Gegner wie Befürworter der Kreditpakete sprechen von „historischem Tag“

Nach der Verabschiedung der Grundgesetzänderungen am 18. März 2025 zur Aufnahme neuer Staatsschulden in Billionenhöhe gibt es viel Kritik, aber auch Lob für den Vorstoß, den die wahrscheinlich nächsten Regierungsparteien CDU/CSU und SPD inmitten ihrer Koalitionsgespräche durchgesetzt hatten.
Die AfD-Co-Parteichefin und Co-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel sprach in einer Pressekonferenz von einem „historischen Tag“: „Bei SPD und Grünen knallen die Korken, denn sie können jetzt so viel Geld ausgeben für Programme, die sie als Regierungsparteien nicht haben umsetzen können.“
AfD kritisiert „komplett gegenteiliges Programm“
CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz habe die „übelste Wählertäuschung, die ich in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bisher gesehen habe,“ begangen, so Weidel. Obwohl die Bürger mehrheitlich für eine „Mitte-rechts-Regierung“ und für einen „politischen bürgerlichen Wandel“ gestimmt hätten, setze Merz, gemessen an seinen Wahlversprechen, nun ein „komplett gegenteiliges Programm“ um.
Den jüngeren Generationen, Verbrauchern und Steuerzahlen werde das „enorm auf die Füße fallen“, sagte Weidel voraus. Die finanzpolitische Stabilität Deutschlands und des Euroraums werde damit komplett abgeschafft. Es werde „enorme Verwerfungen auf den Kreditmärkten“ geben – einschließlich Verlust des AAA-Rankings, steigender Zinsen, Inflation und „exorbitanter Mehrausgaben in den Haushalten“. Das werde auf die „deutlich unsolider dastehenden“ übrigen Eurostaaten „überschwappen“:
Dementsprechend ist das der Todesstoß für den Euro, der in den nächsten Jahren eklatant abwerten wird.“
Ihr Co-Parteichef Tino Chrupalla sprach von „Wählerbetrug“. Merz habe „mit alten Mehrheiten des abgewählten Bundestags eine nie da gewesene Schuldenorgie in Gang gesetzt“, obwohl sich der neue Bundestag schon hätte konstituieren können. Zudem werde die „Kriegswirtschaft angeheizt“.
Insgesamt werde es unter Merz bloß ein „Weiter so dieser Ampelpolitik“ geben, prognostizierte Chrupalla (Video auf YouTube).
FDP und Linke kündigen Widerstand an
„Wenn man erst mal dem Staat das Geld gibt, dann kommen nicht die Reformen“, befürchtete Otto Fricke, einer der scheidenden Bundestagsabgeordneten der FDP, im Interview mit der Epoch Times.
Seine Partei kündigte auf ihrem X-Account zudem eine Klage gegen die Grundgesetzänderung an. Die FDP-Fraktionen mehrerer Länder würden „einen Antrag auf einstweilige Anordnung bei den jeweiligen Landesverfassungsgerichten einreichen“.
Jan van Aken, der Co-Vorsitzende der Linken, kritisierte auf seinem X-Kanal speziell SPD und Grüne dafür, „einen zentralen Fehler der Ampel“ zu wiederholen: „Sie geben Milliarden für Rüstung & vermeintlichen Klimaschutz aus, ohne einen Cent für sozialen Ausgleich einzuplanen. Das werden wir nicht hinnehmen.“
SPD: „Meilenstein für die Bundesrepublik Deutschland“
Die SPD-Abgeordnete Susanne Mittag zeigte sich gegenüber der Epoch Times trotz ihres Abschieds aus dem Plenarsaal erleichtert: „Wir sind froh, dass wir das hingekriegt haben“ (Video auf X).
Wir sind froh, dass wir das hingekriegt haben“, sagt Susanne Mittag (SPD) zur beschlossenen Grundgesetzänderung. „Wenn man erst mal dem Staat das Geld gibt, dann kommen nicht die Reformen“, sagt hingegen Otto Fricke (FDP). Beide haben es nicht in den neuen Bundestag geschafft. pic.twitter.com/nPMwI6R4gR
— Epoch Times Deutsch (@EpochTimesDE) March 18, 2025
Jochen Ott, der SPD-Fraktionschef im nordrhein-westfälischen Landtag, sprach gegenüber der „Rheinischen Post“ (RP) von einem „Meilenstein für die Bundesrepublik“. Sowohl die Wirtschaftskraft als auch der Sozialstaat würden profitieren. „Klar ist aber auch: Mehr Geld ins System geben, reicht nicht. Es muss auch effizienter eingesetzt werden“, mahnte Ott.
Notwendig sei die Schuldenerhöhung aus seiner Sicht, „weil wir die dringend benötigten Investitionen weder durch Einsparungen noch durch Steuererhöhungen finanzieren können“, so Ott. Er empfahl es als „vernünftig und gerecht, die Zinsen und Tilgungen durch höhere Steuern für Multimillionäre und Milliardäre zu finanzieren“. Seine Devise laute: „Tax the Rich!“, zu Deutsch: „Besteuere die Reichen.“
„Wirtschaftsweise“ Grimm übt Kritik, Wirtschaftsexperte Fues setzt auf Strukturreformen
Die „Wirtschaftsweise“ Prof. Veronika Grimm befürchtet, dass die nächste Bundesregierung deutlich weniger Reformdruck verspüren werde, weil mehr Geld zur Verfügung steht. Es sei eine „extrem riskante Wette“, den Reformbedarf durch Verschuldung immer weiter hinauszuschieben, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.
Prof. Clemens Fuest dagegen, der Präsident des Münchner ifo Instituts, bezeichnete den Bundestagsentscheid auf X als „entscheidend für die Sicherheit und Widerstandsfähigkeit Deutschlands und Europas“. Das Ja zu mehr Schulden müsse nun „durch Strukturreformen und eine überzeugende Strategie für den Verteidigungs- und Infrastrukturausbau ergänzt werden“.
Prof. Moritz Schularick, der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), äußerte sich gegenüber der RP ähnlich. Er lobte den Beschluss als „Grundlage für substanzielle Investitionen in die Sicherheitsarchitektur Deutschlands und Europas“. „Die Geschichte hat uns gezeigt, dass für eine kurzfristige, deutliche Erhöhung der Verteidigungsausgaben Kredite das Mittel der Wahl sind“, argumentierte Schularick. „Größere Umschichtungen im Haushalt“ seien „erst mittel- bis langfristig“ realistisch.
Kommunen fordern unbürokratische Mittelvergabe
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, André Berghegger, wünschte sich nach Angaben der Nachrichtenagentur DTS gegenüber der Funke-Mediengruppe, dass die Gelder aus dem 500 Milliarden schweren Investitionsvolumen „möglichst frei von Bürokratie und zusätzlichem Zeit- und Personalaufwand“ bei den Kommunen landen sollten. Diese sollten dann entscheiden, „welche Vorhaben wann und in welcher Reihenfolge angegangen werden“.
Den Investitionsrückstand allein auf kommunaler Ebene hatte Berghegger bereits vor einigen Tagen auf rund 186 Milliarden Euro beziffert.
Helmut Dedy, der Geschäftsführer des Städtetags NRW, nannte das „Sondervermögen“ Infrastruktur gegenüber der RP eine „Riesenchance auch für die NRW-Städte, damit wir endlich Schulen, Straßen und Brücken sanieren können“. Auch die Kinderbetreuung und der ÖPNV benötigten für Ausbau und Modernisierung mehr Geld. Er plädierte dafür, den Löwenanteil direkt an die Städte zu leiten. Dazu bedürfe es sehr einfacher und unbürokratischer Verfahren: „Am besten wären Pauschalen, damit wir flexibel und zügig genau das machen können, was vor Ort dringend gebraucht wird“, so Dedy laut RP.
Laut Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses (BT-Drucksache 20/15117, PDF) soll der nach der Coronazeit gestrichene Artikel 143 h des Grundgesetzes so geändert werden, dass 100 der insgesamt 500 Milliarden Euro aus dem künftigen Investitionssonderschuldentopf an die Länder gehen. Weitere 100 Milliarden sollen in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) fließen.
Macron: „Gute Nachricht für Deutschland und Europa“
Am Rande eines Treffens mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gratulierte der französische Staatspräsident Emmanuel Macron am Dienstag zu dem „historischen Votum“: „Das ist eine gute Nachricht für Deutschland und eine gute für Europa, weil sie mehr für Verteidigung und Investitionen bedeutet, und wir brauchen sie“.
Nach Informationen der „Welt“ traf sich Macron im Anschluss mit dem designierten neuen Kanzler Merz, um sogleich über einen Atomschirm und strategische Sicherheit zu sprechen (Video auf YouTube).
Nach der finalen Abstimmung im Bundestag liegt es nun am Bundesrat, die neuen Kreditpakete abzusegnen. Dessen Zustimmung muss am kommenden Freitag ebenfalls per Zweidrittelmehrheit aller Stimmen erfolgen. Das gilt nach der Rolle rückwärts von Bayerns Koalitionspartner Hubert Aiwanger (Freie Wähler) allerdings als sicher.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion