Fünffacher Vater bei „hart aber fair“: „Schüler sind keine Versuchskaninchen“

Eine heftige Debatte zum Thema "Kinder und Eltern zuletzt: Scheitern Schulen an Corona?" sorgte am Montagabend für erhitzte Gemüter bei den TV-Gästen von Moderator Frank Plasberg.
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Moderator Frank Plasberg bei "hart aber fair" mit seinen Gästen.Foto: screenshot WDR1/ARD
Von 26. Mai 2020

„Schüler sind keine Versuchskaninchen“, so zitiert Stephan Wassmuth, Vorsitzender des Bundeselternrates, die Schülerkonferenz. Im TV-Talk bei „hart aber fair“ am Montagabend (25.5.) zum Thema Schule war er einer der geladenen Gäste. Es könne nicht sein, dass die Schülerinnen und Schüler das ausbaden müssen, was nicht richtig entschieden worden sei.

Für den fünffachen Vater sei die Frage entscheidend: „Was passiert nach den Sommerferien? Wie können wir verlässlichen, nachhaltigen Unterricht gestalten, dass es wirklich für alle Beteiligten nach vorne geht?“ Schon seit Jahren seien die Kinder nach seiner Ansicht benachteiligt, weil die Bildungsschere immer weiter auseinandergehe.

#Schüler sind keine Ver­suchs­ka­nin­chen“, mahnt Stephan Wassmuth, Vorsitzender des Bundeselternrats. „Wir müssen uns darüber im Klaren sein, wie wir nach den Sommerferien nachhaltigen #Unterricht gestalten.“ #hartaberfair @DasErste zum Thema: „Scheitern #Schulen an #Corona?“ pic.twitter.com/iRTBwaeTqV

In Corona-Zeiten liegen die Nerven blank. Eltern sollen während ihrer Arbeit im Homeoffice die Kinder beschulen, Lehrer versuchen, den Unterrichtsstoff über digitale Medien und Aufgabenstellungen zu vermitteln und Kinder lernen – je nach Auffassungsgabe – mehr oder weniger.

Alle acht Tage dreieinhalb Stunden in der Schule, so beschrieb eine junge Mutter den neuen Schulalltag ihrer beiden Kinder in einem Video, das dem „hart aber fair“-Moderator Frank Plasberg zugeschickt wurde.

Der „Bärenanteil“ der Schule finde zu Hause statt. Besonders die Eltern von Erstklässlern stünden vor einer Herausforderung. Denn anders als ältere Schüler könnten die Jüngsten mit Apps nichts anfangen. Da zähle Eins-zu-Eins-Betreuung. „Dauerhaft können wir das, was wir leisten, so nicht bewältigen“, sagte die Betroffene. Sie fordert „wirkliche Lösungen“.

Homeoffice und Hobbylehrer

Wassmuth kritisierte, dass in den jetzigen Zeiten alles an den Eltern hängenbleibe. Arbeit oder Homeoffice und dazu noch Unterricht mit den Kindern. Oft seien es Mütter, die aufgrund der besonderen Situation „alles an den Backen“ hätten. Ihr Tag habe nicht nur 24, sondern oftmals 26 Stunden.

Auf die Frage, ob die Schulen die Zeit genutzt hätten, den Präsenzunterricht vorzubereiten, antwortete der Bundeselternratsvorsitzende: „Ich glaube, die Schulleitungen haben sich schon Mühe gegeben […] aber sind leider von der Politik im Stich gelassen worden.“

„Ich kenne Kinder, die gehen genau zwei Stunden in der Woche derzeit zur Schule“, sagte Moderatorin und Schauspielerin Collien Ulmen-Fernandes. Ihre achtjährige Tochter besucht in die Grundschule. Als Eltern, die in Vollzeit berufstätig seien, hätten sie keine Zeit, „Hobbylehrer“ zu spielen. Während die Kinder dann in der Schule seien, bekämen sie hauptsächlich die Aufgaben für das Homeschooling.

Dreifache Herausforderung für Schulen

Aber woran liegt es, wenn Schüler und Eltern an ihre Grenzen kommen? „An der Situation liegt es“, betonte Udo Beckmann, der Bundesverbandsvorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung. Alle müssten lernen, mit der Situation neu umzugehen. Für die Lehrer bedeute dies, die Notbetreuung abzudecken, die Kinder in der Schule zu betreuen und auch Kinder im Homeschooling zu unterrichten. „Das ist eine dreifache Herausforderung für die Schule, dies alles zu organisieren.“

Es sei die Aufgabe der Länder, anhand der aktuellen Lage Entscheidungen zu treffen, sagte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey, die während der Sendung zugeschaltet war. Dies sei eine „große Verantwortung“ – so lange alles gut gehe, sei alles wunderbar.

Man müsse sich immer wieder vor Augen halten, warum die Maßnahmen ergriffen worden seien, nämlich um „Schaden von Familien und Kindern abzuwenden“. Jetzt sei man in einer Situation, in der Kindeswohl und Kinderschutz gegen Gesundheitsschutz „ein Stück weit abgewogen“ werden müsse. Die Frage, was dem Kindeswohl diene, müsse beantwortet werden. Sie habe Verständnis für die Situation. Auch ihr Sohn sei von der Ausnahmesituation in der Schule betroffen. In seinem Fall wurde die Klasse in zwei Gruppen aufgeteilt, die wochenweise zum Unterricht gehen.

Engagierte Lehrkräfte und Ausnahmen

„Ich glaube, dass es insgesamt sehr viele engagierte Lehrerinnen und Lehrer gibt“, sagte die württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann, auch wenn es manche „kritikwürdigen“ Fälle unter ihnen geben würde. Damit nimmt sie Bezug auf einen eingespielten Videobeitrag, nachdem eine Lehrerin ihre Online-Klasse wegen eines Zahnarzt-Kontroll-Termins für ihr Kind sitzen gelassen haben soll.

Moderator Frank Plasberg warf Eisenmann vor, dass sie den Brückentag nach dem Herrentag nicht generell als Schultag in ihrem Bundesland angeordnet hat. Manchmal müsse „Politik mit Symbolen arbeiten“, sagte er. „Ich finde, Politik sollte vor allem mit Taten und Konzepten arbeiten“, konterte Eisenmann. Sie wehrte sich gegen eine pauschale Einordnung von Schulen und Lehrern und das vom Moderator gezeichnete Bild, dass diese weder engagiert noch am Unterricht interessiert seien.

„Wir kommen hier nicht weiter, wenn wir über den Brückentag diskutieren“, warft die Bundesfamilienministerin ein. Für viele Familien sei dieser Tag eine gute Gelegenheit gewesen, zusammen einen Ausflug zu machen. Man habe jedoch „wichtigere und bedeutsamere“ Fragen, die einer Lösung bedürfen.

Digitale Bildung

Bereits seit Beginn der Legislaturperiode würde es den „Digitalpakt Schule“ geben. 40 Millionen Euro seien von den zur Verfügung gestellten fünf Milliarden abgerufen worden.

In der Praxis gebe es junge Lehrerinnen und Lehrer, die eine Scheu hätten vor digitalem Lernen, betonte Eisenmann. Sie mögen es „sehr analog“. Umgekehrt gebe es jedoch auch viele ältere Lehrer, die für Digitalisierung in den Schulen offen seien.

Verena Pausder, Gründerin des Vereins „Digitale Bildung für Alle“ hatte einen klaren Ansatz: „Ich glaube, wir müssen gerade ausbaden, dass wir zu lange mit dem Thema gehadert haben, statt einfach klar zu sagen, wie wir zum Beispiel diesen Digitalpakt umsetzen“, meint Pausder. „Da haben wir einfach verschlafen.“

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