Flüchtlingsversorgung: Landkreistag warnt vor Zuständen wie 2015
Der Deutsche Landkreistag hat bei der Unterbringung von Flüchtlingen vor Zuständen wie in den Jahren der starken Migrationsbewegung gewarnt. „Die Landkreise haben bei der Aufnahme und Unterbringung ukrainischer Flüchtlinge vielerorts die Kapazitätsgrenzen erreicht“, sagte der Präsident des Deutschen Landkreistages (DLT), Reinhard Sager, dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND). „Wir wollen keine Zustände wie 2015/2016, steuern aber genau darauf zu“, warnte Sager.
Vor allem fehlender Wohnraum sei ein Problem. Flüchtlinge müssen nach Angaben des Landrats derzeit in Turnhallen untergebracht werden. Im Südwesten schließen Städte und Landkreise auch Container-Lösungen nicht aus.
Damit steht Deutschland erneut vor den gleichen Herausforderungen wie schon zuvor während der Flüchtlingskrise 2015/2016. Zu der Zeit kamen Hunderttausende Menschen, unter anderem aus Syrien, über Ungarn und Österreich nach Deutschland. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge registrierte allein im Jahr 2015 rund 890.000 Asylsuchende. Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte daran festgehalten, die deutschen Grenzen offenzuhalten. Einer ihrer bekanntesten Sätze fiel damals: „Wir schaffen das.“ Merkels Entscheidung ist innerhalb der Union, aber auch in der Gesellschaft umstritten.
Keine Entspannung der Lage in Sicht
Die Migrationsbewegung erreicht mit der aktuellen humanitären Krise in der Ukraine jedoch eine ganz andere Dimension. Dem UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) zufolge haben rund 7,3 Millionen Ukrainer ihr Land aufgrund des Krieges verlassen müssen (Stand: September) – die größte Flüchtlingsbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg. Zwischen Februar und September 2022 waren im Ausländerzentralregister über eine Million Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland erfasst. Ein Teil von ihnen dürfte bereits wieder ausgereist sein. Auch lassen sich nicht alle Ukraine-Flüchtlinge sofort registrieren, sodass die Zahl nur bedingt aussagekräftig ist.
Der Städtetag rechnet weiterhin damit, dass die Zahl der Flüchtlinge aus der Ukraine mit Beginn der kalten Jahreszeit weiter steigen wird. Zudem sei absehbar, dass manche Ukrainer, die bereits in Deutschland seien, nicht länger in privaten Haushalten bleiben könnten und dann staatlich untergebracht werden müssten.
Gleichzeitig steige die Zahl der Asylbewerber aus anderen Herkunftsländern, überwiegend aus Syrien und Afghanistan. Nach Auskunft des Bundesinnenministeriums wurden beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in den ersten sieben Monaten dieses Jahres 113.171 Asylanträge gestellt, rund 17 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.
Auch die Zahl illegaler Einreisen steigt. Die Bundespolizei hat in diesem Jahr bis Ende Juli an den deutschen Grenzen rund 36.000 Personen registriert. Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen. „Der aufsteigende Trend ist auch in den europäischen Nachbarstaaten festgestellt“, sagt eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums. Die irreguläre Migration laufe vor allem über die Balkanregion. Die Menschen überqueren dann die Landgrenzen von Österreich und Tschechien nach Deutschland. Ein weiterer Schwerpunkt seien Einreisen aus Griechenland auf dem Luftweg.
Verteilungskritik in NRW und Niedersachsen
Kommunale Spitzenverbände beklagen sich indes über schwerwiegende Probleme bei der Unterbringung von Flüchtlingen und Migranten. „Die Kommunen stoßen bei der Unterbringung an ihre Grenzen“, sagte Christof Sommer, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes NRW, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Nach wie vor sind viele aus der Ukraine Geflüchtete mangels Alternativen in Hotels untergebracht“, heißt es aus Bonn.
Die Städte in Nordrhein-Westfalen hatten sich bei der Landesregierung unlängst über die ihrer Ansicht nach falsch organisierte Verteilung beschwert. Derzeit befänden sich rund 9.000 Geflüchtete mehr in der Stadt als bei einer gleichmäßigen Verteilung innerhalb von NRW richtig wäre.
Die Landesregierung in Düsseldorf drohte vergangene Woche mit einem Aufnahmestopp. In einem Brief an das Bundesinnenministerium verwies der Staatssekretär im NRW-Flüchtlingsministerium darauf, dass sich die Lage in Nordrhein-Westfalen in den vergangenen Tagen zugespitzt habe. Grund dafür sei vor allem, „dass sich einige Länder trotz bestehender Unterquote für eine Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine haben sperren lassen und Geflüchtete nach Nordrhein-Westfalen weitergeschickt werden“. Zuvor hatte „Business Insider“ berichtet.
Nicht nur in Berlin kann es eng werden – Landkreistag für Flüchtlingsgipfel
Niedersachsen hatte Ende August versprochen, ab September für eine bessere Verteilung innerhalb des Landes zu sorgen. Zur Entlastung der Kommunen werde es darüber hinaus seine Kapazitäten zur Erstaufnahme aufstocken. „Wir stehen aktuell davor, weitere Liegenschaften und Kapazitäten im Land für die Erstaufnahme bereitzustellen“, sagte Innenminister Boris Pistorius (SPD).
Ein Sprecher des Migrationsministeriums von Baden-Württemberg berichtet, in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes sei trotz eines Ausbaus der Kapazitäten bereits „Wochen vor der erfahrungsgemäß zugangsstarken Herbstsaison die Kapazitätsgrenze erreicht“. „In Bayern sind die Asylunterkünfte sehr hoch ausgelastet“, teilt das bayerische Innenministerium mit. In Brandenburg werden aktuell zwei Notunterkünfte betrieben. Berlin sucht nach mehr Unterbringungsmöglichkeiten, auch in Hostels. Geprüft wird in der Hauptstadt auch die „Nachverdichtung“ bestehender Unterkünfte. In dem Fall würde es dann dort enger.
Da zu den Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine viele Frauen mit Kindern zählen, müssen sich die Kommunen auch um Schulplätze kümmern. Die „Bereitstellung von Plätzen in Kita und Schule sowie die gesundheitliche Versorgung werden zunehmend zum Problem“, erklärte DLT-Präsident Sager. Hinzu kommen Engpässe bei der Ausstattung der Unterkünfte aufgrund der derzeitigen Lieferprobleme. Das betrifft unter anderem Betten und Kühlschränke.
Nun drängen die Landkreise und der Deutsche Städtetag die Bundesregierung dazu, so schnell wie möglich einen neuen Flüchtlingsgipfel mit Ländern und Kommunen einzuberufen. (dl)
(Mit Material von Nachrichtenagenturen)
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