Buch ‚Genderleicht. Wie Sprache für alle elegant gelingt‘.“

Der Online-Duden wurde seit 2021 umgeschrieben. Zu 12.000 Artikeln über Personen- und Berufsbezeichnungen ist jeweils ein zweiter hinzugekommen. So stellt das Wörterbuch beispielsweise den „Reiter“ nicht mehr als „jemand, der reitet“ vor, sondern als „männliche Person, die reitet“. Entsprechend lautet die Bedeutung von „Reiterin“ jetzt „weibliche Person, die reitet“.

Ontam, Tonkel oder Tatonkel? Dadaistisches Sprachwirrwarr

Wen das schon in Irritationen oder gar in die Verwirrung schickt, der ist noch lange nicht bei den neuesten Projekten des Gender-Neusprech angelangt. Immer wieder machen genderfreie Wortschöpfungen die Runde.

Anfang 2021 stellte Lann Hornscheidt, auch Antje Lann Hornscheidt, sich selbst als genderfrei (eine nichtbinäre Geschlechtsidentität: gender-neutral) verstehend, im „Praxis-Handbuch für Gender und Sprache“ das Pronomen und die Endung „ens“ als „genderfreie“ Neuschöpfung vor und kam damit sogar bis in die Tagesthemen. Wem das auf den ersten Blick nicht schlüssig ist: Ens ist der Mittelteil aus ‚Mensch‘.

Von sich reden machte Hornscheid in den sozialen Medien, als eine Seite aus dem „Praxis-Handbuch für Gender und Sprache“ auf Twitter kursierte, siehe hier:

Screenshot: Correctiv

Denn jetzt reicht die geschlechterneutrale Formulierung nicht mehr. Es werden erweiternd, laut Hornscheidt aber alles nur Empfehlungen und nicht verpflichtend, genderinklusive (auch ex-gendernde) Sprachvarianten vorgeschlagen:

Aus Tante/Onkel werden dann das geschlechterneutrale „Elterngeschwister“, weitergehend dann unter genderinklusiven Sprachvarianten sind die folgenden Vorschläge zu finden: „Onte“, „Tatonkel“, „Tonkel“, „Kel“, „Tel“ und „Ontam“. Am Beispiel Mutter hier noch einmal: Genderneutral heißt Mutter jetzt „des Eltens/Co-Eltens“ und dann sind als geschlechterinklusive Begriffe unter anderem aufgeführt: „Mapa“, „Mema“, „Peeta“ bis hin zu „ex Eltex“.

Vom „Prof. Dr.“ über „Profex Dex“ zum „Prof.ens Dr.ens“

Für Hornscheidt sieht es in der eigenen Berufspraxis dann so aus: Nach der jahrelangen Selbstbezeichnung als „Profex Drex“ (Prof. Dr.), – bis 2016 hatte Hornscheidt eine Professur für Gender Studies am Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien der Humboldt-Universität zu Berlin inne –, verwendet Hornscheidt seit April 2021 die neue Endung -ens: „Prof.ens Dr.ens.“

Mittlerweile wird an zehn deutschen Universitäten Gender Studies als Studienfach angeboten, aktuell gibt es 146 Genderprofessuren an Universitäten und 50 an Fachhochschulen, insgesamt fast gleichauf mit der Anzahl der Pharmazieprofessuren (191).

Nicht wichtig: Dem Volke aufs Maul geschaut

Der Zug der gendergerechten Sprache durch Bildungseinrichtungen, Behörden und öffentlich-rechtliche Medien steht im Gegensatz dazu, dass immer mehr Deutsche diese gendergerechte Sprache offenbar gar nicht oder immer weniger für wichtig halten.

Beispielhaft ist die kürzlich erhobene Umfrage von Infratest dimap, in deren Ergebnis 41 Prozent die geschlechtersensible Sprache als „gar nicht wichtig“ bezeichneten und 21 Prozent als „weniger wichtig“ – also zwei Drittel der Befragten in der Studie, die vom WDR beauftragt wurde. Im Oktober 2020 hatten in einer ähnlichen Studie nur 30 Prozent der Befragten gendergerechte Sprache als „gar nicht wichtig“ bezeichnet.

Innerhalb von nur gut zwei Jahren hat sich also der Anteil derjenigen, denen das Genre einfach nicht wichtig ist, verdoppelt. Hierbei gibt es kaum Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Aber: Jüngeren Menschen ist das Thema offenbar wichtiger als älteren.

Zum Vergleich: 43 Prozent der jüngeren Umfrageteilnehmer (14 bis 29 Jahre) ist geschlechtergerechte Sprache wichtig, 68 Prozent der Älteren (50 bis 59 Jahre) ist es weniger bis gar nicht wichtig.



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