Gefälschte CO₂-Zertifikate: Umweltministerin Steffi Lemke steht Rede, gibt aber wenige Antworten

Der Umweltausschuss des Deutschen Bundestages hat sich erneut mit gefälschten CO₂-Projekten beschäftigt. Die grüne Umweltministerin Steffi Lemke gab laut Union keine zufriedenstellenden Antworten, die Licht in den wachsenden Skandal mit Milliardenbetrug bringen könnte. In Kürze soll eine Sondersitzung des Bundestages zum Thema stattfinden.
Bundesumweltministerin Lemke verkündet sofortigen Stopp von Klimaschutzprojekten
Bundesumweltministerin Lemke (Archiv) hat im Umweltausschuss des Deutschen Bundestages Auskunft gegeben.Foto: Britta Pedersen/dpa
Von 4. Juli 2024

Die CDU/CSU-Fraktion hatte die Umweltministerin in die Sitzung des Umweltausschusses geladen, um zu erklären, wie es zu den Versäumnissen bei den Kontrollen der Klimaschutzprojekte in China kommen konnte, die sich als Fake erwiesen haben. Auf diese Fragen hat es auch in der Sitzung am 3. Juli keine zufriedenstellenden Antworten gegeben, obwohl die Grünen-Politikerin vor dem Ausschuss erschienen war.

Union fordert Aufklärung: Was wusste Umweltministerin Lemke?

Die Grünen-Politikerin räumte laut „Tagesschau.de“ auf der Sitzung ein, dass die Kontrolle der Aktivitäten nicht an jeder Stelle funktioniert habe. Es sei ein Fehler der Vorgängerregierung aus Union und SPD gewesen, dieses betrugsanfällige System überhaupt einzuführen.

„Zu viele Fragen sind bei der Aufklärung des mutmaßlichen CO₂-Betrugs bei Klimaschutzprojekten in China noch unbeantwortet“, hatte die umweltpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, Anja Weisgerber, die Einberufung der zweiten Sitzung angekündigt. Es sei immer noch unverständlich, warum das Umweltbundesamt als Vollzugsbehörde so spät aufgewacht sei. „Auch die Rolle von Bundesministerin Steffi Lemke muss unter die Lupe genommen werden. Seit wann wusste sie von den Unregelmäßigkeiten? Und wie will sie nun mit nachweislich zu Unrecht erteilten CO₂-Gutschriften umgehen?“

CDU-Umweltexperte Christian Hirte bemängelte kurz nach Ende der Befragung der Umweltministerin gegenüber Epoch Times: „Frau Lemke ist zwar vor dem Ausschuss erschienen, hat aber, das kann ich für mich sagen, keine meiner Fragen beantwortet, sodass aus unserer Sicht die kritischen Punkte, die von uns ins Feld geführt wurden, alle noch offen sind.“

Es ging insbesondere darum, wer wann Kenntnis hatte, ob und wie die Verantwortlichen sich mit den Hinweisgebern auseinandergesetzt haben und welche Maßnahmen sie ergriffen haben. Unbeantwortet sei auch die Frage, wie der Austausch der Kenntnisse von Hinweisgebern und Medienrecherchen mit dem Umweltbundesamt und Umweltministerium erfolgt ist, um daraus Konsequenzen ziehen zu können. „Darauf ist jeweils keinerlei Antwort erfolgt“, so der Unionspolitiker. Hirte zieht den Schluss: „Offenkundig, weil die Antworten unschön fürs Ministerium wären.“

Neben der Union hatten in der Fraktionsrunde auch die SPD, die Grünen, die FDP und die AfD Fragen an die Ministerin gestellt. Lemke hat laut Hirte nur auf „die ihr wohl genehmen Fragen“ reagiert. Daher wird die Union noch eine Sondersitzung zur weiteren Befragung des Bundesumweltministeriums beantragen. Diese ist bereits für Freitagvormittag dieser Woche geplant.

Ganze Ökoprojekte gefälscht?

Das Deutsche Umweltministerium hat Klimaschutzprojekte in China finanziert und zertifiziert, die es gar nicht oder nicht in dieser Form gibt. Ein mutmaßlicher Betrug, bei dem ein Schaden von über vier Milliarden Euro entstanden ist, den unter anderem deutsche Autofahrer an der Zapfsäule finanzieren. Hinzu kommt ein immenser Vertrauensverlust in die Klimaschutzpolitik, der droht.

Neben dem mutmaßlichen Versagen deutscher Behörden und des Ministeriums ist die Mineralölbranche involviert und auch chinesische Behörden. Die Prüfung und Abnahme dieser „Fake“-Projekte wurde durch deutsche Zertifizierer wahrscheinlich im großen Stil gefälscht. Der Skandal könnte zum größten Betrugsfall in der deutschen Klimaschutzpolitik werden. „ZDF frontal“ hatte als Erstes darüber berichtet.

Das Prinzip dahinter

Hintergrund sind Betrugsvorwürfe rund um dort angesiedelte Projekte, mit denen Mineralölkonzerne in Deutschland ihre gesetzlich vorgegebenen Klimaziele erreichen können. Hierbei können die Konzerne ihre Treibhausgasquoten verbessern, wenn innerhalb der Lieferkette CO₂-Emissionen eingespart werden – auch im Ausland.

Sie können also Projekte, bei denen im Ölsektor Emissionen reduziert werden, finanzieren und bekommen Zertifikate für ihre Klimabilanz in Deutschland gutgeschrieben. Diese „Upstream Emission Reduction“-Projekte (UER) werden dann auf die Treibhausgasminderungsquote im Verkehr angerechnet. Genehmigt werden die Projekte vom Umweltbundesamt (UBA), einer dem Umweltministerium untergeordneten Behörde.

Amt: Indizien weisen klar auf ein Betrugsgeflecht hin

Nach Angaben des Umweltbundesamtes haben Nachprüfungen ergeben, dass von 60 Projekten in China rund 40 Projekte noch einmal intensiv untersucht werden müssten. Von dieser Dimension geht auch die Union aus. Wie es weiter heißt, gebe es bei zehn von diesen Projekten mittlerweile „besonders deutliche Hinweise, die einen Verdacht auf Betrug nahelegen“. Daher habe das UBA Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Berlin gestellt. Es gebe inzwischen Indizien, die klar auf ein Betrugsgeflecht hinwiesen. Mit anderen Worten: Deutsche Konzerne haben sich möglicherweise einen Klimaschutzbeitrag anrechnen lassen, den es nie gegeben hat – weil einige Projekte in China wohl gar nicht existiert haben.

UBA-Chef Dirk Messner sagte kürzlich der „Welt am Sonntag“, dass die China-Projekte vor Ort nicht von seinem Haus, sondern durch Zertifizierungsunternehmen überprüft würden. „Der Überprüfungsmechanismus basiert auf dem Vertrauen in die Verifizierer und Validierer“, sagte er. Das UBA komme hier „an die Grenzen der Nachweisbarkeit.“

Anrechnung wird vorzeitig beendet

Laut Messner hat das UBA Ende August 2023 erste Hinweise erhalten. Lemkes Ministerium wurde nach eigenen Angaben im letzten Quartal 2023 vom UBA über den Vorwurf von Unregelmäßigkeiten bei einem Projekt informiert. Ende Januar 2024 dann darüber, dass Marktteilnehmer Vorwürfe gegen mehrere Projekte erheben, sagte ein Ministeriumssprecher auf Anfrage. Das Ministerium habe daraufhin im Januar entschieden, die Anrechnung von UER zu beenden.

(Mit Material von dpa)



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