Für 49 Euro durchs Land: Bei der Finanzierung fehlen 400 Millionen Euro
Das Deutschlandticket wird ein Jahr alt – der Verband der Verkehrsunternehmen (VDV) zog am Donnerstag Bilanz und sprach von einem „Erfolgsmodell“. Zumindest bis Ende dieses Jahres ist das Ticket für 49 Euro im Monat zu haben, doch die konkrete weitere Finanzierung und damit der Preis für das kommende Jahr sind weiter offen. Preiserhöhungen sind nicht ausgeschlossen.
Zahlen zum Deutschlandticket
Das Deutschlandticket gibt es seit dem 1. Mai 2023 zum Preis von 49 Euro pro Monat. Erhältlich ist es vorzugsweise digital, es kann monatlich gekündigt werden. Das Deutschlandticket ermöglicht allen Abonnenten bundesweit die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs. In Regionalzügen gilt es in der zweiten Klasse. Nicht gültig ist das Ticket in Fernbussen sowie bis auf wenige Ausnahmen in den Zügen des Fernverkehrs.
Nach jüngsten Angaben der Verkehrsministerkonferenz und des VDV hatten im ersten Jahr monatlich im Durchschnitt 11,2 Millionen Menschen ein Deutschlandticket. Ziel ist, dass es bis zum Jahresende im Schnitt 15 Millionen Tickets werden.
Mit 47 Prozent bilden Neuabonnenten den größten Anteil – sie nutzten den ÖPNV vorher mit Einzelfahrscheinen oder Zeitkarten ohne Abo. Etwa 42 Prozent sind aus bestehenden Abonnements umgestiegen.
Nur rund acht Prozent sind reine Neukunden, die den ÖPNV bislang in der Regel nicht nutzten. Etwa drei Prozent der Befragten machten keine Angaben. 76 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer des Deutschlandtickets wollen dauerhaft in dem Tarif bleiben.
Streit um die Finanzierung
Im Januar einigte sich die Verkehrsministerkonferenz darauf, dass das Deutschlandticket in diesem Jahr weiterhin 49 Euro kosten soll. Doch darüber hinaus ist der Preis nicht gesicher. Knackpunkt bleibt die Frage, wie die Einnahmeverluste für die Verkehrsunternehmen ausgeglichen werden, wenn sie über die zwischen Bund und Ländern vereinbarten Mittel hinausgehen.
Bund und Länder waren übereingekommen, für die finanziellen Ausfälle der Verkehrsunternehmen in den Jahren 2023, 2024 und 2025 jeweils 1,5 Milliarden Euro zu zahlen – also drei Milliarden Euro pro Jahr. Weil das Ticket im vergangenen Jahr erst im Mai startete, sind laut VDV davon noch rund 700 Millionen Euro übrig; der Bund hat zugesagt, diese Mittel auf 2024 zu übertragen.
Das jedoch werde nicht reichen, argumentiert der VDV. Er rechnet für 2024 mit Verlusten von insgesamt 4,1 Milliarden Euro. Damit entstehe ein Ausgleichsdefizit von 400 Millionen Euro, das von Bund und Ländern getragen werden müsse. Deshalb stimmt der VDV Verbraucher bereits auf Preiserhöhungen ein.
Eine Festlegung hält der VDV jedoch für verfrüht, über den Preis für 2025 soll erst in der zweiten Jahreshälfte entschieden werden. Er hängt nicht nur von den Zuschüssen von Bund und Ländern, sondern auch von den Einnahmen aus dem Ticket im Laufe dieses Jahres ab.
Wer sind die Nutzer?
Wie der Verband mitteilte, wollen 76 Prozent der Befragten einer Umfrage das Ticket weiterhin nutzen. 95 Prozent sind grundsätzlich zufrieden mit dem Angebot.
Die Befragung, die regelmäßig monatlich vorgenommen wird, zeigt eine veränderte Nutzung des Nahverkehrs durch das Ticket. So nutzen 53 Prozent der Besitzer den Nahverkehr häufiger als vorher, 16 Prozent fahren mit dem Ticket über Verbundgrenzen hinweg. Außerdem nutzten sie seltener das Auto – hier lag der Rückgang laut VDV bei 16 Prozent.
Die Nutzer sind außerdem eher jung: 35 Prozent sind zwischen 14 und 29 Jahren alt. Mit jeweils 50 Prozent ist die Besitzquote unter Geringverdienenden und Vielverdienenden ausgeglichen.
Nordrhein-Westfalens Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) sprach von einer „Revolution“ und einem „Erfolgsmodell“. Im ersten Jahr hatten demnach monatlich im Durchschnitt 11,2 Millionen Menschen ein Deutschlandticket – Ziel ist es, bis zum Ende dieses Jahres auf 15 Millionen Tickets zu kommen.
Um das zu schaffen, müsse das Ticket aber „vollständig und zuverlässig durchfinanziert“ sein, um Sicherheit und Verlässlichkeit zu haben, sagte VDV-Präsident Ingo Wortmann.
Kritik an 29-Euro-Ticket in Berlin
Berlin bekommt ab dem 1. Juli wieder ein 29-Euro-Ticket für den Nahverkehr, das im Berliner Stadtgebiet gilt und mit einer Mindestlaufzeit von zwölf Monaten verbunden ist. Kunden in der Hauptstadt haben dann die Wahl zwischen dem Deutschlandticket oder dem günstigeren, nur örtlich gültigen Angebot. Die Berliner Regierung hatte argumentiert, das Deutschlandticket sei für einige Menschen zu teuer.
An dem Berliner Ticket gibt es scharfe Kritik. Das Bundesverkehrsministerium sprach von „Doppelstrukturen“ und einem „regionalen Konkurrenzprodukt“, das die Ziele eines vereinfachten bundesweiten Systems konterkariere. Auch Umweltgruppen übten Kritik an dem „Sonderweg“, der letztlich dem Nahverkehr und dem Deutschlandticket schaden werde.
Dem Argument des Preises setzten die Kritiker entgegen, dass die Regierungen der Länder bereits jetzt die Möglichkeit hätten, selbst zusätzliche Rabatte auf das Deutschlandticket zu gewähren, etwa für Senioren oder Schüler. Außerdem könne das Deutschlandticket als Sozialticket abgegeben werden. (afp/red)
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