Gefahr im Klassenzimmer: Häufung islamistischer Zwischenfälle in Schulen festgestellt
Der Nahostkonflikt erreicht Deutschlands Schulen. Das legen zumindest Recherchen des SWR-Investigativformats „Vollbild“ nahe. Die Journalisten führten eine Umfrage unter den Innen- und Bildungsministern der Bundesländer durch, die zeigte, dass Fälle von Radikalisierungen von Schülern beobachtet werden. Auch wurde teilweise eine Zunahme von extremistischen Vorfällen an Schulen festgestellt, wie die Umfrage weiter ans Tageslicht förderte. Es war auch von einer angespannten Stimmung an Deutschlands Schulen die Rede.
Bombendrohungen gegen Schulen
So berichtete das hessische Bildungsministerium laut „Vollbild“ von einer deutlichen Zunahme islamistisch motivierter Vorfälle an Schulen: Seit 2018 sei es zu 15 solcher Vorfälle an Hessens Schulen gekommen, 14 davon im Jahr 2023. Elf Fälle davon stünden im „zeitlichen und sachlichen Zusammenhang“ mit dem Terrorangriff der Hamas. Sechs Meldungen beträfen davon anonyme Bombendrohungen gegen Schulen. 2024 seien die Fälle nach Angaben des Bildungsministeriums in Hessen wieder zurückgegangen.
Aus dem rheinland-pfälzischen Bildungsministerium hieß es auf „Vollbild“-Anfrage, dass eine „angespanntere und aufgeheiztere Stimmung“ nicht zu verkennen sei. Auch wenn dort kein genereller Anstieg gemeldet werde, habe es einzelne Amokdrohungen gegen Schulen mit Bezug auf den Nahostkonflikt gegeben.
In Schleswig-Holstein stellt man eine „leicht erhöhte Tendenz an islamistisch motivierten Aktivitäten fest, die im Kontext Schule auftreten“. Auch andere Bundesländer berichten nach Angaben des SWR-Sendeformats von einzelnen Radikalisierungsfällen.
Nahostthema als „Brandbeschleuniger“
So schreibt das Innenministerium in Brandenburg: „Der Nahostkonflikt wird weiterhin als Mobilisierungsthema und Brandbeschleuniger […] wirken.“ Es scheint aber durchaus Unterschiede zwischen den Ländern zu geben. So teilte Berlin mit, dass die Lage kurz nach dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober des letzten Jahres zunächst „angespannt“ gewesen sei, sich aber nun wieder „den Umständen entsprechend beruhigt“ habe.
Was unter dieser Formulierung zu verstehen ist, dazu äußert sich die Senatsverwaltung für Bildung in Berlin nicht. Andere Bundesländer antworteten nicht auf die Umfrage und manche Länder gaben an, dass sie islamistische Vorkommnisse an Schulen nicht erfassen würden.
Die SWR-Reportage berichtet weiter darüber, dass Lehrer und Sozialarbeiter immer wieder in ihrem Alltag erleben, dass junge Menschen anfällig für islamistisches Gedankengut sind. Die Reportage nennt als Beispiele dafür, dass Schüler die Hamas etwa als „Freiheitsbewegung“ bezeichnet oder im Unterricht Geschlechtertrennung eingefordert hätten.
Eine ehemalige Lehrerin aus Nordrhein-Westfalen berichtet über ihre Erfahrungen mit radikalisierten Jugendlichen: Mädchen und Jungen sollten getrennt Unterricht haben, Schwimmunterricht sei für Mädchen gar nicht gut. Mädchen sollten sich ab einem bestimmten Alter zu Hause aufhalten und auf die Rolle der Frau vorbereiten – das seien etwa Aussagen von Schülern gewesen, die der Ex-Lehrerin begegnet sind. Ein Schüler habe sich sogar geweigert, mit einem anderen zu sprechen. Seine Begründung: „Mit dem rede ich nicht, der ist ein Christ.“
Influencer radikalisieren auf Social Media
In der Reportage greifen die Macher auch die Gefahr durch islamistische Prediger und Influencer auf. „Das Gefahrenpotenzial islamistischer Influencer für junge Menschen, die sich im Bereich sozialer Medien bewegen, ist hoch“, sagt Martin Horbach, Referatsleiter Islamismus am Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg, im Interview. Die Entwicklungen machten dem Verfassungsschutz daher Sorge.
Eine neue Qualität der Gefahr, die von islamistischen Gruppen ausgeht, bestätigt auch der Leiter des Berliner Verfassungsschutzes, Michael Fischer. „Was jetzt neu ist, ist der Fokus und die Reichweite, die diese Gruppierungen erreichen können. Das hat sehr viel zu tun mit dem Nahostkonflikt und den Ereignissen, die wir seit dem schrecklichen Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober letzten Jahres haben sehen können“, so Fischer.
Ein Experiment, das der Extremismusforscher Navid Wali vom „Violence Prevention Netzwerk“ gemeinsam mit „Vollbild“ durchgeführt hat, zeigt auf, wie leicht es ist, mit islamistischen Inhalten in Berührung zu kommen. Nachgestellt wurde in der Reportage ein vorgeblich Minderjähriger, der sich für religiöse Fragen des Islam interessiert und schnell auf sozialen Netzwerken wie beispielsweise TikTok in Kontakt mit radikalen islamistischen Inhalten kommt.
„Der Erstkontakt entsteht natürlich nie durch extremistische Inhalte, sondern eben durch ein allgemein theologisches Angebot. Die auf den ersten Blick auch natürlich unproblematisch und erst mal harmlos wirken“, sagt Wali in der Reportage. Doch innerhalb weniger Minuten wird ein scheinbar unverfängliches Gebetstutorial angezeigt, in dem der Extremismusforscher Wali einen bekannten Akteur der salafistischen Szene entdeckt.
Islamistische Influencer würden das „Momentum des Nahostkonfliktes“ bewusst nutzen, um Jugendliche mit radikalen Forderungen zu erreichen, warnt der Extremismusforscher.
Als Beispiel nennt Wali die vom Verfassungsschutz beobachtete Gruppierung „Muslim Interaktiv“. Die islamistische Gruppierung machte in diesem Frühjahr mit Kalifatsforderungen auf einer Demonstration in Hamburg von sich reden. Im Internet tritt die Gruppe mit Propagandavideos auf, die an Musikvideos erinnern. „Deswegen auch diese Pop- und Hip-Hop-Elemente, diese sehr nahbare Art, auch von den Sprechern fast schon an Jugendsprache angepasst“, erklärt Navid Wali.
Medienkompetenz an Schulen vernachlässigt
Der Forscher beklagt die Medienkompetenz an Schulen, die nach seiner Meinung vernachlässigt werde. „Was es aber geben müsste, ist, dass man zum Beispiel gemeinsam mit Leuten, die in der Medienpädagogik mehr Erfahrung haben, über diese Videos schaut […] kurz auch mal kritisch hinterfragt, gemeinsam darüber Diskussionen führt“, so Wali.
In der Umfrage von „Vollbild“ geben die Bundesländer an, dass sie das Thema Medienkompetenz ernst nehmen würden. Wenn es aber um ein eigenes Unterrichtsfach zum Thema Medienkompetenz an den Schulen geht, dann sind die Vorstellungen offenbar doch unterschiedlich. Während Hessen auf eine geplante Bündelung in einem eigenständigen Schulfach verweist, beschreibt das Kultusministerium Sachsen eine Bündelung als „lebensfremd“.
Die Staatssekretärin im baden-württembergischen Kultusministerium, Sandra Boser (Die Grünen), sieht im Kampf gegen die Radikalisierung junger Menschen eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Der Schule käme dabei ein „zentrale Rolle“ zu, sie könne das Problem aber nicht allein lösen. „Schule kann sicher nicht alles leisten. Da spielen unsere Vereine eine genauso große Rolle wie Schule, wie das Elternhaus. Demokratie muss immer wieder erlernt werden“, so Boser.
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