Flüchtlingsgipfel: Über Geld spricht man nicht? Entscheidungen über Finanzverteilung vertagt
Der zweite Flüchtlingsgipfel mit Kommunen und Ländern im Bundesinnenministerium ist ohne konkrete Beschlüsse zu Ende gegangen. Das wichtigste Ergebnis der Beratungen sei, dass man „Seite an Seite“ stehe, um die hohe Anzahl an Flüchtlingen und Asylbewerbern zu versorgen, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Donnerstagnachmittag. Sie kündigte unter anderem an, sich für eine bessere Verteilung von Flüchtlingen in der EU einsetzen zu wollen.
Zudem werde man identifizieren, wo die Belastungen in Deutschland besonders groß seien und wo noch Kapazitäten genutzt werden könnten. Die sehr unterschiedlichen Belastungen in den Kommunen und Regionen sollen auch über ein neues digitales Dashboard erfasst werden.
Keine Beschlüsse zur Finanzierung
Auch bei der im Vorfeld oft gestellten Frage der Finanzierung gab es keine Beschlüsse. Der weitere „Fahrplan“ sei hier „klar geregelt“, so Faeser. Sie kündigte an, dass Entscheidungen „bis Ostern“ erfolgen sollen, wobei der Kanzler mit den Länderchefs darüber verhandeln werde. „Wir werden handeln und pragmatische Lösungen finden, um die vielerorts angespannte Unterbringungssituation zu lösen“, fügte sie hinzu.
Für Ostern ist ein Spitzengespräch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Ministerpräsidenten der Länder vorgesehen. Bis dahin sollen konkrete Ergebnisse zu den Bereichen Unterbringung und Finanzen, Entlastung der Ausländerbehörden und Verschlankung der Prozesse, bessere Integration auch in den Arbeitsmarkt sowie Begrenzung irregulärer Migration erzielt werden.
Bereits heute stelle man „nahezu 70.000 Unterbringungsplätze“ zur Verfügung. „Wir haben heute zugesagt, weiterhin alles zur Verfügung zu stellen, was möglich ist“, sagte die SPD-Politikerin. Man identifiziere freien Wohnraum und Leerstände – die Situation sei bundesweit sehr unterschiedlich. Zudem nutze man freie Grundstücke, die man schnell bebauen könne und wolle weitere Bundesliegenschaften zur Verfügung stellen.
Vor allem sei es erstmals gelungen, „feste Arbeitsstrukturen über alle Ebenen hinweg zu vereinbaren“, sagte Faeser.
Mehr Menschen als 2015/16
Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager (CDU), zeigte sich unzufrieden mit den Ergebnissen des Flüchtlingsgipfels. Eigentlich hätte der Bundeskanzler zu einem solchen Gipfel laden müssen, sagte der Landkreisvertreter, der auf der Pressekonferenz direkt nach Faeser sprach. „Das ist leider nicht der Fall.“
Das Flüchtlingsproblem sei größer als im Jahr 2015/16. Mehrere Arbeitsgruppen, die von Faeser angekündigt wurden, sieht er kritisch. Vor allem äußerte er Zweifel, ob bis Ostern Ergebnisse stehen. Zudem warf Sager dem Bund vor, beim Thema Finanzen „nicht bereit“ zu sein, die Kommunen zu unterstützen.
Bei dem Gipfel im Innenministerium waren auch Vertreter des Bundesbau- und des Bundesfinanzministeriums und der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben sowie die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung dabei. Sie tauschten sich mit den kommunalen Spitzenverbänden und den zuständigen Landesministern über die aktuelle Lage aus, die sich vor allem aufgrund der hohen Anzahl an Flüchtlingen aus der Ukraine immer weiter verschärft hatte.
Bei den Gesprächen ging es unter anderem um die Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern und Flüchtlingen.
Mehrheit der Ukrainer wohnt hierzulande in Privatwohnungen
Die meisten der nach Deutschland geflüchteten Ukrainer leben in Privatwohnungen. Fast drei Viertel (74 Prozent) der Flüchtlinge sind einer Befragung zufolge direkt nach ihrer Ankunft in private Wohnungen gezogen, mehr als die Hälfte bewohnt diese allein oder mit Angehörigen.
Dies ist eins der Ergebnisse der Studie „Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland“, die in Berlin vorgestellt wurde. Nur 9 Prozent lebten in Gemeinschaftsunterkünften. Die Erhebung ist nach Angaben der Autoren repräsentativ für diejenigen, die zwischen dem Kriegsbeginn am 24. Februar und Anfang Juni 2022 nach Deutschland gekommen sind. Drei Viertel der aktuell hierzulande lebenden Ukrainer ist demnach in diesem Zeitraum gekommen.
Von den Befragten in Privatwohnungen lebten 60 Prozent allein, 26 Prozent zusammen mit Familien und Freunden und der Rest zusammen mit anderen Personen. Generell seien Menschen in Privatunterkünften zufriedener, erklärte Andreas Ette vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung – da müsse es allerdings keinen kausalen Zusammenhang geben.
„Es zeigt sich, dass sich die deutliche Mehrheit in Deutschland willkommen fühlte“, sagte Nina Rother vom Bamf-Forschungszentrum. Dies gelte unabhängig von Alter und Geschlecht und spiegele die „hohe Willkommenskultur und Solidarität“ in Deutschland wider.
Yuliya Kosyakova vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung erklärte, es sei wichtig, Integrations- und Unterstützungsmaßnahmen auf einen langfristigen Aufenthalt auszurichten. Die Integration ukrainischer Frauen werde ohne geeignete Kinderbetreuung erschwert. Viele litten unter der Trennung von engen Angehörigen und benötigten psychosoziale Betreuung.
Die Untersuchung wurde vom Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf), dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, dem BiB und dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung erstellt. (afp/dpa/red)
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