Flüchtlinge und Arbeitsmarkt: Zetsches „Wirtschaftswunder“ blieb aus
Ein aktueller Lagebericht der Bundesarbeitsagentur zieht eine durchwachsene Bilanz bezüglich des „Jobturbos“, den Bundesarbeitsminister Hubertus Heil für ukrainische Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt angekündigt hatte. Dies berichtete am Montag, 4. Februar, die „Rheinische Post“. Der Anteil von Migranten, die aus der Arbeitslosigkeit in die Beschäftigung eintreten, ist zurückgegangen.
Bei ukrainischen Frauen, die den größten Teil der Kriegsflüchtlinge bilden, ist die Abgangsrate im Januar 2024 auf jahresdurchschnittlich 1,2 Prozent zurückgegangen. Gegenüber dem Vergleichszeitpunkt des Vorjahres ist das ein Minus von 0,5 Prozentpunkten. Bei Männern ging sie sogar von 3,4 auf 2,4 Prozent zurück.
Schlechte Konjunktur lähmt auch Arbeitsmarktdynamik für Flüchtlinge
Vor drei Monaten hatte Minister Heil diese Offensive verkündet. Ukrainische Asylsuchende sollten nach einem erfolgreich absolvierten Integrationskurs möglichst zeitnah in Arbeit kommen. Dies sollte die bis dato geringe Einstiegsquote von 17 Prozent im vergangenen Herbst deutlich steigern.
Der Sonderbeauftragte für den „Jobturbo“, Daniel Terzenbach, nennt vor allem zwei Faktoren, die das Programm in negativer Weise belastet hätten. Zum einen sei die schlechte Konjunktur insgesamt ein Faktor, der Neueinstellungen nicht begünstige. Zum anderen sei die Zahl der erwerbsfähigen Ukrainer im vergangenen Jahr um weitere knapp 50.000 angestiegen.
Im Januar 2024 habe sich zudem die Arbeitslosenzahl insgesamt im Vorjahresvergleich um fast 200.000 erhöht. Terzenbach dazu:
„Da ist es schon positiv zu sehen, wenn die Arbeitslosigkeit bei der schwächsten Gruppe am Arbeitsmarkt – und das sind unter anderem Geflüchtete ohne fließende Deutschkenntnisse – nicht merklich steigt.“
Fachkräftepotenzial unter Flüchtlingen aus der Ukraine wäre hoch
Das Fachkräftepotenzial unter den ukrainischen Flüchtlingen ist dem BA-Lagebericht deutlich höher als jenes aus den acht größten Asylherkunftsländern. Diese wären Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien. 68 Prozent der Asylsuchenden, die von dort kämen, wären anfänglich lediglich für Helfertätigkeiten geeignet und müssten erst qualifiziert werden.
Der „Jobturbo“ sollte sich auf etwa 400.000 Ukrainer erstrecken, „die derzeit im Bürgergeld sind und bereits Sprachkenntnisse erworben haben“. Grundsätzlich sei der Anteil der ukrainischen Geflüchteten mit Fachkraftqualifikation hoch. Dennoch gebe es Verzögerungen bei der Anerkennung von Abschlüssen und den Sprachkenntnissen.
Von allen Flüchtlingen aus der Ukraine seien 68 Prozent Frauen, von diesen wiederum ein Drittel alleinerziehend – mit Schwierigkeiten bei der Organisation von Kinderbetreuung. Dies mache die Integration in den Arbeitsmarkt schwieriger als bei männlichen Flüchtlingen, betont Terzenbach.
Bürgergeldbezug: Quote unter ukrainischen Kriegsflüchtlingen 60 Prozent
Insgesamt seien von 2,4 Millionen Asylsuchenden in erwerbsfähigem Alter, die sich derzeit in Deutschland befänden, 750.000 in einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Unter den ukrainischen Kriegsflüchtlingen sei das Verhältnis 840.000 Erwerbsfähige zu 170.000 bereits Beschäftigten.
Die Quote der Bürgergeldbezieher habe im Oktober unter den Ukrainern bei 60 Prozent gelegen, bei den Angehörigen von Asylherkunftsländern bei 40 Prozent. Bezüglich regulärer Asylbewerber, zu denen ukrainische Kriegsflüchtlinge nicht gehören, ist zu beachten, dass es Restriktionen beim Arbeitsmarktzugang gibt.
Diesen bekommen sie in den ersten drei Monaten des Asylverfahrens nicht, und solange sich die Asylsuchenden in einer Erstaufnahmeeinrichtung aufhalten. Sonderregelungen gibt es auch für Personen mit Duldungsstatus – je nach Unterbringungssituation. Für Asylbewerber mit minderjährigen Kindern gibt es zusätzliche Restriktionen beim Arbeitsmarktzugang.
Zetsches Vergleich mit Zeit der „Gastarbeiter“-Abkommen hinkte
Bezüglich des „Jobturbos“ haben sich vorschnelle Erwartungen in die Integrationsfähigkeit der Asylsuchenden damit nicht bewahrheitet. Ähnlich hatte es sich bereits nach den Fluchtbewegungen Mitte der 2010er-Jahre verhalten, als Wirtschaftsgrößen wie der damalige Daimler-CEO Detlef Zetsche ein „neues Wirtschaftswunder“ erwartet hatten.
Zetsche hatte die Lage mit den 1960er-Jahren verglichen, als eine Vielzahl von Anwerbeabkommen zur Gewinnung sogenannter Gastarbeiter geführt hatten. Der Spitzenmanager wies auf die Vielzahl unbesetzter Lehrstellen hin und auf die Motivation von Menschen, die ihr komplettes Leben hinter sich gelassen hätten.
Allerdings waren die Verhältnisse zum damaligen Zeitpunkt deutlich anders. Zum einen standen für diese bereits zum Zeitpunkt ihrer Anwerbung potenzielle Arbeitsplätze in Aussicht. Zum anderen ging der damalige Anwerbeprozess mit erheblichen bürokratischen Kontrollen und Untersuchungen einher.
Deutliches Beschäftigungsgefälle zwischen Männern und Frauen
Heutzutage geht die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zögerlicher vonstatten. Im Juli des Vorjahres präsentierte das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Zahlen dazu. Im Jahr 2021 waren demnach 54 Prozent der 2015 nach Deutschland gekommenen Schutzsuchenden erwerbstätig. Seit der Coronakrise war das noch einmal ein Plus von zehn Prozentpunkten.
Von den erwerbstätigen Geflüchteten übten 70 Prozent eine Tätigkeit aus, für die ein Berufs- oder Studienabschluss erforderlich ist. Ein Drittel der erwachsenen Flüchtlinge hatte sechs Jahre nach ihrer Ankunft Schulen oder Hochschulen besucht oder Abschlüsse durch Aus- oder Weiterbildungsmaßnahmen erworben. Oberhalb ihres Tätigkeitsniveaus vor dem Zuzug seien allerdings erst 12 Prozent tätig. Demgegenüber sind 41 von 100 nach wie vor unterhalb desselben erwerbstätig.
Unter den vollzeiterwerbstätigen Geflüchteten des Jahres 2015 lag der mittlere Bruttomonatsverdienst 2021 allerdings erst bei 60 Prozent jenes der Vollzeiterwerbstätigen. Ein Faktor dafür, so das IAB, sei das niedrige Durchschnittsalter. Ein deutliches Gefälle in der Erwerbstätigkeit zeigt sich zwischen Männern (zu 67 Prozent erwerbstätig) und Frauen (23 Prozent). Acht Jahre nach Ankunft stieg die Quote bei den Letztgenannten allerdings auf 39 Prozent.
Integrationskurse erst seit 2005 – dies hatte Auswirkungen auf Flüchtlinge aus Ex-Jugoslawien
Die Integration der aus Syrien und dem Irak geflüchteten Asylsuchenden in den Arbeitsmarkt verlief jedoch im Vergleich erfolgreicher als jene der Flüchtlinge aus dem Bürgerkrieg in Ex-Jugoslawien in den 1990er-Jahren.
Fünf Jahre nach dem Zuzug hatten unter den zwischen 1992 und 2013 ins Land gekommenen Geflüchteten erst 44 Prozent eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Wie der „Faktenfuchs“ des BR analysiert, war die Integrationsinfrastruktur zum damaligen Zeitpunkt nicht in diesem Maße ausgebaut.
Erst seit 2005 gibt es Integrationskurse – und bis 2015 durften Asylbewerber ohne abgeschlossenes Verfahren daran nicht teilnehmen. Ferner war für viele Flüchtlinge aus Ex-Jugoslawien die staatlich geförderte Rückkehr eine Option. Für Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan war dies meist nicht der Fall.
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