Für Habeck ist die deutsche Wirtschaft nicht krank, nur etwas untertrainiert

Trotz anhaltender Anzeichen für eine ernsthafte wirtschaftliche Krise in Deutschland bleibt Wirtschaftsminister Robert Habeck optimistisch und selbstbewusst. Seine Zuversicht steht im Kontrast zu einer Vielzahl von Indikatoren, die eine rasche Besserung unwahrscheinlich machen.
Allzweckwaffe der Ampel verteuert Heizen und Tanken
Verbreiten trotz aller gegenteiliger Entwicklung Zuversicht: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, r.) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).Foto: TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images
Von 12. August 2023

Fachleute schlagen Alarm: Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einer ernsten Lage. Nachdem sie zu Jahresbeginn in eine Rezession geraten war, blieb ihre Entwicklung im zweiten Quartal des Jahres stagnierend. Neben der Inflation, die die Konsumfreude der Bevölkerung dämpft, deuten auch weitere Indikatoren darauf hin, dass die wirtschaftliche Lage erheblich geschwächt ist. Eine schnelle Verbesserung ist nicht absehbar.

Doch Wirtschaftsminister Robert Habeck bleibt optimistisch und ist voller Selbstlob. Im Wochenblatt „Zeit“ sagte Habeck unter anderem: „Das, was ich im Moment mache, ist das Beste, was ich in meinem bisherigen politischen Leben gemacht habe. Es bedeutet mir richtig viel, und ich bin stolz darauf.“

Den Wirtschaftsminister wirft es auch nicht aus der Bahn, dass der ifo-Geschäftsklimaindex zum dritten Mal in Folge gefallen ist. Auf der Internetseite der Ökonomen heißt es, dass sich „die Stimmung in den deutschen Unternehmen weiter verschlechtert hat“.

So sank der Geschäftsklimaindex im Juli auf 87,3 Punkte – nach 88,6 Punkten (saisonbereinigt korrigiert) im Juni. Die Unternehmen waren insbesondere mit den laufenden Geschäften „merklich unzufriedener“ gewesen. Auch die Erwartungen gaben erneut nach. „Die Lage der deutschen Wirtschaft verdüstert sich“, lautet das pessimistische Fazit der Fachleute.

Das sieht Habeck ganz anders. Im „Zeit“-Interview sagt er, dass er den Zustand der deutschen Wirtschaft trotz aktueller Konjunkturflaute nicht allzu trüb sehe: „Krank sind wir nicht, aber etwas untertrainiert“, lautet seine Einschätzung.

Zuletzt habe Deutschland wegen der schlechteren Wirtschaftslage als die anderer Länder erneut als „kranker Mann Europas“ gegolten. Habeck begründete die Situation damit, dass Deutschland Exportnation sei. „Die Exporte haben uns reich gemacht, die Wirtschaft ist dadurch sehr stark gewachsen“, so der Minister. „Aber wenn die Weltwirtschaft, zum Beispiel in China, schwächelt, haut es bei Deutschland stärker ins Kontor.“

Experten erwarten weiteren Rückgang beim Bruttoinlandsprodukt

Ein weiterer Grund sei die Abhängigkeit von russischem Erdgas. Es sein nun erst ein Jahr her, „dass uns ungefähr die Hälfte des Gases flöten gegangen ist – eine solche Abhängigkeit von Russland hatten andere Länder nicht“. Des Weiteren sei die Binnennachfrage wegen der hohen Inflation schwächer.

Die Teuerungsrate sorge dafür, dass Menschen weniger Geld hätten. Der hohe Zinssatz sei dafür verantwortlich, dass Investitionen teurer würden und weniger investiert werde. Dies zeige sich etwa beim schwächelnden Wohnungsbau. „Das klingt bitter und zynisch, aber es ist das Ziel der Zentralbanken, Investitionen abzudämpfen, um die Inflation nicht weiter hochzuziehen.“

Notenbanken wie die Europäische Zentralbank (EZB) hätten im Kampf gegen die hohe Inflation die Zinsen stark erhöht. Deutschlands Wirtschaft war Ende 2022 und Anfang 2023 geschrumpft, im Frühjahr stagnierte sie. Viele Experten erwarteten daher auch für das laufende Gesamtjahr einen Rückgang beim Bruttoinlandsprodukt.

Deutschland müsse an seiner Wettbewerbsfähigkeit hart arbeiten, fordert Habeck. „Wir müssen Investitionshemmnisse wegräumen, Bürokratie reduzieren, bei den unzähligen Berichtspflichten entschlacken. Da ist ein politischer Schlendrian gewesen, und der muss jetzt beseitigt werden“, sagte der Minister.

Ein Viertel der Firmen will ins Ausland

Allen optimistischen Äußerungen Habecks zum Trotz hat sich der Standort Deutschland nach Ansicht vieler Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren negativ entwickelt. Gut ein Viertel erwägt seine Produktion zu verlagern, zitiert die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ aus einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Kantar Public unter 150 deutschen Firmen.

Die Mehrheit der Unternehmen (61 Prozent) hält den Standort Deutschland demnach für „weniger attraktiv“ (46 Prozent) oder „nicht attraktiv“ (15 Prozent). Die Durchschnittsnote der Betriebe des produzierenden Gewerbes für den Industriestandort liegt bei „drei minus“ (3,3). Die schlechtesten Noten gab es für die Bereiche Energiepreise und -verfügbarkeit (4,0), Regulatorik und Bürokratie (4,0) sowie der Verfügbarkeit von Fachkräften (3,9).

Eine Mehrheit der Unternehmen plant, weiterzuwachsen. 55 Prozent wollen weitere Produktionskapazitäten auf- und ausbauen. Aber 26 Prozent erwägen, Kapazitäten zu verlagern, und mehr als jedes fünfte Unternehmen (22 Prozent) will vor allem eine Konsolidierung ihrer Produktionsstandorte angehen. Dies gilt vor allem für größere Firmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten, wie die Umfrage zeigt.

Asien am beliebtesten

Im Zusammenhang mit dem Ausbau der Produktion sind vor allem ausländische Standorte attraktiv. Zwei Drittel der Unternehmen liebäugeln mit einer Verlegung. An erste Stelle steht Asien (37 Prozent, davon China 15 Prozent), gefolgt von Osteuropa (36 Prozent), West- und Mitteleuropa (31 Prozent) sowie Nord- und Mittelamerika (27 Prozent, davon USA 16 Prozent).

Bei den größeren Unternehmen denkt die Mehrheit ebenfalls an Asien (54 Prozent), jedes zweite (50 Prozent) an Osteuropa und 40 Prozent an Nord-, Mittel- und Südamerika. Firmen, die schon konkret planen, zieht es Richtung Asien (40 Prozent, 15 Prozent China), Ost- oder Westeuropa (35 Prozent) oder Nord-, Mittel- und Südamerika (32 Prozent, 21 Prozent USA). 40 Prozent wollen aber ihre Produktion auch in Deutschland ausweiten.

„Was wir hier sehen, ist eine große Neuordnung von Produktionsstandorten und -netzwerken weltweit“, kommentiert Christian Säuberlich, Senior Partner und Sprecher des Vorstands von FTI-Andersch, dem Auftraggeber der Umfrage, das Ergebnis.

Ländern wie den USA sei es durch indirekte Subventionen (Inflation Reduction Act) oder China durch gezielte Förderung von Auslandsinvestitionen gelungen, die eigene Attraktivität als Investitionsstandort weiter zu erhöhen. „Für viele deutsche Unternehmen ist es betriebswirtschaftliche Notwendigkeit, künftig noch stärker zu diversifizieren und international zu investieren, wenn sie im globalen Wettbewerb bestehen wollen.“

Scholz sieht „ein gutes Zeichen für unser Land“

„Es geht voran in Deutschland“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz auf einer Station seiner Sommerreise, über die „Achtung Reichelt“ berichtet. Er sei sehr zuversichtlich, sagt der SPD-Politiker, und was er sehe, sei ein „gutes Zeichen für unser Land“.

Deutschland sei auch ein Land, in dem viel investiert werde. Reichelt widerlegt das, führt den bereits erwähnten ifo-Geschäftsklimaindex an und liefert Zahlen. So zeigt das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) die Geldflüsse auf. 2022 kamen 10,5 Milliarden Euro ins Land, gleichzeitig flossen 135,5 Milliarden ab. Das IW warnt in diesem Zusammenhang vor einer Deindustrialisierung Deutschlands.

Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) hat errechnet, dass die Investitionen nur um 2,2 Prozent steigen. Zum Vergleich: In England werden es 7,2 Prozent sein.

Wichtigster Grund für die Krise sei die Energiewende, die die Energie teurer gemacht habe. Der Standort Deutschland sei daher unattraktiver für die Unternehmen geworden.

2,5 Millionen Euro Steuergelder pro Arbeitsplatz

„Achtung Reichelt“ liefert dafür ein Beispiel: die sowohl von Scholz als auch von Habeck groß gefeierte Ansiedlung des Halbleiter-Produzenten TSMC aus Taiwan in Dresden. 10 Milliarden investiere das Unternehmen laut Habeck, doch die Realität sieht anders aus. Lediglich 3,5 Milliarden Euro bringe der asiatische Konzern mit. Damit sich TSMC, das im Jahr 2022 stolze 29 Milliarden Gewinn gemacht hat, in Dresden niederlässt, gibt es von der Bundesregierung 5 Milliarden Euro Steuergelder. Mit den 1,5 Milliarden Euro, die andere Unternehmen hinzugäben, sind es dann in Summe die vom Wirtschaftsminister genannten 10 Milliarden Euro an Investitionen.

2.000 Arbeitsplätze sollen in der Fabrik entstehen. Reichelt rechnet vor: „Das sind pro Arbeitsplatz 2,5 Millionen Euro Steuergelder an ein Unternehmen, das 29 Milliarden Euro Gewinn gemacht hat.“ Das habe nichts mit einem attraktiven Standort zu tun: „Man kommt nicht mehr zu uns, weil die Bedingungen hervorragend sind, sondern weil die Kohle stimmt.“



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