Forderungen nach Aufarbeitung: Untersuchungsausschuss oder Enquete-Kommission?

Die Enthüllung der Corona-Protokolle des Robert Koch-Instituts (RKI) hat eine Debatte über die Transparenz der Corona-Politik im Deutschen Bundestag entfacht. Gefordert werden Untersuchungsausschuss oder Enquête-Kommission, aber es gibt auch Stimmen aus der Politik, anstelle einer parlamentarischen Aufarbeitung einfach „nach vorn zu blicken“.
Titelbild
Das Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin.Foto: Michael Kappeler/dpa
Von 5. April 2024

„Es braucht endlich eine Untersuchung der Corona-Politik im Deutschen Bundestag“, forderte kürzlich FDP-Politiker Frank Schäffler nach Bekanntwerden der durch das „Multipolar“-Magazin herausgeklagten Corona-Protokolle vom Robert Koch-Institut (RKI).

FDP fordert Enquete-Kommission zu Corona

In einem gemeinsamen Brief an die Fraktionsspitzen der Ampel drängte Ende März die FDP auf die Einberufung einer Enquete-Kommission zu den drei Jahren Corona-Politik. Der „zum Teil hochproblematische politische Umgang mit der Mega-Krise Corona“ sei als Chance zu sehen. Eine Aufgabe der Kommission müsse sein, Mängel in der Resilienz der Bildungs-, Sozial-, Wirtschafts- und Gesundheitssysteme sowie des gewaltengegliederten Verfassungsstaats zu identifizieren und einer „gesellschaftlich verträglichen Lösung zuzuführen“.

FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki forderte zudem Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf, sämtliche Protokolle des RKI-Krisenstabs, die sogenannten RKI-Files, ohne Schwärzungen zu veröffentlichen. „Früher oder später wird er ohnehin gezwungen werden, entweder gerichtlich oder politisch, dies zu tun“, sagte Kubicki der „Deutschen Presse-Agentur“ (dpa).

Auch von der Union gibt es Stimmen pro Aufarbeitung. „Eine sachliche und wissenschaftliche Aufarbeitung der Corona-Pandemie hat für mich oberste Priorität“, äußerte sich die CDU. Gesundheitspolitikerin Simone Borchardt warnt gleichsam vor „vorschnellen Schlüssen und Interpretationen, die aus dem Sachzusammenhang der RKI-Files gerissen sein könnten“. Fakt sei aber, dass Fehler gemacht wurden. „Deshalb ist es umso wichtiger, die Maßnahmen im Rahmen einer Enquete-Kommission aufzuarbeiten, um für zukünftige Herausforderungen besser gewappnet zu sein.“

Enquete-Kommission oder Untersuchungsausschuss?

Eine Enquete-Kommission ist ein parlamentarisches Gremium, das temporär eingesetzt wird, um komplexe Sachverhalte zu untersuchen und Empfehlungen für politische Maßnahmen zu erarbeiten. Im deutschen Kontext wird sie meist von Landtagen eingesetzt oder vom Bundestag.

Auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder ist er sogar dazu verpflichtet. Mitglied in einer Enquete-Kommission können Abgeordnete sowie externe Experten sein. Ziel ist es, durch das Sammeln von Informationen und die Erarbeitung von Empfehlungen die Grundlagen für Entscheidungen des Parlaments und der Regierung zu schaffen.

Ihr Nutzen zielt darauf ab, zukunftsorientierte Lösungen und Handlungsansätze zu entwickeln, ohne dabei primär Verantwortlichkeiten für vergangene Ereignisse zuzuweisen oder Konsequenzen für bestimmte Handlungen oder Entscheidungen zu fordern.

Ein Beispiel aus der Vergangenheit ist die Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz“ (2018 bis 2020). Mit dem Aufkommen von Künstlicher Intelligenz (KI) und ihrer zunehmenden Integration in verschiedene Lebensbereiche wurden Fragen zu ethischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen aufgeworfen.

Die Ergebnisse fließen in politische Empfehlungen und Gesetzesinitiativen ein, wenn es darum geht, den Umgang mit KI in Deutschland zu regulieren und zu gestalten.

Eine Enquete-Kommission agiert eher wie ein Thinktank des Parlaments, ist aber ein Instrument parlamentarischer Arbeit genauso wie ein Untersuchungsausschuss. Dieser hat allerdings andere Ziele und Arbeitsweisen als eine Enquete-Kommission. Im Vergleich zu dieser ist ein Untersuchungsausschuss ein regelrecht „scharfes Schwert“ in der parlamentarischen Arbeit.

Ein Untersuchungsausschuss wird eingesetzt, um konkrete Vorfälle oder Skandale zu untersuchen, die oft im Zusammenhang mit möglichen Verstößen gegen Gesetze oder Missständen in der Regierungsarbeit stehen.

Sein Fokus liegt darauf, Verantwortlichkeiten zu klären, mögliche Missstände aufzudecken und gegebenenfalls strafrechtliche Konsequenzen zu ermitteln. Die Mitglieder eines Untersuchungsausschusses haben weitreichende Befugnisse, einschließlich des Rechts, Zeugen vorzuladen und Beweismaterialien einzusehen.

Wie bei einer Enquete-Kommission muss sich mindestens ein Viertel der Abgeordneten solch einem Antrag anschließen, dass der Bundestag verpflichtet ist, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, der unabhängig von anderen Staatsorganen mögliche Missstände in Regierung und Verwaltung und mögliches Fehlverhalten von Politikern prüft.

Ein Beispiel aus der Vergangenheit ist der Untersuchungsausschuss „Wirecard-Skandal“ (2020 bis 2021). Er behandelte den Finanzskandal um den deutschen Zahlungsdienstleister Wirecard, das Versagen der Finanzaufsichtsbehörden und mögliche politische Verstrickungen, nachdem sich herausgestellt hatte, dass Bilanzen gefälscht worden waren und über 1,9 Milliarden Euro fehlten. Abgeordnete des Bundestags hatten mehr als 100 Zeugen vernommen, um das Versagen des Staates im Fall Wirecard zu untersuchen.

Wagenknecht und Weidel wollen Untersuchungsausschuss

Solch einen Untersuchungsausschuss im Hinblick auf die Corona-Aufarbeitung fordern aktuell die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht: „Eine Enquete-Kommission reicht nicht aus“, sagte BSW-Chefin Wagenknecht der dpa. „Notwendig ist ein Untersuchungsausschuss, um die Zeit mit den größten Grundrechtseinschränkungen in der Geschichte der Bundesrepublik zu beleuchten.“

Auch die AfD – wie Gesundheitspolitiker Martin Sichert – rief zur Unterstützung dafür auf, einen Untersuchungsausschuss einzurichten. „Die Bundesregierungen unter Merkel und Scholz haben in den Jahren 2020 bis 2022 Millionen Menschen als ‚Schwurbler‘ bezeichnet, weil sie die Corona-Maßnahmen hinterfragten. Die Verantwortlichen setzten die Grundrechte willkürlich außer Kraft, zwangen Millionen Menschen in ein Genexperiment, ruinierten die Kindheit unzähliger junger Menschen und spalteten die Gesellschaft. Willfährige Medien – allen voran ARD und ZDF – unterstützten die Regierung dabei. All das basierte auf der Risikoeinschätzung des RKI. Jetzt ist bewiesen: Die Risikoeinschätzung des RKI war politisch geplant – es war keine wissenschaftliche Einschätzung.“

Entsprechend fordert auch AfD-Bundessprecherin Alice Weidel, dass Deutschland einen Corona-Untersuchungsausschuss brauche. Eine Enquete-Kommission, wie von der FDP gefordert, reiche nicht aus. „Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf zu erfahren, was damals wirklich passierte.“

Die AfD hatte bereits 2023 im Bundestag einen Corona-Untersuchungsausschuss eingefordert. Daraus wurde nichts: Gegen den Antrag stimmten am Mittwoch, 19. April 2023, in namentlicher Abstimmung 577 Abgeordnete, 71 Parlamentarier waren dafür.

Das 16-köpfige Gremium sollte, so die seinerzeit gescheiterten Pläne der AfD, „das Verhalten der Bundesregierung und ihrer Geschäftsbereichsbehörden im Kontext der Bewältigung der Maßnahmen gegen das Coronavirus untersuchen“.

Nichts von beidem: Statt Aufarbeitung „nach vorn blicken“

Ob Untersuchungsausschuss oder Enquete-Kommission; viele Parlamentarier wollen weder noch – mit den unterschiedlichsten Erklärungen:

Zuletzt positionierte sich Christian Drosten, eines der bekanntesten Pandemie-Gesichter, dagegen. Er würde sich einen gesellschaftlichen Aufarbeitungsprozess anstatt einer Enquete-Kommission wünschen, sagte der Virologe im „Deutschlandfunk“: „Eine politische Kommission würde eher dazu führen, dass bestimmte Kräfte da eine Bühne bekommen, die gar nicht im Zentrum der Diskussion stehen sollten.“

Eine politische Instrumentalisierung befürchtet auch der SPD-Politiker Christos Pantazis. Er habe den Eindruck, „einige Akteure wollen politisch Kapital aus diesem Thema schlagen“. Der stellvertretende gesundheitspolitische Sprecher bei den Sozialdemokraten warnt vor einem „rückwärtsgewandten Scherbengericht“ oder einem „eindimensionalen Untersuchungsausschuss, der die Interessen einzelner bedient“.

Auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) befand, dass es keine politische Aufarbeitung, sondern nur eine wissenschaftliche geben sollte. Es sei wichtig, „nach vorn zu blicken“. Der Minister twitterte dazu auf X:

„Aufklärung ist gut, aber wir dürfen nicht durch Einmischung fremder Regierungen Verschwörungstheorien in sozialen Medien entstehen lassen.“



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