Gaspreis fällt unter 100 Euro – Aufatmen in Europa

Erstmals seit Beginn des Ukraine-Krieges fällt der Gaspreis an der niederländischen Energiebörse auf unter 100 Euro. Das warme Wetter trägt seinen Teil dazu bei.
Gasspeicher Peißen
Der 2011 in Betrieb genommene Erdgasspeicher „UGS Katharina“ in Peißen, Sachsen-Anhalt.
Von 25. Oktober 2022

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Ein deutlicher Rückgang des Gaspreises hat nach Wochen der Angst für ein Aufatmen in Europa gesorgt. Dies zeigen die Daten des als Referenz geltenden Terminkontrakts TTF an der Energiebörse in den Niederlanden. Diesen zufolge ist der Gaspreis in Europa auf den niedrigsten Stand seit vier Monaten gesunken.

Am Montagmittag lag der Gaspreis bei 98,60 Euro und damit erstmals seit Juni unter 100 Euro. Am 7. März, wenige Tage nach dem Beginn des Ukraine-Krieges, hatte die Megawattstunde im europäischen Handel kurzfristig 345 Euro gekostet. Ende August lag der Preis immer noch bei 342 Euro.

Warmes Wetter – hohe Speicherfüllstände

Zur Entspannung tragen nach Einschätzung von Analysten unterschiedliche Faktoren bei. Einer ist das derzeitige Wetter in Europa. Nach mehreren Tagen eines Kälteeinbruchs im September ist der Oktober mild – und wird dies auch in seiner letzten Woche wohl noch bleiben.

Dem Magazin „Fortune“ zufolge könnte das milde Wetter auch noch bis in den kommenden Monat hinein anhalten. Dies zögert den Beginn der Heizsaison hinaus und schafft zusätzliche Zeit, um die Gasspeicher aufzufüllen. Dadurch könnten diese den nötigen Puffer für mögliche Kältephasen im Winter bieten.

Auch die Benchmark-Futures sind um bis zu 18 Prozent gefallen und liegen etwa 70 Prozent unter den Höchstständen vom August. Neben dem niederländischen Bezugswert ist auch der britische Frontmonats-Gaskontrakt um 14 Prozent gefallen. Der deutsche Referenzwert für das nächste Jahr hat zudem um 4,5 Prozent nachgegeben.

Aktienmärkte zeigen vorsichtigen Optimismus

Die Gasspeicher sind den Analysten zufolge im europäischen Schnitt zu über 93 Prozent voll. In Deutschland waren sie dem Portal Gas Infrastructure Europe (GIE) zufolge am Samstag (22.10.) sogar schon zu 97,1 Prozent gefüllt. Der gesetzliche Füllstand zum 1. November liegt bei 95 Prozent.

Auf den Aktienmarkt hat sich am Montag bereits vorsichtiger Optimismus ausgebreitet. Zeitweise kletterte der Dax erstmals seit Mitte September wieder über die Marke von 13.000 Punkten. Auftrieb kam von der ungebrochen guten Stimmung an der Wall Street. Der deutsche Leitindex schloss 1,58 Prozent höher bei 12.931,45 Punkten und baute damit das Plus der vergangenen Woche aus. Der MDax stieg zuletzt um 1,41 Prozent auf 23.241,83 Zähler.

„Bevor die Berichtssaison in den kommenden Tagen an Fahrt gewinnt und die Leitzinsentscheidung der EZB ansteht, ist die Grundstimmung am deutschen Aktienmarkt gut“, kommentierte Experte Frederik Altmann von Alpha Wertpapierhandel. Positiv wirkten hierzulande vor allem die wieder etwas rückläufigen Renditen am Anleihemarkt zusammen mit tieferen Gaspreisen.
Auch eine jüngst gehaltene Rede des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, in der dieser die Möglichkeit eines Friedens in der Ukraine ansprach, habe zur Zuversicht beigetragen.

Gaspreis immer noch dreimal so hoch wie Fünfjahresdurchschnitt

„Europa befindet sich derzeit in einer komfortablen Lage, was die Versorgung angeht“, äußerte Graham Freedman, Analyst beim Beratungsunternehmen Wood Mackenzie. Allerdings sei es noch zu früh für eine vollständige Entwarnung:

Die Risiken von Stromausfällen und Rationierungen nehmen ab. Aber der wirkliche Test wird sein, wenn wir kaltes Wetter haben.“

Immerhin liege der Gaspreis immer noch etwa dreimal so hoch wie der Fünfjahresdurchschnitt für diese Jahreszeit, und ein Kälteeinbruch könnte die Versorgungsunsicherheit schnell wieder erhöhen.

Unsicher ist, wie sich staatliche Unterstützungspakete auswirken werden. In Deutschland soll der geplante „Abwehrschirm“ neben der Bremse für den Gaspreis auch eine Strompreisbremse umfassen. Die Bundesregierung plant 200 Milliarden Euro zur Finanzierung der Maßnahmen ein.

Bloomberg Intelligence: „Europa wird den Winter wahrscheinlich überstehen“

In der Vorwoche haben auch die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union Entlastungsmaßnahmen für Unternehmen und Verbraucher beschlossen. Dazu gehören solche zur Begrenzung des Gaspreises für die Stromerzeugung und Maßnahmen zur Vermeidung extremer Stromspitzen. Die Energieminister der EU werden diese Woche zusammentreffen, um die Details weiter auszuarbeiten.

Die Forderungen der Mitgliedstaaten nach mehr Maßnahmen zum Schutz der Wirtschaft vor hohen Kosten werden zunehmend lauter. Demgegenüber warnt der Internationale Währungsfonds vor einer „toxischen Mischung“ aus rascher Inflation und schwächelndem Wachstum in der Region.

Patricia Alvarez, Analystin bei Bloomberg Intelligence, erklärt mit Blick auf die kommenden Monate:

Die hohen Lagerbestände und die Importe, die einen Teil der verlorenen russischen Lieferungen ersetzen, werden wahrscheinlich ausreichen, um einen normalen Winter zu überstehen.“

Habeck optimistisch mit Blick auf Winter 2023/24

Die Eindämmung der Nachfrage bleibe dennoch der Schlüssel, um die Auswirkungen weiterer russischer Gaskürzungen abzumildern. Bereits im Winter 2023/24 könnte Europa wieder vor ähnlichen Problemen stehen.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck widerspricht dieser Einschätzung. Im „Handelsblatt“ äußerte er, dass das Land im nächsten Winter viel besser dastehen werde als in diesem, da mehr LNG einströme.

Die Lieferungen aus Ländern wie Norwegen und den Niederlanden könnten etwa ein Drittel des Ausfalls der stillgelegten Pipeline „Nord Stream 1“ ausgleichen, durch die russisches Gas geleitet wurde.

Niedrigerer Gaspreis erreicht Verbraucher vorerst noch nicht

Für den Verbraucher bedeuten die sinkenden Preise noch keine unmittelbare Entlastung. Dies liegt, wie der „Business Insider“ schreibt, nicht nur daran, dass der Gaspreis nach wie vor auf einem viel höheren Niveau liege als noch im Vorjahr.

Dies habe zur Folge, dass Preiserhöhungen und steigende Energiekosten nach wie vor ein Thema blieben. Analysten und Experten geben, so das Portal, immerhin Hoffnung, dass sich der Gaspreis über den Winter weiter entspannen werde.

Bis dahin müsse die Gaspreisbremse die Kosten auffangen. Für 80 Prozent des geschätzten bisherigen Verbrauchs wird der Preis für eine Kilowattstunde Gas durch diese auf 12 Cent festgelegt. Für eine Familie mit einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden im Jahr würde dies „Check24“ zufolge eine Entlastung um über 1.200 Euro bedeuten. Durch die bereits erfolgte Mehrwertsteuersenkung von 19 auf sieben Prozent spare eine Familie zudem 306 Euro im Jahr ein.

(Mit Material von dts und dpa)



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