G7 und EU-Ölembargo gegen Russland – eine Variable mit vielen Unbekannten

Noch sind die Folgen nicht absehbar, die der von der EU beschlossene Preisdeckel für russisches Rohöl mit sich bringt. Klar ist aber schon jetzt, dass die EU mit ihrem Beschluss den weltweiten Markt kräftig durcheinanderwirbelt.
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Der russische Supertanker Astro Lupus.Foto: POOL/AFP via Getty Images
Von 3. Dezember 2022

Nach zähem Ringen haben sich die EU-Staaten auf einen Preisdeckel für russisches Rohöl geeinigt. Die am Freitag, 2. Dezember, beschlossene Preisobergrenze liegt bei 60 Dollar (57 Euro) pro Barrel für über den Seeweg transportiertes Öl.

Mit ihrem Embargo will die EU Russland zwingen, Erdöl künftig unter Marktpreis an Abnehmer in andere Staaten zu verkaufen. Die Regelung gilt nicht nur für Reedereien, sondern auch für Dienstleister wie Versicherungen, technische Hilfe, Finanzierungs-  und Vermittlungsdienste.

OPEC+ bleibt bei ihrem Kurs zur Reduktion der Fördermengen

Die großen Öl exportierenden Länder verständigten sich in einer Videokonferenz am 4. Dezember darauf, die derzeitigen Fördermengen unverändert zu lassen. Sie halten an ihrem im Oktober beschlossenen Kurs fest.

Die OPEC-Länder unter Führung von Saudi-Arabien sowie zehn weitere Partnerländer, allen voran Russland, vereinbarten vor zwei Monaten, die Förderung ab November um täglich zwei Millionen Barrel zu reduzieren. Das war die stärkste Senkung seit 2020 zu Beginn der Corona-Krise.

Russland warnt: „Die EU gefährdet ihre eigene Energiesicherheit“

„Die Presse“ aus Österreich sprach von „einem Experiment, das es in dieser Form und in dieser Dimension noch nie gegeben hat und das vor allem deshalb so riskant ist, weil es ganz viele Unbekannte enthält“.

Etwa zwei Drittel des benötigten Rohstoffs wird über den Seeweg in die EU verschifft, der Rest kommt über Pipelines. „Die EU gefährdet ihre eigene Energiesicherheit“, warnte der russischen Außenpolitiker und Duma-Abgeordnete Leonid Sluzki laut Staatsagentur „Tass“.

Bereits im Vorfeld hatte Russland signalisiert, dass kein Öl mehr an Länder geliefert würde, die eine Obergrenze einführen. Präsident Wladimir Putin sprach von drohenden „schwerwiegenden Folgen“ für den globalen Energiemarkt.

Laut einer G7-Erklärung, die sich dem EU-Embargo angeschlossen haben, soll Russland durch den Preisdeckel „daran gehindert werden, von seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine zu profitieren“. Die Stabilität der weltweiten Energiemärkte soll gefördert werden. Ob das gelingen wird, bleibt abzuwarten. Schon jetzt rechnen Experten mit turbulenten Zeiten.

Die festgelegte Preisobergrenze gilt für Rohöl ab dem 5. Dezember und ab dem 5. Februar 2023 für andere Erdölerzeugnisse. Alle zwei Monate soll ein Anpassungsmechanismus zum Tragen kommen, wonach der Preis immer um mindestens fünf Prozent unter dem von der Internationalen Energieagentur ermittelten Durchschnittspreis liegen soll.

Ringen um Preisdeckel

Um ein gemeinsames Vorgehen des Westens zu garantieren, musste zunächst eine Einigung innerhalb der EU erfolgen. Dort wurde jedoch heftig über die Modalitäten gestritten. Vor allem Polen hatte zunächst eine niedrigere Obergrenze gefordert. Berichten zufolge lag diese bei etwa 30 Dollar, also der Hälfte der aktuellen Preisgrenze. Gestützt wurde diese Forderung durch den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der diesen Preis für möglich hielt.

Das Festlegen der Maximalhöhe war deshalb so kompliziert, weil einerseits Russlands Einnahmen aus Ölexporten verringert werden sollten, andererseits musste der Deckel über dem Produktionspreis liegen, damit Moskau weiterhin einen Anreiz hat, Öl zu verkaufen und nicht den Ölhahn zudreht. So befürchteten beispielsweise Griechenland und Malta, dass Russland bei einem Preis von 30 Dollar kein Öl mehr liefert und die eigenen Reedereien Pleite gingen.

Am Freitag, 2. Dezember bekundete der polnische EU-Botschafter Andrzej Sadoś schließlich sein Einverständnis. Da der Marktpreis voraussichtlich steigen werde, seien 60 Dollar in Ordnung, sagte er. Derzeit liegt der Marktpreis von russischem Öl der Sorte Urals pro Barrel bei rund 65 Dollar.

Wenig später erklärten dann die G7-Staaten und Australien, dass sie ebenfalls die 60-Dollar-Grenze für über den Seeweg transportiertes Öl ziehen wollen. Diese solle am Montag – dem Tag des geplanten Beginns des EU-Embargos für über den Seeweg transportiertes russisches Rohöl – „oder sehr bald danach“ in Kraft treten.

Maximalpreis auch für Export außerhalb von EU und G7

Durch den Preisdeckel soll es Moskau erschwert werden, die wegen des Ukraine-Kriegs verhängten Sanktionen durch Verkäufe außerhalb der EU oder der G7 zu umgehen.

Unternehmen aus G7- und EU-Staaten und auch Australien dürfen der Einigung zufolge kein Öl aus Russland exportieren, das teurer als 60 Dollar ist – auch nicht in andere Länder. Zudem dürfen sie keine Tanker versichern, die Öl zu Preisen über der Obergrenze an Bord haben. Derzeit stellen Unternehmen aus G7-Staaten rund 90 Prozent der Transportversicherungen weltweit bereit.

China und Indien werden beispielsweise weiterhin russisches Öl importieren können, aber nur zu dem nun beschlossenen Maximalpreis.

Das sagen Experten

Laut „Handelsblatt“ erwarten Analysten, dass die Preisgrenze den Ölmarkt zumindest kurzfristig „durcheinanderwirbelt“. Die Regelung „könnte in der Tat eine anfängliche Störung von mehreren Millionen Barrel pro Tag verursachen“, so Helima Croft, Rohstoffexpertin bei der Investmentbank RBC Capital Markets.

Für Großölimporteure wie Indien könnte der Preisdeckel bedeuten, dass sie zumindest anfänglich nicht genügend Tanker und Versicherer finden, um ihre Rohöltransporte abzuwickeln. Auch griechische Unternehmen dürfte der Preisdeckel vor Herausforderungen stellen. Etwa die Hälfte des auf dem Seeweg exportierten russischen Öls werden durch griechische Tanker verschifft, schreibt das „Handelsblatt“ mit Verweis auf Daten des Institute of International Finance.

Welche konkreten Auswirkungen der Preisdeckel mit sich bringt, lasse sich schwer vorhersagen, erklärte Janis Kluge, Ökonom und Russlandexperte. „Aber das Potenzial für ernsthafte Schwierigkeiten ist da.“

Die Internationale Energieagentur geht davon aus, dass die EU aufgrund des Embargos etwa ein Million Barell Rohöl pro Tag ersetzen muss. Hinzu kämen noch weitere 1,1 Millionen Tonnen Ölprodukte. Diese Mengen müssten in Kürze anderweitig bezogen werden, während das Ölangebot außerhalb Russlands nicht größer wird, erklärten Rohstoffanalysten der Commerzbank.

Ausnahmen möglich

Ausgenommen von den EU-Sanktionen ist das über Pipelines nach Europa transportierte Öl, wie die „FAZ“ mitteilte. Für Ungarn, die Slowakei und Tschechien steht fest, dass sie weiterhin ihr Öl aus über die Pipeline „Druschba“ (zu Deutsch: „Freundschaft“) aus Russland beziehen wollen.

Über diese Leitung fließen laut „Stern“ derzeit monatlich 3,2 Millionen Tonnen Öl nach Deutschland, dem größten Importeur russischen Erdöls im Vergleich zu anderen europäischen Staaten. Die Bundesregierung hat bereits angekündigt, ab 2023 auch auf diesem Weg kein Öl mehr aus Russland abnehmen zu wollen.

Schon jetzt ist klar, dass es Möglichkeiten gibt, das Embargo im wahrsten Sinne des Wortes zu umschiffen. So berichtet der „Merkur“ über das Prozedere, russisches Öl mitten auf hoher See in einen anderen Tanker umzuladen. Unter Berufung auf die japanische Tageszeitung „Nikkei Asia“ seien auf diese Weise zwischen März und September 2022 insgesamt 175 Schiffsladungen im Mittelmeer umgeladen worden; 89 landeten schließlich in Europa.

(Mit Material von afp und dpa)

 



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