VW-Dieselskandal geht vors BGH – Kläger-Anwalt rechnet mit „Signalwirkung“
Im Dieselskandal wird am Montag ein wegweisendes Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) erwartet. Das höchste deutsche Zivilgericht in Karlsruhe will dann erstmals über die Schadenersatzklage eines VW-Kunden entscheiden. Antworten auf die wichtigsten Fragen rund um einen Diesel-Prozess, der als zentral im Rechtsstreit um Schadenersatzansprüche wegen der unzulässigen Abschalteinrichtungen in Dieselautos gilt:
Klage eines Rentners aus Rheinland-Pfalz wird zum Pilotfall
Zum Pilotfall im Dieselskandal wurde die Klage eines Rentners aus Rheinland-Pfalz. Herbert Gilbert kaufte im Januar 2014 einen gebrauchten VW Sharan für 31.500 Euro. Eingebaut ist in den Wagen der Dieselmotor EA 189 – der Motorentyp, der im Zentrum des VW-Abgasskandals steht. Volkswagen hatte im September 2015 zugegeben, in weltweit elf Millionen Fahrzeugen eine illegale Software eingesetzt zu haben.
Gilbert will seinen Wagen zurückgeben und verlangt im Gegenzug vom Autobauer die Zahlung des Kaufpreises. Das Oberlandesgericht Koblenz sprach ihm im Juni 2019 fast 26.000 Euro Schadenersatz wegen „vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung“ zu. Allerdings zogen die Richter vom Komplettpreis damit einen Teil für die Nutzung des Wagens ab. Beide Seiten legten Revision vor dem Bundesgerichtshof ein.
Geschädigter soll sich Nutzungsentschädigung anrechnen lassen
In der mündlichen Verhandlung vor drei Wochen erläuterte der Vorsitzende Richter Stephan Seiters ausführlich die vorläufige Rechtsauffassung seines Senats. Dabei zeichnete sich eine eindeutige Tendenz ab: Der BGH dürfte grundsätzlich zu dem Schluss kommen, dass Kunden beim Kauf eines Wagens mit der unzulässigen Abschalteinrichtung ein Schaden entstanden ist.
Doch dies sagt noch nichts darüber aus, wieviel Geld ein Kunde bekommt. Es deutete sich nämlich auch an, dass sich die Kunden voraussichtlich eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen müssen. Wer also viele Kilometer gefahren ist, bekommt auch weniger Geld.
Die Anwälte Gilberts zeigten sich vor dem Urteil des BGH siegessicher. „Wir gehen davon aus, dass wir vor dem Bundesgerichtshof obsiegen werden“, sagte Claus Goldenstein, dessen Kanzlei den Kläger vertritt. Sven Bode vom Rechtsdienstleister Myright, der den Prozess finanziert, bezeichnete das sich abzeichnende Urteil als „Meilenstein“.
Allerdings räumte er auch ein, dass der zu erwartende Abzug für die Nutzung des Wagens ein „Wermutstropfen“ wäre. „Das kann für Kläger, die ihr Auto lange gefahren haben, bedeuten, dass sie zwar Recht bekommen, aber kein Geld“, sagte Bode. Bei der Berechnung werden Kaufpreis, bisherige Laufleistung und zu erwartende Gesamtlaufleistung berücksichtigt.
Urteil wird zentrale Rolle für die Klagen weiterer VW-Kunden haben
Die Bundesrichter entscheiden zwar offiziell nur über den Einzelfall, doch Land- und Oberlandesgerichte werden sich an dem Karlsruher Urteil orientieren. Es dürfte damit eine zentrale Rolle für die Klagen weiterer VW-Kunden haben. Laut VW sind noch rund 60.000 Verfahren anhängig. Zehntausende Kunden schlossen dagegen bereits einen Vergleich mit dem Konzern ab.
Allerdings werden auch mit dem Urteil am Montag noch nicht alle juristischen Fragen im Dieselskandal beantwortet sein. Der BGH werde sich noch nicht zur Verjährung von Klagen äußern, sagte Christian Brade von der Kanzlei Goldenstein. Offen sei auch noch, wie es mit Käufern aussieht, die nach Bekanntwerden des Skandals einen Wagen gekauft hätten.
Unterschiedlich eingeschätzt wird die Frage, ob das Urteil einen vorläufigen Schlusspunkt darstellt. VW zeigte sich im Vorfeld überzeugt, dass es kaum Anlass für neue Klagen geben werde. Es könne auch die zügige Beendigung vieler laufender Verfahren erleichtern.
Kläger-Anwalt rechnet mit „Signalwirkung“ für Klagen gegen andere Autobauer
Kläger-Anwalt Goldenstein erwartet dagegen, dass der Dieselskandal jetzt erst beginne: „Es werden noch viel mehr Käufer klagen, wenn sie nach dem BGH-Urteil wissen, dass sie dies ohne Risiko tun können.“ Er rechnet zudem mit einer „Signalwirkung“ für Klagen gegen andere Autobauer. Sein Kollege Christian Brade vermutet, dass der Skandal „die Gerichte bestimmt noch fünf Jahre beschäftigen wird“.
(afp)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion