Firmensterben bei Handwerksbetrieben, längere Wartezeiten für Kunden

Trotz voller Auftragsbücher kämpft das Handwerk mit Nachwuchsproblemen. Ein „Handwerkssterben“ aufgrund fehlender Nachfolger ist im Gange. Schon jetzt braucht ein Handwerkertermin oft bis zu drei Monate Vorlauf. Die Tendenz könnte sich zukünftig verschärfen.
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Drei Monate Wartezeit, bis der Blaumann kommt?Foto: AndreyPopov/iStock
Von 10. Januar 2025

Das Handwerk galt als eine der traditionellen und größten Stützen der deutschen Wirtschaft. Derzeit hat es eine weniger rosige Prognose. Laut dem Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) zeichnet sich ein Firmensterben ab.

Mindestens 125.000 Familienbetriebe suchen in den nächsten fünf Jahren eine Unternehmensnachfolgerin oder einen Unternehmensnachfolger, so der ZDH.

ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke hat davor schon 2022 in der „Deutschen Handwerkszeitung“ gewarnt: „Wenn man weiß, dass jeder Betrieb durchschnittlich fünf, sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat, dann reden wir ganz schnell von 600.000 bis 800.000 Beschäftigten bundesweit“, deren Arbeitsplätze nicht gesichert sind.

In zwanzig Jahren fast jede zweite Firma auf Nachfolgersuche

Während aktuell von 125.000 Handwerksbetrieben mit Nachfolgerbedarf in den kommenden Jahren ausgegangen wird, werden es in 20 Jahren bis 2045 sogar rund 450.000 Firmen und damit fast jeder zweite Handwerksbetrieb sein, bei dem ein Nachfolger gesucht wird, erweitert der stellvertretende Verbandspräsident Franz Xaver Peteranderl die Perspektive in „Bild am Sonntag“.

Sein vorläufiges Fazit: „Viele Betriebe werden aufhören“, so Peteranderl und konkretisiert auch, was das für Kunden, die Handwerksleistungen in Anspruch nehmen wollen, bedeutet: „Sie müssen wahrscheinlich länger warten, bis sie einen Handwerker finden.“ 

Volle Auftragsbücher und keine Nachfolge 

Aktuell müssten Kunden im Durchschnitt knapp neun Wochen auf einen Handwerkertermin warten. „Die Auftragsbücher der Betriebe sind derzeit für acht bis neun Wochen zu 90 Prozent gefüllt“, sagte Peteranderl „Bild am Sonntag“. Es werde definitiv „nicht mehr so sein wie in den 2000er-Jahren, als Sie bei einem Handwerker angerufen haben und der stand am nächsten Tag vor der Tür“.

Die größte Hürde für einen erfolgreichen Übergabeprozess eines Handwerksbetriebes sei das Finden eines entsprechend qualifizierten Nachfolgers. Das bestätigten mit 57 Prozent die Handwerksbetriebsinhaber bei einer Umfrage des Handwerksverbands von 2020. Zweitgrößte Herausforderung für die Weitergabe des Betriebes ist demnach die Ermittlung des Unternehmenswertes. Auf Platz drei stehen steuerliche Aspekte.

Steigende Umsätze, fehlende Fachkräfte

Das Handwerk ist der vielseitigste Wirtschaftsbereich Deutschlands und bildet mit seinen kleinen und mittleren Betrieben das Kernstück der deutschen Wirtschaft, so der ZDH. Laut diesem sind aktuell in Deutschland über eine Million (1.037.073) Handwerksbetriebe registriert, bei denen rund 5,6 Millionen Menschen arbeiten. Circa 343.000 Menschen werden im Handwerk ausgebildet.

Im Jahr 2023 erreichte der Umsatz im Handwerk rund 766,2 Milliarden Euro. 2020 lag dieser noch bei rund 650 Milliarden.

Goldes Handwerk ade?

Währen die Umsätze der Handwerksbranchen steigen, fehlen nicht nur Nachfolger für die Betriebe, auch Nachwuchs und Fachkräfte sind rar. Die Kluft zwischen Bedarf und Arbeitskräften wird größer.

Die bereits 2021 fehlenden 65.000 Fachkräfte im Handwerk sind mehr geworden. Im September 2024 legte das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) dazu Zahlen vor, die zeigten, dass sich die Nachfrage zu 2021 fast verdoppelt hat. Dazu Dr. Lydia Malin vom IW:

Die Fachkräfte suchen nicht nach Arbeitgebern, sondern die Arbeitgeber nach Fachkräften.“

226.000 offene Stellen wurden zwischen Juli 2023 und Juni 2024 in Handwerksberufen verzeichnet. Demgegenüber stehen 135.000 arbeitslose Handwerker. Bei diesen kommt eine Besonderheit zum Tragen, denn Handwerker ist nicht gleich Handwerker. Malin schreibt: „Berücksichtigt man, dass ein Friseur kein Dach decken und ein Elektriker kein Brot backen kann, konnten im selben Zeitraum rechnerisch gut 113.000 offene Stellen in Handwerksberufen nicht besetzt werden.“

Lücke wird jedes Jahr größer: Bedarf wächst schneller als Angebot

Mit 18.300 Fachkräften fehlen am meisten Menschen im Bereich Bauelektrik. Kraftfahrzeugtechnik folgt mit 16.300 offenen Stellen, wo es „rechnerisch keinen passend qualifizierten Arbeitslosen“ gebe. Auf Bedarfsplatz Nummer drei ist Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik mit einer Fachkräftelücke von 12.200 Handwerkern zum Bedarf.

Auch wenn die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in diesen Berufen langsam ansteige, so IW, wachse der Bedarf der Unternehmen schneller.

Jugend will lieber studieren

Systemrelevanz und Krisenfestigkeit zeichnen den Handwerksbereich als ein zukunftssicheres Arbeitsumfeld aus, so die Personalmarketing-Agentur Junges Herz in ihrem Blog. Sie fragt: „Woran liegt es, dass sich immer weniger Jugendliche für einen Job im Handwerk entscheiden […]?“

Die Antwort in Kurzform: Zum demografischen Wandel komme hinzu, dass junge Leute ein Studium der Ausbildung häufig vorziehen. Das Handwerk habe vor allem ein Imageproblem. 

Mit Material von dts



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