Gauck: AfD ist eine Partei für Wutbürger – CDU in Thüringen soll Ramelow unterstützen

Die Zeit für ein "Mitregieren der AfD" ist laut Joachim Gauck noch nicht gekommen. Bislang könne man "als bürgerlicher Wähler doch nur in ihre Nähe geraten, wenn man aufgeladen ist mit Wut", sagte der frühere Bundespräsident.
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Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck.Foto: Friso Gentsch/dpa
Epoch Times8. November 2019

Der frühere Bundespräsident Joachim Gauck hat sich nach der Wahl in Thüringen dafür ausgesprochen, dass die Parteien der „demokratischen Mitte“ Thüringens Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke) unterstützen. „Parteien brauchen keine Ratschläge von mir“, sagte Gauck der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Samstagsausgabe). Aber der thüringische Ministerpräsident sei „nicht als Radikaler aufgefallen“.

Im Gegenteil: Er habe „auch Wähler angesprochen, die mit seiner Partei eigentlich wenig am Hut haben“, so der ehemalige Bundespräsident weiter. Wenn die „Parteien der demokratischen Mitte“ jetzt verträgliche Formen der Zusammenarbeit oder Tolerierung mit ihm fänden, halte er dies für „eher pragmatisch“.

In Thüringen wird nach der Landtagswahl noch immer nach einer Mehrheit für eine neue Regierung gesucht – in der CDU hat die Frage zu heftigen Diskussionen geführt, ob man Ramelow stützen oder auch mit der AfD reden sollte.

Gauck war bis 2017 Bundespräsident, bis zur deutschen Einheit arbeitete er als Pastor in Rostock und hielt im Wendeherbst 1989 viel beachtete Predigten in Rostocker Kirchen. Er fiel in den Jahren danach immer wieder auch mit scharfer Kritik an der heutigen Linkspartei auf.

Protestwähler mit Wutpotential?

Auf die Frage, ob er Parallelen sehe zwischen Linkspartei und AfD, antwortete der frühere Bundespräsident: „Klar sehe ich die, und zwar mit Blick auf die Protestwähler“. Es gebe eben „Reaktionäre in rot oder blau. Beide fördern ein Grundmisstrauen gegenüber der offenen Gesellschaft, die sie `System` schimpfen. Indem sie die Wutpotentiale nutzen, gewinnen sie Zuspruch“, so Gauck.

Mit Blick auf eine mögliche Regierungsbeteiligung der AfD sagte er unter Verweis auf andere Länder: „Unsere Rechtspopulisten sind noch nicht so weit, dass die anderen Parteien ihnen Mitwirkungsmöglichkeiten in Regierungsämtern einräumen dürften.“

Zudem habe die AfD keine Antwort auf die tatsächlichen Probleme, so der frühere Bundespräsident weiter. Außerdem sei aber die „Zeit für eine Mitregierung der AfD“ noch nicht gekommen.

„Im Gegenteil: Die Partei muss dringend klären, wofür sie eigentlich steht“, sagte Gauck der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Bislang könne man „als bürgerlicher Wähler doch nur in ihre Nähe geraten, wenn man aufgeladen ist mit Wut“, so der ehemalige Bundespräsident.

Aufstieg der AfD

Zudem machte Gauck die gegenwärtige Debattenkultur in Deutschland für den Aufstieg der AfD mitverantwortlich gemacht. „Ich habe gesehen, dass auch bei uns linksliberale Progressive ihre Wagenburg so gut panzern, dass sie bisweilen alles, was draußen ist, als Feind sehen“, sagte Gauck der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Samstagsausgabe). Nur tue die Gegenseite das auch, sodass niemand mehr mit der jeweils anderen Seite reden wolle.

„Das wissen Populisten für sich zu nutzen“, so der frühere Bundespräsident weiter. Zudem forderte er eine „argumentative Streitkultur“. „Wir lieben unsere politischen Verortungen und stecken dann bisweilen so in unserer Ideologie fest, dass ein anderer, der nur zwanzig Zentimeter neben uns steht, plötzlich ein Abweichler und Verräter ist“, sagte Gauck.

Damit aber verprelle man die, die noch ansprechbar für die Demokratie seien und die man zurückgewinnen müsse. „Wer rechts im Sinne von konservativ ist, muss selbstverständlich Teil des Debattenraums sein“, so der ehemalige Bundespräsident weiter. Er möge „keine Hysterie, diese Aufwallungskultur in Deutschland ist für mich keine überzeugende politische Haltung“, sagte Gauck der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. (dts)

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