Gauck fordert Pause im EU-Vereinigungsprozess
Bundespräsident Joachim Gauck hat sich dafür ausgesprochen, auf dem Weg des Zusammenwachsens in der Europäischen Union (EU) eine Pause einzulegen. „Wir haben mit der Europäischen Union ein großartiges Konzept entwickelt. Ein Friedensprojekt, von dem Generationen vor uns nicht mal zu träumen wagten“, sagte Gauck der „Welt am Sonntag“.
Auf dem Weg zu einer „immer engeren Vereinigung“ seien „wir manchmal so schnell, dass nicht alle Bürger mitkommen konnten oder wollten. Das bereitet mir Sorge“. Es sei hilfreich, wenn das Subsidiaritätsprinzip künftig noch stärker berücksichtigt werden könnte, damit auf nationaler Ebene geregelt werde, was dort geregelt werden könne. „Insgesamt sollten wir über eine Pause nachdenken, in der wir diskutieren, welches Ziel wir in welchem Tempo erreichen wollen.“ Es gehe ihm dabei nicht um Stillstand, sondern um Entschleunigung. „Ein Innehalten, um die Zustimmung der Bürger wiederzuerlangen, die derzeit so mit der EU hadern obwohl ein Teil von ihnen in Staaten lebt, die auch finanziell enorm von der EU profitieren.“ Es gehe darum, dass die Bevölkerungen der EU-Länder überzeugt sein sollten, dass ein vereinigtes Europa für Frieden, Freiheit, Sicherheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit stehe. Skeptiker und Misstrauische mitzunehmen, sei eine wesentliche Aufgabe europäischer Politik. „Darin sehe ich eine zentrale Verantwortung Deutschlands, denn wir sind ein sehr starker Anwalt Europas wegen unserer Vergangenheit, wegen unserer Größe und weil wir von der EU profitieren“, erklärte Gauck. „Wir müssen sagen: Unter den potenziellen Wählern der EU-Gegner gibt es Menschen, die wir EU-Befürworter noch erreichen können. Wir wollen nicht untergehen in einer Welle von anti-europäischem Populismus und das werden wir auch nicht.“ Für manche Menschen sei es schwer zu akzeptieren, dass sie, etwa im Zuge der europäischen Einigung oder in einer zunehmend globalisierten Welt, in immer größeren Aktionsräumen leben sollten, sagte der Bundespräsident. „Nicht jeder fühlt sich als Weltbürger.“ Offenbar habe das auch viele Wähler des künftigen US-Präsidenten Donald Trump beschäftigt. „Das Einverständnis von Eliten damit, dass die Welt zusammenwächst, überfordert manche Bürger. Und in Teilen der Gesellschaft ist das Bedürfnis, die Eliten abzustrafen, größer als die Bereitschaft, in thematische Debatten einzusteigen.“ Kluge Politik müsse das aufnehmen, ohne ihre Ziele aufzugeben. Einer der Gründe für das Hadern vieler Menschen mit der Globalisierung liege darin, dass sie sich in einer zunehmend komplexen Welt nicht richtig beheimatet fühlten. „Menschen brauchen Heimat, möchten irgendwo dazugehören.“ Mit diesem Grundbedürfnis nach Heimat hätten die Deutschen wegen ihrer Geschichte lange ziemliche Schwierigkeiten gehabt. „Das hat uns manchmal vielleicht übersehen lassen, dass ein Teil der Bevölkerung sich verloren vorkommt, angesichts des rasanten, umfassenden Wandels in der globalisierten Welt“, sagte Gauck. „In dieser globalisierten Welt, ebenso in einem vereinigten Europa bleibt Heimat möglich: Auch mit dieser Tatsache sollten wir für die EU werben.“ (dts)
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