Ex-SPD-Chef Gabriel beklagt lasche Abschiebepraxis – „Wir trauen uns nicht zu sagen: Wir schieben jetzt ab“

"Wir haben 400.000 Fälle bei den Verwaltungsgerichten rumliegen. Weil wir uns nicht einfach mal trauen zu sagen: Wir schieben jetzt ab. Wir haben die liberalste Abschiebepraxis in Europa", beklagt der ehemalige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel.
Titelbild
Sigmar Gabriel.Foto: Michael Kappeler/dpa
Epoch Times17. Juni 2018

Der ehemalige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat sich in den Streit um die Flüchtlingspolitik eingeschaltet und fordert seine Partei zu einem härteren Vorgehen in Asylfragen auf.

„Wir haben 400.000 Fälle bei den Verwaltungsgerichten rumliegen. Weil wir uns nicht einfach mal trauen zu sagen: Wir schieben jetzt ab. Wir haben die liberalste Abschiebepraxis in Europa“, sagte Gabriel der „Bild am Sonntag“.

Das sei nicht aufgefallen, solange es nur 40.000 Flüchtlinge pro Jahr gab. „Aber jetzt müssen wir wesentlich konsequenter sein. Wenn wir denen helfen wollen, die wirklich Schutz brauchen, müssen diejenigen unser Land wieder verlassen, die diesen Schutz nicht benötigen.“

Seine Partei hat laut Gabriel diese Realität noch nicht akzeptiert: „Anscheinend sind wir in der Wirklichkeit noch nicht richtig angekommen. Denn wenn Andrea Nahles die Binsenweisheit verkündet, dass wir nicht jeden aufnehmen können, dann ist es doch nicht zu verstehen, dass sie dafür von SPD-Landesverbänden massiv kritisiert wird. Auch Deutschland hat Grenzen seiner Aufnahmefähigkeit. Die sind weiter, als viele glauben, aber eben nicht unendlich weit.“

Um die Migrationsbewegungen zu kontrollieren forderte Gabriel Asyllager in Nordafrika und einen Militäreinsatz zur Auflösung der libyschen Camps: „Wir brauchen Asylzentren an der afrikanischen Mittelmeerküste. Otto Schily hat diese Idee schon vor 15 Jahren geäußert. Gleichzeitig müssen wir, wahrscheinlich auch mit bewaffneter Hilfe, diese fürchterlichen Lager in Libyen zerstören. Ein deutscher Botschafter hat von KZ-ähnlichen Zuständen gesprochen. Da dürfen wir Europäer nicht länger wegsehen.“

In der Flüchtlingskrise hat die Bundesregierung laut Gabriel zu lange Probleme ignoriert. Die Flüchtlinge seien „natürlich keine Verfassungspatrioten“. Genauso sei klar gewesen, „dass wir uns Antisemitismus einhandeln“. Ebenso würden viele Flüchtlinge bei den Themen Homosexualität und Rolle der Frau mit Unverständnis reagieren. „Die Diskussion um diese Probleme verweigert zu haben und stattdessen zu erklären, dass uns die Flüchtlinge beim Fachkräftemangel helfen, das war naiv“, so der frühere Außenminister.

Fassungslos zeigte sich Gabriel im Interview mit „Bild am Sonntag“ angesichts des unionsinternen Streits um die Flüchtlingspolitik: „Dieser Streit innerhalb von CDU und CSU ist unverantwortlich. Ich bin fassungslos, wie man so leichtfertig mit der Stabilität der deutschen Regierung umgehen kann. Weiß denn dort niemand mehr, wie brisant gerade die Lage für uns und ganz Europa ist? Und wie sehr es darauf ankommt, dass gerade Deutschland verlässlich und stabil ist? Wenn wir hier wackeln, bebt ganz Europa.“

Gabriel rief sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zur Vernunft auf: „Ich hoffe immer noch, dass beiden Seiten unser Land wichtiger ist als ihr parteipolitischer Zwist. Angela Merkel und Horst Seehofer sind zwar sehr unterschiedliche Menschen. Aber beide wollen doch das Beste für unser Land. Beide sind doch verantwortungsbewusste Politiker. Niemand gewinnt in diesem Streit außer der rechtsextremen AfD. Auch die CSU wird bei der Landtagswahl in Bayern nicht besser abschneiden, wenn sie Deutschland in eine Regierungskrise stürzt. Ich hoffe immer noch auf die Vernunft auf beiden Seiten.“ (dts)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion