Gedenken, informieren, den Opfern einen Namen geben mit Polen-Denkmal in Berlin

Den anonymen Opfern will die Initiative für ein Polen-Denkmal in Berlin einen Namen geben. "Es geht um die Würdigung", betont Bingen, der Direktor des Deutschen Polen-Instituts. "Die Angehörigen der Opfer möchten ein Grab haben, einen Ort, wo sie einen Kranz niederlegen können.
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Die Fahnen von Deutschland und Polen.Foto: Patrick Pleul/dpa
Epoch Times30. August 2019

Wer der polnischen Opfer des Nationalsozialismus gedenken will, findet in Berlin keinen Platz, wo er einen Kranz niederlegen könnte. Anders als für die im zweiten Weltkrieg getöteten Juden, Homosexuellen, Sinti und Roma gibt es in der Hauptstadt kein Denkmal für rund sechs Millionen ermordete Polen. Eine Bürgerinitiative will das ändern. Unklar ist, welche Form so ein Gedenkort annehmen könnte. Wo verlaufen die Grenzen zwischen Gedenken, Mahnen und Informieren?

Es gehe darum, „deutlich zu machen, dass es noch an einer Geste gegenüber Polen fehlt“, sagt der Direktor des Deutschen Polen-Instituts, Dieter Bingen. Er ist einer der Köpfe hinter der Initiative, die sich seit 2017 für die Errichtung eines Polen-Denkmals im Zentrum von Berlin einsetzt. Als Standort schlagen die Initiatoren den Askanischen Platz vor.

Dort findet am 1. September – dem 80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen – eine Gedenkfeier statt. Vor der Ruine des ehemaligen Anhalter Bahnhofs werden Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) und die Präsidentin des polnischen Unterhauses, Elzbieta Witek, der Opfer gedenken.

Ein Denkmal würde dafür sorgen, dass auch im Alltag Menschen dort stehen bleiben und für einen Moment still werden. Bingen stellt sich das so vor: „Es ist ein sichtbares Mahnmal, das zum Nachdenken anregt, Aufmerksamkeit erregt und auch die Möglichkeit gibt, sich weiter zu informieren.“ Denn das Nachbarland hat in besonderer Weise unter der deutschen Vernichtungspolitik zur Zeit des Nationalsozialismus gelitten.

Den anonymen Opfern will die Initiative für ein Polen-Denkmal in Berlin einen Namen geben. „Es geht um die Würdigung“, betont Bingen. „Die Angehörigen der Opfer möchten ein Grab haben, einen Ort, wo sie einen Kranz niederlegen können – und wenn es nur ein symbolisches ist.“

Der polnische Botschafter in Berlin, Andrzej Przylebski, fordert ein größeres Bewusstsein in Deutschland für das Leiden der polnischen Bevölkerung im Zweiten Weltkrieg. „Polen war von Anfang an gegen Hitler, polnische Kämpfer haben die Nazis sechs Jahre bekämpft, nicht nur in Polen sondern auch in Russland und im Westen unter den Alliierten. Sie haben maßgeblich zur Beendigung des Krieges beigetragen“, sagt er.

Schon seit seinem Amtsantritt vor gut drei Jahren habe er sich für einen Gedenkort für polnische NS-Opfer in Berlin eingesetzt. Denn Polen nehme unter den Opfern des Zweiten Weltkriegs eine „Sonderrolle“ ein. „Das sollte alles honoriert werden, und deshalb wäre dieses Denkmal wichtig“, ergänzt Przylebski.

Der Forderung nach einem Mahnmal haben sich bereits 240 Bundestagsabgeordnete aller Fraktionen angeschlossen – mit Ausnahme der AfD. In den kommenden Monaten soll es nun darum gehen, eine Mehrheit im Bundestag zu suchen und ein Konzept für den Gedenkort zu erarbeiten.

Das ist nicht so einfach, denn es kursieren verschiedene Vorstellungen dazu. Kritiker wie etwa der SPD-Politiker Markus Meckel fordern, es müsse in erster Linie ein Dokumentationszentrum gebaut werden, das über die geschichtlichen Zusammenhänge der Ereignisse vor 80 Jahren informiert.

Felix Ackermann vom Deutschen Historischen Institut Warschau war einer der ersten, der die Initiative für ein Polen-Denkmal befürwortete. Doch auch er ist der Meinung, dass ein Mahnmal nicht ausreicht, um die Lücke in der deutschen Erinnerungslandschaft auszufüllen. „Ich glaube, vielen Deutschen fehlt das Wissen und das Verständnis dafür, wie asymmetrisch das Verhältnis zwischen Deutschland und Polen war und bis heute ist“, sagt Ackermann. Er schlägt ein Zentrum zur Information über die Ausbeutung Polens im Neubau des Berliner Schlosses vor.

Inmitten all der Bestrebungen zur Errichtung von Denkmälern und Informationsstätten dürfe jedoch auf keinen Fall eine Opfer-Konkurrenz entstehen: „Es geht nicht darum zu sagen, dass die deutsche Vernichtungspolitik an ethnischen Polen in derselben Weise ein Genozid war wie an den Juden“, betont Ackermann.

(afp)



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