Wählervereinigung B.R.D. nicht zur Europawahl zugelassen – Luthe reicht Verfassungsbeschwerde ein

Der Wählervereinigung B.R.D. unter Vorsitz des ehemaligen Landespolitikers Marcel Luthe darf nicht an der Europawahl 2024 teilnehmen. Er sieht darin eine „Demokratie-Parodie“ nach dem Motto: „Es muss demokratisch aussehen, doch wir müssen alles in der Hand haben.“ Luthe erhebt schwere Vorwürfe gegen den Bundeswahlausschuss als auch mehrere Gemeinden. Mit einer Verfassungsbeschwerde geht er nun gegen den Ausschluss vor.
Titelbild
Marcel Luthe, Vorstandsvorsitzender der Wählervereinigung B.R.D. Er beklagt „eine Blaupause, um Demokratie in Deutschland auszuhebeln.“Foto: Epoch Times
Von 18. Mai 2024

Im Superwahljahr 2024 steht auch die Wahl zum Europäischen Parlament an. Parteien und politische Vereinigungen zeigten ein großes Interesse daran, an den Wahlen am 9. Juni teilzunehmen. Über insgesamt 59 Wahlvorschläge musste der Bundeswahlausschuss entscheiden.

Auch Marcel Luthe, der ehemalige FDP-Politiker und Vorsitzende der Good Governance Gewerkschaft, stellte eine unabhängige Wahlliste unter dem Namen „Vereinigung Bürger. Rechtsstaat. Demokratie. – Initiative für das Grundgesetz“ (B.R.D.) auf und konnte prominente Kandidaten gewinnen.

Unter ihnen sind der Arzt und Aktivist Paul Brandenburg und der Präventionscoach und Anti-Mobbingtrainer Carsten Stahl, der sich für den Schutz von Kindern einsetzt und häufig im TV zu sehen war.

Eine „systemsprengende“ Vereinigung

Luthe erklärte bei der Aufstellung der Wählervereinigung gegenüber der Epoch Times: „Es geht nicht darum, Broterwerbspolitikern die Fortsetzung der Karriere in Europa zu ermöglichen, sondern dem Demokratiedefizit der EU engagierte Bürger entgegenzusetzen. Bürger, die nicht vielleicht eines Tages mal aktiv werden wollen, sondern seit Jahren gegen Korruption im Gesundheitswesen, für Kinderschutz, gegen Beschränkung der Grundrechte und für Tierschutz kämpfen und dabei Mut bewiesen haben.“

Am Karfreitag, den 29. März, hatte der Bundeswahlausschuss unter Vorsitz von Bundeswahlleiterin Ruth Brand in einer öffentlichen Sitzung mitgeteilt, dass die Wahlvorschläge von 35 Parteien und politischen Vereinigungen zur Wahl des Europäischen Parlaments zugelassen worden sind. Doch die Wählervereinigung B.R.D. gehörte nicht dazu.

In einem Interview auf Brandenburgs Podcast vermutete Luthe, dass es damit zusammenhängen könnte, dass sie die einzig wirkliche „systemsprengende“ Vereinigung seien, die an der Europawahl teilnehme. Die B.R.D. würde als eine der wenigen die EU-Kommission als „Überregierung“ infrage stellen.

Luthe reichte mittlerweile gegen die Entscheidung eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein, um gegen das „fundamental undemokratische“ Verfahren zu klagen.

Carsten Stahl, Anti-Mobbing-Trainer und Kandidat für die Vereinigung B.R.D. für die Wahl zum Europäischen Parlament. Foto: Epoch Times

Bundeswahlleiterin sieht Anforderungen nicht erfüllt

Laut der Bundeswahlleiterin entsprach der Wahlvorschlag der politischen Vereinigung B.R.D. nicht den Anforderungen, „die nach dem Europawahlgesetz in Verbindung mit dem Bundeswahlgesetz sowie der Europawahlordnung vorgegeben sind“. Dieser Einschätzung schlossen sich die restlichen Mitglieder des elfköpfigen Bundeswahlausschusses einstimmig an.

Bereits dieser Formmangel habe nach den wahlrechtlichen Vorschriften zur Zurückweisung des Wahlvorschlages und auch zur Zurückweisung der Beschwerde geführt, die Luthe während der öffentlichen Sitzung des Ausschusses vorbrachte, erklärte das Büro der Bundeswahlleiterin gegenüber der Epoch Times.

Laut Brand fehlten zwei Unterschriften auf der gemeinsamen Liste für alle Länder (Anlage 13). Sie hätten bis spätestens 18. März 2024 um 18 Uhr von drei Vorstandsmitgliedern persönlich und handschriftlich unterzeichnet sein und bei der Wahlleiterin in Wiesbaden im Original vorliegen müssen, so die Wirtschaftswissenschaftlerin in der Sitzung des Bundeswahlausschusses am 29. März.

Zudem seien nur 3.065 von den Gemeindebehörden bestätigte Unterstützerunterschriften anstatt den für politische Vereinigungen geforderten 4.000 vorgelegt worden.

Von der B.R.D. sei zudem nicht glaubhaft gemacht worden, dass das Fehlen der erforderlichen gültigen Unterschriften nicht durch die Vereinigung zu vertreten wäre, so das Büro der Bundeswahlleiterin.

Scan per E-Mail wurde nicht anerkannt

Nach Luthes Schilderung übergab er am 18. März um 17:10 Uhr dem Büro der Bundeswahlleiterin Wiesbaden einen Ordner mit den Unterlagen zur Wahlzulassung. Im Rahmen der Prüfung auf Vollständigkeit sei dann kurz vor Ablauf der Einreichungsfrist (18 Uhr) erklärt worden, dass die Anlage 13 fehle.

Er kann sich das Fehlen nicht erklären. Die Wahlunterlagen seien eine einzelne PDF-Datei gewesen, die er ausgedruckt habe, erklärt er gegenüber der Epoch Times.

Da eine Einholung von handschriftlichen Unterschriften der anderen Vorstandsmitglieder bis 18 Uhr nicht machbar gewesen wäre und er laut Satzung ohnehin alleinvertretungsberechtigter Vorstandsvorsitzender der Vereinigung sei, unterzeichnete er das Formblatt direkt vor Ort und für die beiden anderen Vorstandsmitglieder in Vertretung.

Zudem seien vor 18 Uhr zwei persönlich und handschriftlich unterzeichnete Vollmachtserklärungen beider Vorstandsmitglieder – Eva-Marie Doerfler und Marcel Templin – als Scan per E-Mail in der Geschäftsstelle eingegangen.

Eine Zusendung unter der von der Bundeswahlleiterin angegeben Faxnummer war auch nach mehrmaligen Versuchen laut Luthe nicht möglich. Einen entsprechenden Faxbeleg, der dies dokumentierte, sendete er nach eigenen Angaben der Bundeswahlleiterin zu. Er vermutet, dass das Gerät außer Betrieb war.

Das Europäische Parlament ist das einzige direkt gewählte Organ der Europäischen Union und umfasst in der nächsten Legislaturperiode 720 Abgeordnete. Foto: iStock

Luthe sieht einen behebbaren Mangel

In der öffentlichen Sitzung des Bundeswahlausschusses vom 29. März erklärte Luthe, dass die fristgemäß eingereichte Anlage 18 auch alle Anforderungen der Anlage 13 erfüllen würde – samt den eigenhändigen Unterschriften von Doerfler und Templin.

In der Geschäftsstelle der Bundeswahlleiterin reichte er am 18. März mit den Wahlunterlagen 3.065 von den Gemeindebehörden bestätigte Unterstützerformulare ein.

Zusätzlich übergab Luthe als Vertrauensmann der Vereinigung B.R.D. ein Schreiben, in dem er erklärte, dass die Vereinigung die nicht fristgerecht vorgelegten Unterstützungsunterschriften nicht zu vertreten habe.

Das deutsche Europawahlgesetz kennt behebbare Mängel, die auch nach dem Stichtag 18. März behebbar sind.

Im Paragraf 13 Absatz 2 Punkt 2. heißt es:

Ein gültiger Wahlvorschlag liegt nicht vor, wenn […] die nach § 9 Abs. 4 und 5 erforderlichen gültigen Unterschriften mit dem Nachweis der Wahlberechtigung der Unterzeichner nach Absatz 5 dieser Vorschrift fehlen, es sei denn, der Nachweis kann infolge von Umständen, die der Wahlvorschlagsberechtigte nicht zu vertreten hat, nicht rechtzeitig vorgelegt werden.“

Der Bundeswahlausschuss am 18. April 2024. In der Mitte sitzt die Bundeswahlleiterin Ruth Brand. Foto: Bildschirmfoto | Bundestag.de

Rund 7.400 Unterstützerunterschriften erhalten

Für Luthe lag ein solcher Fall vor, denn die Vereinigung B.R.D. habe zwischen den 8. und 12. März insgesamt per DHL-PRIO-Versand (wahrscheinliche Zustellung am nächsten Werktag) und bei größeren Mengen zusätzlich als Einschreiben in 700 Briefumschlägen rund 7.400 unterzeichnete Unterstützerformulare an die jeweils zuständigen Gemeindebehörden geschickt, darauf der Vermerk „EILT! Wahlsache!“ in Rotschrift.

Die Briefumschläge waren mit der Aufschrift „EILT – Wahlsache!“ in roter Schrift markiert. Foto: Wählervereinigung B.R.D.

Zur Erklärung: Die Gemeindebehörden müssen bei dem Unterstützer einer politischen Vereinigung, der ein Unterstützerformular einreicht, dessen Wahlberechtigung bescheinigen.

„Ich sag mal 30 Sekunden dauert das pro Person. Ein Blick ins Wählerverzeichnis und dann die Bestätigung ausfüllen“, so Luthe.

Das heißt, die Unterstützer haben das Formular über die Webseite der B.R.D. heruntergeladen und unterschrieben. Einige haben es dann an die Vereinigung geschickt. Andere sind selbst zu den Gemeinden gegangen, um sich ihre Wahlberechtigung bestätigen zu lassen.

Luthe gibt Gemeinden die Schuld

Für Luthe haben die 3.065 vorgelegten Unterstützungsunterschriften mit Bescheinigung der Gemeindebehörden zur Wahlberechtigung gezeigt, dass die gewählte Methode funktioniert habe. Er gibt den Gemeinden die Schuld, dass er nicht rechtzeitig zum 18. März die geforderte Anzahl an bescheinigten Unterstützerformularen beim Bundeswahlleiter vorlegen konnte.

Bundeswahlleiterin Brand sieht dies anders: „Sie haben nachweislich und selbst gesagt, dass Sie zwischen dem 8.3. und 12.3. die Unterstützungsunterschriften komplett abgegeben haben.“

Sie müssten nachweisen, dass es ausschließlich in der Sphäre der Gemeinden liege. „Und das, denke ich, ist, wenn man zehn Tage vor Abgabefrist [die Unterstützerunterschriftenformulare einreicht], schon nicht mehr der Fall.“

Verfassungsbeschwerde gegen Nichtzulassung

Luthe erhebt schwere Vorwürfe gegen verschiedene Gemeinden. Bei diesen sieht er „eine Mischung aus Unwilligkeit, Unkenntnis“ und Falschauskunft, mit der diese vorsätzlich versucht hätten, die rechtzeitige Bescheinigung zur Wahlberechtigung zu vereiteln.

In seiner beim Bundesverfassungsgericht eingereichten Verfassungsbeschwerde gegen die Nicht-Zulassung der B.R.D. zur Europawahl nennt Luthe mehrere Beispiele. Eines ist Barnim in Brandenburg:

Die am 8. März per ‚PRIO‘ an das Wahlamt des Kreises Barnim versandten 22 Unterstützungsunterschriftenformulare – eingegangen dort am 12.03. (Anlage B 20), sind uns mit Schreiben vom 15.03.2024 (Anlage B 21), das erst am 19.03. zur Post aufgegeben wurde (Anlage B 22) am 21.03.2024 unbearbeitet zurückgesandt worden.“

„Zum weiteren Postweg ist mir keine Auskunft möglich“

Epoch Times fragte bei der Kreiswahlleitung in Barnim nach, ob der von Luthe dargestellte Sachverhalt der Wahrheit entspreche und wenn ja, warum die Unterstützerunterschriften so spät und dann auch unbearbeitet zurückgesandt wurden.

Die Sachbearbeiterin für Statistik/Wahlen Stephanie Kasten teilte mit, dass die Unterlagen erst am „13. März 2024 in der Kreisverwaltung Barnim eingegangen sind“.

Am darauffolgenden Tag sei Luthe via E-Mail über den Posteingang informiert und die Möglichkeit zur persönlichen Abholung mit Frist bis 15. März 2024, 10 Uhr, gegeben worden. Andernfalls erfolge die Rücksendung der Unterlagen. „Diese Frist wurde nicht genutzt. Die Unterlagen wurden entsprechend in der darauffolgenden Woche zur Hauspost gegeben.“ Zum weiteren Postweg sei ihr keine Auskunft möglich.

Zudem schreibt die Sachbearbeiterin, dass die genannte Vorgehensweise unter Abstimmung mit dem Landeswahlleiter des Landes Brandenburg und der Bundeswahlleiterin erfolgt sei.

600 Kilometer für 22 Zettel?

Auf Nachfrage im Büro der B.R.D. zu den Aussagen aus Barnim heißt es: Die Angabe, das PRIO-Schreiben sei am Mittwoch, dem 13. März, eingegangen, sei unwahr. Das Schreiben vom 8. März sei am Dienstag, den 12. März, beim Landkreis eingegangen.

Dieses Bildschirmfoto sendete uns die Vereinigung B.R.D. zu, um zu bestätigen, dass das Schreiben an das Kreiswahlbüro des Landkreises Barnim bereits am 12. März eintraf. Foto: Wählervereinigung B.R.D.

„Uns – in Arbeit untergehend – in Essen bzw. Eupen Donnerstagvormittag anzuschreiben, wir sollten doch persönlich im 600 Kilometer entfernten Barnim am nächsten Morgen um 10:00 Uhr 22 Zettel abholen, kann man nur als blanken Hohn betrachten“, so das Büro der B.R.D.

Die Unterlagen seien ihnen dann mit Schreiben vom 19. März unbearbeitet „per Schneckenpost“ zurückgesandt worden und am 21. März eingetroffen, obwohl man allen Briefen einen frankierten und adressierten Rückumschlag für eine PRIO-Zustellung beigefügt hatte. Mit anderen Landkreisen, wie etwa im Main-Tauber-Kreis, habe dies tadellos funktioniert.

Luthe sieht eine „Verschleppung der Bearbeitung“

Luthe führt in seiner Verfassungsbeschwerde weitere Gemeinden, Landkreise und Städte bundesweit auf, in denen es nach Ansicht der B.R.D. ebenfalls zu Verzögerungen oder Nicht-Bearbeitungen von Unterstützerformularen gekommen sein soll.

Entweder sei es zu einer „Verschleppung der Bearbeitung“ gekommen oder man habe die Formulare unbearbeitet zurückgesandt. „Manche Kommunen haben bis heute nicht reagiert und weder bestätigte noch unbestätigte Unterstützerunterschriftenformulare zurückgesandt“, heißt es in der Verfassungsbeschwerde.

Die „Krönung“ sei in seinen Augen der Landkreis Leipzig gewesen, bei dem Formulare am 11. März zugestellt wurden. Am 26. März hätte der Landkreis dann der Vereinigung mitgeteilt, dass es jetzt ja vielleicht ein bisschen spät sei, ob man die Formulare denn noch verschicken solle.

Epoch Times bat Leipzigs Kreiswahlleiterin um Stellungnahme. Dort hieß es, man habe den Sachverhalt geprüft. Für die Bescheinigung des Wahlrechts seien die Städte und Gemeinden zuständig. „Die Kreiswahlleitung kann diese Bestätigung mangels Kenntnis der Daten nicht geben“, so der Landkreis. Deshalb habe man die Unterlagen zeitnahe nach Posteingang an die zuständige Gemeinde weitergegeben. „Die Dauer der Zustellung der Unterlagen an die zuständige Gemeinde liegt leider außerhalb unseres Einflussbereiches.“

Rechtsanwalt Marcel Templin (l.) und der ehemalige FDP-Politiker Marcel Luthe bei der Anhörung im Bundeswahlausschuss am 18. April 2024. Foto: Bildschirmfoto | Bundestag.de

Handhabung von Irrläufern

Das Verfahren in den Gemeinden war überall gleich, so Luthe. Der Grund für die Verspätung liege also in der ungleichen Behandlung durch die Behörden und nicht am Verfahren selbst.

Mehrere Ämter hätten neben den Eingangsstempel vom 18. März noch einen vom 19. März gesetzt, teils handschriftlich und die Formulare unbearbeitet wieder zurückgesandt, mit der Erklärung „da sie zu spät bei uns eingegangen sind“, so der Gewerkschaftsvorsitzende.

Andere Landkreise hätten dort eingegangene falsch adressierte Formulare nur zum Teil weitergeleitet und andere unbearbeitet liegen gelassen.

Nach Auskunft des Neckar-Odenwald-Kreises habe die Bundeswahlleiterin selbst, in Bezug auf Irrläufer der Vereinigung B.R.D. gegenüber dem Landkreis erklärt, dass man diese nicht weiterleiten müsse, berichtet Luthe.

Die Pflicht zur unverzüglichen Weiterleitung folge nicht nur aus dem Grundsatz der Einheit der Verwaltung, sondern sei auch in den Verwaltungsvorschriften verschiedener Bundesländer enthalten, so der B.R.D.-Vorsitzender. Er sieht in der „Bearbeitungsverweigerung“ auch einen Verstoß gegen Artikel 41 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, dem Recht auf gute Verwaltung.

Auffälligkeiten auch in Berliner Bezirksämtern

Aber nicht nur in mehreren Gemeindebehörden scheint es mit der Bearbeitung gehakt zu haben, auch in mehreren Berliner Bezirksämtern ist es offenbar zu erheblichen Verzögerungen bei der Bearbeitung der Unterstützerformulare gekommen.

So berichtet Luthe in der Verfassungsbeschwerde, dass das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf von Berlin bereits am 6. März insgesamt 60 Unterstützerunterschriftenformulare zur Prüfung erhalten habe. Am 11. März seien vier Stück geprüft worden und am 15. März gegen 13:00 Uhr sei der Vereinigung mitgeteilt worden, dass weitere neun gültig, drei ungültig, der Rest – also 44 Stück – „einbehalten“ werden.

Auf eine Anfrage der Epoch Times an das Bezirksamt hinsichtlich der mutmaßlichen Verzögerung ging die Behörde nicht ein. Es hieß lediglich, dass es Aufgabe des Bundeswahlausschusses sei, über die Zulassung von Wahlvorschlägen für die kommende Europawahl zu entscheiden.

Auch teilte das Bezirksamt mit, dass der Vorwurf, die zur Einreichungsfrist fehlenden gültigen Unterstützungsunterschriften würden auf einer Verzögerung in der Auszählung durch die Gemeinden beruhen, nicht glaubhaft gemacht wurde.

In Charlottenburg-Wilmersdorf und anderen Bezirksämtern Berlin sei es zu ähnlichen Auffälligkeiten gekommen, so Luthe. „Hier wurden Formulare als ungültig gewertet, ohne dies im Einzelfall zu begründen.“

Ein Bürger berichtete Luthe, dass er am 16. März einen Brief des Bezirksamtes Charlottenburg-Wilmersdorf erhielt, in dem er gebeten wurde, seine Unterschrift noch einmal zu bestätigen. „Wenn dies der Regelfall ist, kann es nicht überraschen, wenn die Prüfung sich über Wochen hinzieht“, so der ehemalige Berliner Landespolitiker.

Keine Bearbeitung ohne Datenschutzblatt?

Auch verweigerten mehrere Gemeindebehörden nachweislich die Bearbeitung der Unterstützerformulare, da das Blatt mit den Datenschutzhinweisen nicht eingesandt wurde.

Laut Bundeswahlleiter hätte es jedoch gereicht, dass die Unterstützer das PDF (Anlage 14) mit Vorder- und Rückseite erhielten und somit über die Datenschutzbestimmungen informiert waren. „Bei der Einreichung muss jedoch diese Rückseite, sofern diese separat ausgedruckt wurde, nicht mit übersandt werden“, so die Bundeswahlleiterin in ihrem Antwortschreiben an die Vereinigung.

Luthe interpretierte die Antwort so, dass, auch wenn die Gemeindebehörden nur die Vorderseite erhalten, sie diese zu bearbeiten hätten.

Die Stadt Schwerin habe hingegen vier am 8. März als „Eil“ abgesandte und am 12. März dort erhaltene Unterstützerformulare unbearbeitet am 14. März zurückgesandt. Darauf war ein Zettel versehen: „Rückseite [mit Datenschutzhinweisen] zwingend erforderlich“, so Luthe.

Auch hier fragte Epoch Times nach, wie sich der Sachverhalt aus Sicht der Behörde darstellt, erhielt aber bisher noch keine Antwort.

Luthe sieht Fehler als „heilbare Mängel“

Doch es gab laut Luthe weitere Mängel: So hätten Behörden Unterstützerformulare von Personen für ungültig erklärt, die sich daraufhin bei der Wählervereinigung gemeldet und bestätigten hätten, dass sie die Unterstützererklärung abgegeben hätten, wahlberechtigt seien und keinen anderen Wahlvorschlag abgeben hätten – also alle Kriterien zur erfolgreichen Einreichung einer Unterstützerunterschrift erfüllten.

In seiner Verfassungsbeschwerde weist er auch darauf hin, dass ein Fehlen des Nachweises des Wahlrechts der Unterstützer ein „heilbarer Mangel“ sei.

Luthe betonte, dass die B.R.D. als der Wahlvorschlagsberechtigte nicht verantwortlich sei für das Unterlassen oder erhebliche Verzögern der Weiterleitung von 50 Sendungen, die etwa 1.000 Unterstützerformulare betraf.

Zur Heilung sei der Zeitraum zwischen dem 18. März (Einreichungsfrist) und dem 29. März (öffentliche Bekanntmachung der zugelassenen Wahlvorschläge durch den Bundeswahlleiter) vorgesehen, der in den Augen Luthes eingehalten worden sei. Denn in diesem Zeitraum habe die Vereinigung neben den bereits am 18. März abgegebenen bescheinigten 3.065 Unterstützerformulare zusätzliche bestätigte Unterstützerformulare nachgereicht.

So seien per Eilsendung vom 21. und 25. März insgesamt weitere 2.250 Unterstützerformulare, die rechtzeitig vor dem 18. März verschickt, aber erst danach durch die Behörden geprüft wurden, an den Bundeswahlleiter eingereicht worden. Dies bestätigte die Bundeswahlleiterin während der öffentlichen Sitzung des Bundeswahlausschusses.

So war die geforderte Mindestanzahl von 4.000 bescheinigten Unterstützerunterschriften vor dem 29. März nach Ansicht Luther bei Weitem übertroffen.

Mehrere Gemeindebehörden verweigerten nachweislich die Bearbeitung der Unterstützerformulare, da das Blatt mit den Datenschutzhinweisen nicht mit eingesandt wurde. Foto: iStock

Regierung setzt Bundeswahlleiterin ein

Luthe geht aber in seiner Verfassungsbeschwerde noch weiter. Er kritisiert die gesamte Konstruktion des Verfahrens vor dem Bundeswahlausschuss. Es sei es ein Unding für eine Demokratie, dass der Bundeswahlleiterin und ihr Stellvertreter vom Bundesinnenministerium – also der Exekutive – ernannt würden.

Der Bundeswahlausschuss wiederum besteht aus der Bundeswahlleiterin und acht von ihr berufenen Wahlberechtigten als Beisitzern – üblicherweise Mitglieder von Parteien des Bundestages – und zwei Richtern des Bundesverwaltungsgerichts.

Die Regierung, in diesem Falle Bundesinnenministerin Nancy Faeser, entscheide somit mithilfe der eingesetzten Bundeswahlleiterin Brand über die Zulassung von Wahlvorschlägen, erklärte Luthe. Das heißt, eine von der Regierung bestimmte Person erhält als Bundeswahlleiterin Vorschläge der Parteien zu den Beisitzern im Ausschuss, wählt hieraus aus und kann, wenn sie will, diese auch wieder aus dem Gremium ausschließen.

Präsident des Statistischen Bundesamts

Traditionsgemäß ist das Amt des Präsidenten des Statistischen Bundesamtes mit der Ernennung zum Bundeswahlleiter gekoppelt.

Auf die Nachfrage, warum dies so ist, erklärt das Büro der Bundeswahlleiterin, dass es sich als vorteilhaft erwiesen habe, den Präsidenten des Statistischen Bundesamtes zum Bundeswahlleiter zu bestellen, weil er oder sie in dieser Eigenschaft zur Erfüllung der Aufgaben auf das Personal und die Einrichtungen des Statistischen Bundesamtes zurückgreifen könne.

Die Dienstaufsicht über das Statistische Bundesamt führt das Bundesinnenministerium, in dem die jetzige Bundeswahlleiterin Brand bereits vor der Tätigkeit im Statistischen Bundesamt arbeitete.

Brand ist seit dem 1. Januar 2023 Bundeswahlleiterin und verantwortlich für die Vorbereitung und Durchführung der Bundestagswahlen und der Europawahl für die Abgeordneten aus Deutschland.

„Blaupause, um Demokratie in Deutschland auszuhebeln“

Für „absurd“ hält Luthe auch das Beschwerdeverfahren. So sind Beschwerden gegen die Entscheidung des Bundeswahlausschusses bei dem Ausschuss – und nicht einer höher gelegten Instanz – einzureichen.

Der Ausschuss selbst behandelt also die Beschwerden, die gegen seine vorherige Entscheidung eingegangen sind“, zeigt sich Luthe verwundert.

Einen Rechtsweg gegen die Entscheidung des Ausschusses vor den Wahlen unabhängig vom Beschwerdeverfahren vor demselben Ausschuss gibt es nicht. „Über die Gültigkeit der Wahl und die Verletzung von Rechten bei der Vorbereitung oder Durchführung der Wahl wird gemäß § 26 Absatz 1 Europawahlgesetz im Wahlprüfungsverfahren entschieden“, schreibt uns das Büro der Wahlleiterin.

Es bleibt also einzig der Weg, über ein Wahlprüfungsverfahren nach den Wahlen zum Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Was bei Erfolg zu einer Wahlwiederholung führen könnte, wie kürzlich in Berlin geschehen und an dessen Zustandekommen Luthe seinen Anteil hatte.

Laut dem B.R.D.-Vorsitzenden fehle damit ein wesentlicher Bestandteil des allgemeineren Prinzips der Gewährung effektiver Rechtsmittel gegen die Entscheidung einer Verwaltung. Die Vereinigung bezeichnet dies als „eine Blaupause, um Demokratie in Deutschland auszuhebeln“.

Dass es auch anders geht, führt er am Beispiel Ungarn auf, einem EU-Mitgliedsland, das von Brüssel oft wegen mutmaßlicher rechtsstaatlicher Verstöße gerügt wird. Hier entscheide der ungarische Verfassungsgerichtshof binnen einer Woche über angefochtene Nicht-Wahlzulassungen schon vor der Wahl, so Luthe.

Ein „Geschmäckle“ habe für Luthe auch das, was er von einer Gemeinde in Baden-Württemberg erfuhr. Die Vereinigung kontaktierte die Behörde, weil die Unterstützerformulare nicht zurückkamen, und fragte nach dem Grund für die Verzögerung.

Dabei erfuhr die Vereinigung von der Gemeinde, dass der Landeswahlleiter auf einer genauen Prüfung der Unterstützerformulare der B.R.D. bestand. Diese Aufforderung sei dabei ursprünglich von der Bundeswahlleiterin gekommen, so das Amt.

Richter des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe. Foto: Sebastian Gollnow/AFP via Getty Images

Brand: Unstimmigkeiten bei Unterstützungsunterschriften

Epoch Times fragte bei der Bundeswahlleiterin nach, ob sie tatsächlich solch eine Aufforderung ausgesprochen habe. Auf die Frage ging deren Büro nicht ein. Stattdessen wiederholte es die Aussage Brands, dass mehrere Vereinigungen im Zusammenhang mit Unstimmigkeiten bei Unterstützungsunterschriften aufgefallen seien.

Auf der Website der Bundeswahlleiterin heißt es dazu: Gemeinden und Kreiswahlleitungen hätten Unstimmigkeiten bei den geforderten Unterstützerunterschriften gemeldet, in einem Ausmaß, wie es bei vergangenen Europawahlen nicht der Fall gewesen sei.

Es verdichte sich der Verdacht, dass in mehreren Fällen gezielt fiktive Anschriften und Personen samt fingierten Unterschriften auf den Formblättern eingegangen seien. Auch sei gemeldet worden, dass korrekte oder veraltete Personen- oder Adressangaben mit gefälschter Unterschrift zur Bescheinigung des Wahlrechts eingereicht worden wären, so das Büro der Bundeswahlleiterin.

Zahlreiche Betroffene, die von den Wahlämtern angeschrieben worden seien, hätten mitgeteilt, die Unterschrift gar nicht geleistet zu haben. In vielen Fällen habe es eine offensichtliche Abweichung zwischen geleisteter und bei den Ämtern hinterlegter Unterschrift gegeben, sodass Wahlrechtsbescheinigungen nicht ausgestellt werden durften. Allein in Berlin seien 589 Fälle bekannt geworden.

Auf Nachfrage, welche Parteien und Vereinigungen davon betroffen seien, hieß es seitens des Büros, dass man im Hinblick auf unter Umständen noch laufende Strafverfahren keine Benennung der politischen Vereinigung beziehungsweise Partei vornehmen könne.

Eine Übersicht zu den von der Bundeswahlleiterin zugelassenen Parteien und politischen Vereinigungen für die Europawahl 2024. Foto: Bildschirmfoto | Bundestag.de

Sechs Vereinigungen legten Beschwerde ein

Luthe war nicht die einzige Vertrauensperson, die Kritik zur Bearbeitung der Unterstützerformulare in den Gemeinden äußerte. Auch andere Vereinigungen mahnten eine Reform des Zulassungsverfahrens an, plädierten für die Digitalisierung des Verfahrens und hätten ein unkooperatives Verhalten der zuständigen Ämter beobachtet. Insgesamt reichten sechs Vereinigungen eine Beschwerde gegen ihre Nichtzulassung ein – keiner davon wurde stattgegeben.

Für Luthe kann man den ganzen Vorfall zusammenfassen unter: „Es muss demokratisch aussehen, doch wir müssen alles in der Hand haben.“

Er sieht in der Wahlzulassung in Deutschland eine Parodie von Demokratie. „Das Verfahren sieht demokratisch aus. Tatsächlich entscheidet aber der Bundesinnenminister alleine“, so der Gewerkschaftsvorsitzende.

Mitglieder des Bundeswahlausschusses

Dem elfköpfigen Bundeswahlausschuss gehören neben der Bundeswahlleiterin Ruth Brand folgende Mitglieder an: Stefan Birkner (FDP), Michael Brenner (CDU), Ates Gürpinar (Die Linke), Petra Kansy (CDU), Anna von Notz (Bündnis 90/Die Grünen), Roman Reusch (AfD), Johannes Risse (SPD) und Amelie Singer (CSU). Diese Beisitzer werden von der Bundeswahlleiterin berufen. Darüber hinaus sind Richterin Petra Hoock und Richter Stefan Langer vom Bundesverwaltungsgericht Mitglieder des Gremiums.

Bis Redaktionsschluss antworteten neben dem Büro der Bundeswahlleiterin von fünf angefragten Landkreisen, Gemeinden und Bezirksämtern Barnim, Leipzig und Steglitz-Zehlendorf.



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