„Für das Infektionsschutzgesetz kann es nur klares Nein geben!“ – Anwalt aus M-V appelliert an Parteien
Abstandhalten, Kontaktverbot, Maskenpflicht. Bislang konnte man mit seinen Einwänden gegen die Coronaverordnungen die Hilfe der Verwaltungsgerichte anrufen. Dem könnte nun der Riegel vorgeschoben werden. Denn wenn das Infektionsschutzgesetz in seiner aktuellen Regelung verabschiedet wird, bleibt nur der Weg vor das Bundesverfassungsgericht, wo schon „vor Corona“ üblicherweise rund 90 Prozent aller Anträge überhaupt nicht zur Entscheidung angenommen und aussortiert werden. Insgesamt unter drei Prozent aller eingegangenen Anträge wurden positiv beschieden.
Am 21. April berät der Bundestag über den neuen Paragrafen 28b des Infektionsschutzgesetzes und die Festlegung einheitlicher Kriterien, nach denen die Bundesländer einheitlich handeln sollen. „Was jedoch völlig unter dem Radar der Betrachtung läuft und in den Medien überhaupt nicht erörtert wird, ist die Datenerhebung für die Inzidenzwerte“, kritisiert Dr. Hans-Joachim Radisch, Rechtsanwalt von der Mecklenburgischen Seenplatte gegenüber Epoch Times.
Sämtliche Maßnahmen würden von Inzidenzen abhängig gemacht. Im Gesetz selbst werden diese jedoch nicht klar und deutlich geregelt. Dabei sei Sinn und Zweck der Vorschrift, dass man aus dem Gesetz erkennen kann, wann es zu einer Einschränkung kommt und wann nicht.
„Wir brauchen uns also überhaupt keine Gedanken darüber machen, ob es zulässig ist, dass der Föderalismus an dieser Stelle mit Füßen getreten und alles zentral geregelt wird. Die Debatte darüber ist Ablenkung!“, lenkt der Jurist aus Waren (Müritz) den Blick auf das Wesentliche.
„Mit in einem Handstreich verändert die Bundeskanzlerin mehr an der Rechtsstaatlichkeit der Bundesrepublik als Adolf durch das Ermächtigungsgesetz von 1933, das damals ja nur die Betätigung eines schon Jahre zuvor geschaffenen Instrumentes der Weimarer Republik war!“
Radisch zeigt sich besorgt und appelliert: Jeder Politiker müsse sich eindeutig zu dem neuen Infektionsschutzgesetz positionieren. „Dafür kann es nur ein klares Nein geben – ohne Wenn und Aber!“
Unter keinen Umständen dürfe es eine Zustimmung durch eine demokratische Partei geben. „Jede demokratische Partei, die dieses Gesetz in der neuen Fassung stützt, verrät Demokratie und Rechtsstaat, weil Demokratie und Rechtsstaat so nicht mehr aufrechterhalten werden können“, sagt Radisch weiter.
Denn nach Verabschiedung der neuen Fassung hängt dann alles von den schwammigen Kriterien der Inzidenzen ab. Demnach liege die Macht bei einer einzigen Behörde, der Gesundheitsverwaltung, die nicht mehr über rechtsstaatliche Instrumente kontrollierbar sei.
Willkürliche Zahlenerhebung durch Behörden
Einschränkungen von Grundrechten sind laut Radisch nach dem Grundgesetz nur zulässig durch ein Gesetz mit klaren, eindeutigen Kriterien, nach denen die Einschränkungen erfolgen. Und genau das fehle bei dem im parlamentarischen Abstimmungsverfahren befindlichen Entwurf einer Änderung des Infektionsschutzgesetzes (Entwurf des 4. Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 13. April 2021).
Weil die Folgen des Gesetzes nach dessen neuen Paragrafen 28 b allein von der durch die Bundesbehörde RKI verlautbarten und demokratisch und rechtlich nicht kontrollierbaren Inzidenz abhängig sein sollen, sei das Gesetz „ein völlig willkürliches, durch die jeweilige Regierung völlig willkürlich handhabbares Instrument.“ Die Regierung könne über das RKI schlicht jede ihr politisch passend erscheinende Inzidenz verkünden lassen. Das könne schon heute niemand mehr überprüfen, nachmessen oder widerlegen.
Die Einschränkungen würden von einer Inzidenzzahl abhängig gemacht, von der kein Mensch wisse, wie diese Zahl zustande kommt. „Momentan melden die Behörden, wann sie Lust haben und wie sie Lust haben.“ Manche Behörden melden, manche nicht, bei manchen fällt die Meldung am Wochenende aus, erklärt der Jurist, manchmal wird sie nachgeholt, manchmal am nächsten Tag, manchmal in der nächsten Woche.
RKI und Bundesregierung relativieren inzwischen jedes verlautbarte Ergebnis mit fehlenden oder gerade nachgeholten Meldungen, so der Anwalt weiter. „So geht das schon seit einem Jahr!“ Damit ist die Systematik der Datenerhebung der positiv Getesteten völlig unklar. Trotzdem sollen diese Zahlen nun Maßstab und Anlass zur Einschränkung der Grundrechte werden. „Man greift also auf etwas durch RKI, Gesundheitsbehörden oder andere völlig willkürlich Festlegbares zurück.“
„Das kann ja wohl nicht sein, dass Grundrechte eingeschränkt werden, obwohl völlig unklar ist, ob diese Inzidenzen objektiv gegeben sind oder nicht. Und wer stellt das fest? Das ist im Gesetz gar nicht geregelt!“, kritisiert der 67-Jährige weiter.
Es müsse klar geregelt sein, durch welche konkreten Zahlen und Erkenntnisse die Inzidenzen ermittelt werden. Sonst bleibe es auch weiterhin den Gesundheitsämtern überlassen, wann sie melden, ob sie besonders viele positive Fälle melden – auch im Hinblick auf positive Selbst- und Schnelltests und deren positive Kontrolltestungen.
Bei fehlenden Kriterien könnten auch Tests verringert oder partiell gar nicht mehr durchgeführt werden, sodass keine Fälle mehr gemeldet werden, oder aber Meldeergebnisse einfach unterschlagen werden. Selbst nach einem Jahr seien die Meldestrukturen nicht klar.
Ebenso wenig sei verlässlich und eindeutig geregelt, ob und wie Behördenmitarbeiter zur Rechenschaft gezogen würden, falls sie verlässliche pünktliche Meldung der zur Grundlage jeder Regelung gemachten „Positivergebnisse“ durch Untätigkeit verhinderten. Daher dürfe man Grundrechtsbeschränkungen nicht von Inzidenzen abhängig machen, warnt der Anwalt von der Mecklenburgischen Seenplatte.
„Da wird ein scheinbar objektives Gesetz gemacht, was scheinbar von einem klar bestimmten und objektiv feststellbaren Kriterium ausgeht, nach dem Grundrechte eingeschränkt werden. Tatsächlich werden die gravierenden Folgen für jeden Bürger in diesem Gesetz aber von etwas in Wahrheit völlig Willkürlichen abhängig gemacht, nämlich der vom RKI verlautbarten Inzidenzzahl.“
Hinzu komme die Tatsache, dass auch gesunde Menschen in die Statistik eingingen, weil die Richtlinie der Weltgesundheitsorganisation nicht beachtet werde, wonach nur PCR-Tests von Menschen mit Symptomen erfolgen sollten, weil nur so Positivtests eine Aussagekraft über die Verbreitung der COVID-19-Erkrankung besäßen.
Es sei nicht so, dass die Tatsache nur verschwommener Kriterien für die Bestimmung der Inzidenzen neu sei, erklärt der Jurist weiter. Die gravierenden Unklarheiten bestehen seit mehr als einem Jahr. Bislang gab es aber immerhin die Möglichkeit, gegen überzogene, nicht verhältnismäßige oder nicht notwendige Maßnahmen vor die Verwaltungsgerichte zu ziehen. „Das scheidet zukünftig aus. Sobald das Bundesinfektionsschutzgesetz nach der neuesten Version etabliert ist, sind diese rechtlichen Wege abgeschnitten.“
Maximal drei Prozent der Verfassungsbeschwerden führen zum Erfolg
Anders als bei den Corona-Verordnungen kann nach dem neuen Gesetzentwurf künftig kein anderes Verwaltungs- oder Zivilgericht mehr entscheiden, dass die mit dem Infektionsschutzgesetz festgelegten Grundrechtseinschränkungen unzulässig sind. Gegen ein Bundesgesetz wie dieses kann man nur noch vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.
Schon vor Corona ging das Bundesverfassungsgericht vor Verfassungsbeschwerden unter, weiß Radisch zu berichten. Demzufolge werden schon bislang weniger als drei Prozent der Verfassungsbeschwerden positiv beschieden. Allenfalls eine von zehn Verfassungsbeschwerden wird überhaupt zu einer Entscheidung angenommen. „Wenn Sie eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einreichen, dann läuft das nicht wie bei einem normalen Gericht.“
Vielmehr landen Anträge bei – als „Volljuristen“ durchaus juristisch hervorragend qualifizierten – wissenschaftlichen Mitarbeitern. Diese entscheiden dann darüber, ob die eingereichte Verfassungsbeschwerde zu dem kleinen Kreis der ihnen rechtlich lohnenswert erscheinenden Fälle gehören, derer sich das Bundesverfassungsgericht annehmen sollte.
„Wenn dieser wissenschaftliche Mitarbeiter angesichts des Arbeitsanfalles der Auffassung ist, dass der Beschwerde keine überragende Bedeutung zukommt und sie aussortiert wird, weil man zu viel zu tun hat, dann ergeht durch das Bundesverfassungsgericht eine ganz einfache Entscheidung, die auch nicht begründet werden muss“, erklärt Radisch. Dann heißt es einfach: „Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.“ In diesem Fall hat sich das Gericht nicht einmal inhaltlich mit dem Antrag auseinandergesetzt. Damit ist dann auch der Rechtsweg in Deutschland beendet.
Und selbst wenn ein Antrag angenommen wird, dauert es in der Regel mindestens ein bis zwei Jahre, bis eine Entscheidung vorliegt. „Für diese Zeit können Sie den Grundrechtsschutz, wegen dessen sie die Verfassungsbeschwerde eingelegt haben, faktisch erstmal vergessen!“
Man müsse sich im Klaren darüber sein, dass so, wie die Politik die „Corona-Arie“ spiele, sie lediglich der willkommene Anlass sei, um ganz große Veränderungen an anderer Stelle zu etablieren. Das sei sehr schnell deutlich geworden, sagt Radisch. Das gehe los mit der Finanzunion, die jetzt auf europäischer Ebene über eine Schuldenunion durchgedrückt werden soll, für die man erst einmal einen Anlass wie Corona brauchte, um riesige Schulden „zum Wohle der Bevölkerung“ zu machen.
„Man manövriert die Bevölkerungen Europas bewusst in eine Ecke, aus der sie in den nächsten 50 Jahren auf friedlichem Wege nicht mehr herauskommen werden“, so Radisch. „Wenn wir das Bundesinfektionsschutzgesetz in seiner jetzt angestrebten Änderung nicht unterbinden, dann führt das zur Vernichtung der Bundesrepublik als dem verfassten freiheitlichen rechtsstaatlichen Gemeinwesen des Grundgesetzes.“
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